Gepäckwagen stehen am Flughafen München auf dem Vorfeld.
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Gepäckwagen stehen am Flughafen München auf dem Vorfeld: Immer wieder gibt es Tage, an denen zehn oder mehr Flugzeuge ohne Gepäck abheben.

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Flughafen München: Immer noch Flüge ohne Gepäck

Am Flughafen München gibt es Tage, an denen zehn oder mehr Flugzeuge ohne Koffer starten. Ein Grund: Die Personaldecke bei den Abfertigern ist dünn und Verstärkung kaum zu kriegen. Bei großem Andrang und schwierigen Wetterlagen wird das zum Problem.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Rund 900 Flüge werden täglich im Erdinger Moos abgewickelt. In "Ausnahmesituationen" - etwa bei Gewittern oder Verspätungen im Luftverkehr - kommt es weiterhin vor, dass "zehn oder mehr" Flieger pro Tag ohne die aufgegebenen Koffer abheben. Das teilte Flughafen-Sprecher Henner Euting auf BR-Anfrage mit. Vergangene Woche habe es aber auch Tage gegeben, an denen das gar nicht passiert sei, betont er. Insgesamt liege der Anteil der Flüge ohne Gepäck "pro Woche unter einem halben Prozent".

Personalmangel während der Wiesn und der IAA

Wenn es nicht rund läuft, komme aber schon mal ein Berg von Koffern "im oberen dreistelligen oder unteren vierstelligen Bereich" zusammen, berichtet Marc Zangl, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats der Flughafen München GmbH und ihrer Groundhandling-Tochter Aeroground. Diese und Konkurrent Swissport Losch kümmern sich im Erdinger Moos um die Bodenverkehrsdienste. Eine wesentliche Ursache für die Probleme sieht der Betriebsrat in der angespannten Personalsituation. "In einer normalen Zeit – wenn keine Ferien, kein Oktoberfest und keine IAA ist – sind wir gut aufgestellt", sagt er. "Aber wenn großer Andrang ist und obendrauf noch wetterbedingte Verspätungen kommen, dann geraten wir schnell an unsere Grenzen."

Probleme durch Wetterkapriolen

Wenn wegen vieler Gewitter immer wieder Flüge verschoben werden oder die Koffer im Unwetter nicht zum Flugzeug gebracht werden können, geraten die Einsatzpläne der Bodenverkehrsdienste durcheinander, und das ist personell nicht aufzufangen. Im Gegenteil: Im August kamen noch die Ausfälle auf dem Vorfeld durch die Hitze dazu. In der Folge hatten Tausende Passagiere einen ruckeligen Start in den Urlaub.

Tagelang ohne Gepäck auf Ibiza

Da war zum Beispiel eine Familie, die nach Ibiza flog, fünf Tage später immer noch auf ihr Gepäck wartete und sich von der Airline auch noch schlecht informiert fühlte, wie sie in einem Schreiben an BR24 berichtete. Oder die Umsteigerin, die mit Verspätung aus Nizza kam und ohne Gepäck nach Berlin weiterfliegen musste. Sie ärgerte sich auch deshalb besonders, weil sie eigentlich nur mit Handgepäck unterwegs war. Dieses hatte sie allerdings als Koffer aufgeben müssen, weil im Flugzeug nicht mehr genug Platz war.

Ob und wie lange eine Maschine auf ausstehendes Gepäck wartet, entscheidet letztlich der Flugkapitän oder die -kapitänin. Dabei habe man auch die Transferpassagiere im Blick, "die auf Weiterflügen gebucht sind und bei einem verspäteten Abflug möglicherweise diesen Anschluss verpassen", wie eine Lufthansa-Sprecherin erklärt.

Es fehlen bis zu 300 Kräfte

Es gibt aber auch Berichte von Passagieren, deren Koffer sehr wohl in München ankamen. Doch dann wurde das Gepäck nicht ausgeladen und ist jetzt "verschollen". Andere Passagiere mussten in größter Hitze zwei Stunden am Gepäckband auf ihre Koffer warten. Allein im Innen- und Außendienst der Firma Aeroground, die insgesamt 2.300 Mitarbeitende hat, fehlen nach Schätzung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden 250 bis 300 Mitarbeitende.

Gepäck-Mitarbeiter "am Ende der Nahrungskette"

Denn als nach Corona das Interesse an Flugreisen unerwartet schnell wieder stieg, ließ sich das während der Pandemie reduzierte Personal nicht wieder auf altem Niveau aufbauen. Diese Erfahrung machen auch andere Dienstleister und die Fluggesellschaften. Aeroground tue sich schwer wegen der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt und wegen der konkurrierenden Firmen auf dem Flughafen oder im Umland, die oft mehr böten, erklärt Marc Zangl im BR24-Gespräch: "Wir leben von dem Geld, das die Airlines uns bezahlen, und da bewegen wir uns halt leider sehr am Ende der Nahrungskette."

Die Mitarbeitenden auf dem Vorfeld verdienen laut Zangl etwas mehr als 2.300 Euro im Monat brutto plus 200 Euro Belastungszulage. Wenn jeder Passagier nur einen Euro mehr zahlen und das Geld an Aerogrund weitergeleitet würde, wäre das Personalproblem eher lösbar, rechnet Zangl vor. Vergangenes Jahr haben mehr als 30 Millionen Passagiere den Flughafen München genutzt, vor Corona waren es sogar rund 48 Millionen.

Kampf um jeden Euro - Airlines denken aber langsam um

In der Branche wird jedoch um jeden Euro gekämpft – und um jeden Passagier. "Ich habe ja gehofft, dass die Zeiten der 29-Euro-Flüge vorbei sind", sagt Zangl. Das sei aber nicht der Fall. Doch "so lange es Tickets unter 100 Euro für einen Flug nach Mallorca gibt, glaube ich nicht, dass sich viel an der Personalsituation ändern wird".

Allerdings meint er inzwischen ein "sehr zaghaftes Umdenken bei den Airlines" zu erkennen, auf die es schließlich auch zurückfalle, wenn Passagiere sich nicht sicher sein können, ob ihr Gepäck auch ankommt. Parallel bemühe sich der Betriebsrat um "ordentliche Steigerungen", bei der Bezahlung, und auch hier habe er den Eindruck, dass er immer mehr auf offene Ohren stoße. Ab 2024 würden sich die Löhne aufgrund der jüngsten Tarifabschlüssen noch einmal erhöhen, betont Henner Euting, Sprecher der Flughafen München GmbH. Aber schon jetzt könne man bei der Gepäckabfertigung um die 3.500 Euro brutto verdienen, erklärt er unter Hinweis etwa auf Feiertagszuschläge.

Dieser Artikel ist erstmals am 4. September 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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