Kontrolle an der Grenze zu Polen (Symbolbild)
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Kontrolle an der Grenze zu Polen (Symbolbild)

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Innenministerin Faeser: Bereiten stationäre Grenzkontrollen vor

Bundesinnenministerin Faeser hat bekräftigt, dass angesichts hoher Migrationszahlen stationäre Kontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien vorbereitet werden. Ob das die Zahlen senkt, betrachtet sie aber mit Skepsis – und ist damit nicht allein.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Einführung stationärer Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien lange abgelehnt, unter anderem mit dem Argument, dass zahlreiche Menschen zur Arbeit über diese Grenzen pendeln. Stattdessen ordnete sie zunächst eine Ausweitung der Schleierfahndung im Grenzgebiet an.

Dann vollzog die Ministerin angesichts deutlich steigender Migrationszahlen und immer lauteren Forderungen nach mehr Kontrolle eine Kehrtwende. Aus ihrer Sicht seien stationäre Kontrollen "eine Möglichkeit, Schleuserkriminalität härter zu bekämpfen", sagte sie der "Welt am Sonntag". "Zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen" würden aktuell geprüft.

Faeser: "Man muss schauen, was das bringt"

Nun kündigte Faeser erneut an, zur besseren Schleuserbekämpfung würden stationäre Kontrollen vorbereitet. "Wir bereiten erstmal stationäre Grenzkontrollen mit vor. Es geht um zusätzliche Kontrollen", sagte Faeser im Deutschlandfunk: Man müsse "schauen, was das dann bringt", ergänzte sie.

In der Tat zeigte sich Faeser skeptisch, ob durch feste Kontrollen die Zahl der Einreisen nach Deutschland deutlich gesenkt werden könne. Kontrollen hinderten niemanden an der Einreise, der nach Asyl frage, sagte sie. Stationäre Kontrollen könnten aber eine Maßnahme gegen Schleuser sein, so Faeser: "Wenn wir Schleuser erwischen, wird es viel bringen, weil wir im Moment das Gefühl haben, dass jeder Vierte oder Fünfte über Schleuser ins Land kommt."

Wirksame Entlastung nur durch Kontrollen an EU-Außengrenze

Faeser fügte hinzu, es gebe keine einfachen Lösungen, sondern es müsse ein Bündel von Maßnahmen greifen: Eine Entlastung für die Kommunen würden "dauerhaft nur europäische Lösungen bieten, nämlich eine Grenzkontrolle an der Außengrenze, nicht über Binnengrenzen".

Auch die nun geplanten Maßnahmen seien in enger Zusammenarbeit mit den Nachbarländern am wirksamsten, so Faeser. Nachdem Tschechien bereits verstärkten Kontrollen zusammen mit der deutschen Bundespolizei zugestimmt habe, sei das auch mit Polen geplant.

Thüringens Innenminister: "Vor allem symbolische" Maßnahme

Ähnlich vorsichtig zum Effekt von stationären Kontrollen äußerte sich Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD). "Kontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien allein werden die Migrationskrise in Deutschland nicht lösen", sagte er dem Nachrichtenportal "The Pioneer". Es gebe rechtlich keine Handhabe, Menschen an der Grenze zurückzuweisen, wenn diese Asyl begehrten.

Zudem werde für lückenlose Kontrollen enorm viel Personal gebraucht, auch seien lange Staus und Verzögerungen die Folge. Maier: "Man kann sich für diese Maßnahme entscheiden, sie wirkt aber vor allem symbolisch."

GdP befürchtet Ausweichen auf die grüne Grenze

Auch Faeser betonte, dass die Personalsituation bei der Polizei schwierig sei: Vorläufig sei wichtig, "dass wir in der Fläche an der Grenze mit Personal vorhanden sind", weil es ansonsten lediglich zu einem Verlagerungseffekt komme und die Migranten dann an anderen Stellen über die Grenze kämen, erklärte sie.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt genau mit dieser Argumentation stationäre Grenzkontrollen ab. "Wir sprechen uns als GdP gegen stationäre, feste Grenzkontrollen aus, weil wir das in der polizeilichen Arbeit nicht als effektiv ansehen", sagte die Vizevorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Erika Krause-Schöne, der "Rheinischen Post".

Feste Kontrollpunkte seien eine "dauerhafte Belastung" und "sehr personalintensiv". Die Schleuser würden dann einfach um die Kontrollstellen herumfahren. Die Bundespolizei müsse deshalb "agil auf der Grenzlinie" agieren können, statt nur an offiziellen Übergangen zu stehen.

Feste Kontrollen als "Augenwischerei"

Ebenso wie Faeser und Maier zeigte sich auf Krause-Schöne mit Blick auf die Wirkung fester Kontrollen wenig zuversichtlich. Diese seien eine "Augenwischerei", die das Problem im Kern nicht lösen könne. "Wir können dadurch nicht die Zahlen der Migration begrenzen", betonte sie.

Auch aus ihrer Sicht könne die Migrationspolitik nur auf EU-Ebene vorangebracht werden, unter anderem durch eine Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und eine "Vorfilterung" der Geflüchteten an der EU-Außengrenze.

Um dennoch effektiver im Zuge der Schleierfahndung kontrollieren zu können, fordert die GdP bereits seit Ende Juli eine Notifizierung der Grenze zu Polen und Tschechien durch die EU. Das würde flexible Kontrollen im Zuge der Schleierfahndung auch "direkt auf dem Grenzstreifen" ermöglichen, sagte Krause-Schöne. Bislang findet die Schleierfahndung nur in einem Streifen hinter der Grenze statt, weil Ministerin Faeser eine solche Notifizierung noch nicht in Brüssel beantragt hat.

Deutsche Polizeigewerkschaft: Alles "viel zu spät"

Noch mehr Kritik an Faeser klingt bei Heiko Teggatz an, dem Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Konkurrenz-Organisation der GdP. Er plädiert schon lange für stationäre Grenzkontrollen und findet, dass Faesers Sinneswandel zu spät komme. "Gut, dass sie es endlich prüft. Viel zu spät, dass sie jetzt erst mit der Prüfung anfängt. Ich fordere das seit Monaten, die stationären Grenzkontrollen", sagte Teggatz dem ZDF.

Stationäre Grenzkontrollen bedeuteten jedoch nicht, dass die Bundespolizei jetzt Zäune hochziehe und Schlagbäume aufbaue. Die Beamten, die bisher im Rahmen der Schleierfahndung eingesetzt seien, würden vielmehr in die Stationen wechseln, glaubt auch er. Mehr als die Durchführung von Sichtkontrollen im laufenden Verkehr komme dabei aber nicht heraus.

Faeser soll Polizisten Recht zur Zurückweisung verschaffen

Die Polizisten dürften "nicht zurückweisen, weil da wird sich auch wieder auf das europäische Recht berufen", so Teggartz. Dies müsse Faeser ändern, indem sie die stationären Grenzkontrollen bei der EU anmelde. Dann könnten die Kollegen an den Grenzen "rechtssicher handeln und hätten auch grenzpolizeiliche Befugnisse unmittelbar an der Grenze", so wie das seit 2015 an der Grenze zu Österreich der Fall sei.

Dass Faeser sich bislang nicht an Brüssel gewandt hat, führt Teggatz auf parteipolitische Gründe zurück: "Das ist wahrscheinlich ein bisschen die Parteiideologie, die gerade bei den Grünen immer mitschwingt als Regierungspartner." Er glaube, dass die Grünen "da den Keil gerade rein treiben in die Ampel-Regierung".

Wirtschaft fordert "sensibles" Vorgehen

Widerstand gegen eine Einführung stationärer Grenzkontrollen an weiteren deutschen Außengrenzen kommt von der Wirtschaft. Der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, warnte im "Handelsblatt" vor den Folgen für Geschäftsleute, Dienstleister, Handwerker oder Touristen. Diese profitierten von offenen Grenzen ebenso wie der lokale Einzelhandel, hob Treier hervor.

"Stationäre Kontrollen bringen den Reise- und Warenverkehr zwar nicht zum Erliegen, führen aber zwangsläufig zu Verzögerungen", warnte Treier. Daher müsse die Politik hier "sehr sensibel" vorgehen. Beim Kampf gegen Schleuserkriminalität müsse die Regierung "stark im Blick behalten, die Lieferungen unserer Exporteure zu gewährleisten und Just-in-time-Lieferungen in konjunkturell angespannten Zeiten nicht zu verteuern".

Ähnliche Warnungen äußerte auch der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Der freie Warenverkehr sei ein "wesentlicher Baustein für arbeitsteiliges Wirtschaften in Europa", sagte dem "Handelsblatt" dessen Hauptgeschäftsführer Frank Huster. Die Bundesregierung müsse die Risiken unterbrochener Lieferketten und steigender Logistikkosten "unbedingt" berücksichtigen, forderte auch er.

Union: Maßnahmen auf nationaler Ebene vorantreiben

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) verlangte hingegen im Morgenmagazin von ARD und ZDF, dass man Grenzschutzmaßnahmen sehr wohl auch auf nationaler Ebene "weiter vorantreiben" solle, ebenso wie etwa eine bessere Durchsetzung der Ausreisepflicht. In Berlin forderte Frei zudem eine Klärung der künftigen Finanzierung der Flüchtlingskosten. Er verstehe die Haltung der Kommunen zu 100 Prozent. Es wäre aber auch zu wenig vom Bund, einfach nur mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Das wäre nur ein "Arbeiten an den Symptomen".

Länder und Kommunen fordern angesichts steigender Migrationszahlen eine stärkere Unterstützung des Bundes. Eine Lösung wird bis zu einer Ministerpräsidentenkonferenz Anfang November angestrebt. Frei sagte, bis dahin sei schon noch Zeit, sich darum zu kümmern. Er forderte Kanzler Olaf Scholz (SPD) auch angesichts verschiedener Signale für ein parteiübergreifendes Vorgehen zum Handeln auf: "Wer, wenn nicht der Kanzler sollte an der Stelle die Initiative ergreifen?"

Mit Informationen von AFP, epd und dpa

Im Video: Thorsten Frei fordert Maßnahmen zur Begrenzung von Migration

Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei
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Die Union dringt auf konkrete Schritte zur Begrenzung der Migration. Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei im Morgenmagazin der ARD.

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