Eine syrische Familie wird von einer Polizistin zu einem Auto begleitet.
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Symbolbild: Begegnung von Geflüchteten und Polizei an der bayerischen Grenze.

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Datenüberblick Geflüchtete: Wie ist die Lage in Bayern?

Wichtige Statistiken zum Thema Flucht und Migration: Wie viele Asylanträge werden jährlich gestellt? Woher kommen die Geflüchteten? Nimmt Bayern mehr Menschen auf als andere Bundesländer?

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Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Bis zum Anschlag gefüllte Boote, Menschenreihen an Anlegestellen, umdrängte Hilfszelte: Das sind die Bilder, die uns aktuell von der Mittelmeerinsel Lampedusa erreichen. In Deutschland und vor allem im vor der Landtagswahl stehenden Bayern haben diese Bilder eine neue Debatte um Flucht und Migration ausgelöst.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach von "unktrollierter Zuwanderung". Kommunen in Bayern berichten, wie schwierig die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vor Ort sein kann.

Experten dagegen warnen vor Einschätzungen auf der Grundlage dramatischer Szenen. So sagte etwa Migrationsforscher Gerald Knaus im BR24 Fernsehen, dass die jetzt in Lampedusa angekommenen Geflüchteten für Deutschland kaum eine Rolle spielen werden. Er appelliert aber dafür, die Lage im östlichen Mittelmeerraum im Auge zu behalten. Auch hier steige seit einigen Wochen die Zahl der Grenzübertritte in die EU wieder an.

Um sich von den Bildern zu lösen, hilft ein Blick in die Daten: In welchem Größenverhältnis steht der aktuelle Anstieg der Flüchtlingszahlen? Woher kommen die Geflüchteten? Und wer nimmt eigentlich die meisten Menschen auf?

Wie viele Geflüchtete sind nach Bayern gekommen?

Das breiteste Bild der aktuellen Situation gibt die Zahl der sogenannten Schutzsuchenden. Unter diesem Begriff werden im Ausländerzentralregister (AZR) alle Ausländer und Ausländerinnen gezählt, die sich unter Berufung auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe in Bayern und Deutschland aufhalten.

Dieser Sammelbegriff umfasst damit unter anderem: Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind und sich in Deutschland nur registrieren müssen. Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben. Aber auch Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die etwa aus humanitären Gründen dennoch in Deutschland geduldet werden.

Die folgende Grafik zeigt, wie sich die Gesamtzahl der in Deutschland und Bayern lebenden Schutzsuchenden in den vergangenen Jahren entwickelt hat.

Grafik: Wie viele Schutzsuchende leben aktuell in Bayern?

Nur ein Teil der jährlich hinzukommenden Schutzsuchenden stellt einen Antrag auf Asyl. Ausgenommen sind davon etwa Ukrainer und Ukrainerinnen, die vor dem Krieg fliehen. Sie erhalten nach einer EU-Richtline kollektiven Schutz und damit auch ohne individuellen Asylantrag eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis. Die folgende Grafik zeigt, wie viele Asyl-Erstanträge in den letzten Jahren jeden Monat in Deutschland gestellt wurden:

Grafik: Wie viele Asylanträge werden aktuell in Deutschland gestellt?

Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der gestellten Asyl-Erstanträge der letzten Jahre in Bayern.

Grafik: Wieviele Asylanträge werden aktuell in Bayern gestellt?

Betrachtet man die gezeigten Grafiken zu den Schutzsuchenden und Asylerstanträgen zusammen, ergibt sich folgendes Bild: In Bayern und Deutschland steigen aktuell die Flüchtlingszahlen wieder leicht an. Allerdings sind sie noch weit von den Entwicklungen aus den Jahren 2015/2016 oder 2022 entfernt.

Nimmt Bayern besonders viele Geflüchtete auf?

Schaut man auf absolute Zahlen, werden in Bayern deutlich mehr Anträge auf Asyl gestellt als in den meisten anderen Bundesländern. Es gilt aber auch zu bedenken, dass Bayern das größte Bundesland, mit der zweitgrößten Bevölkerung ist.

Zudem ist es gerade bei Menschen, die Asyl beantragen, nicht willkürlich, wo in Deutschland sie das tun. Es gibt ein Quotensystem, dass die faire Erstverteilung von Asylsuchenden auf die einzelnen Bundesländer garantieren soll. Die Quote, die dabei jedem Bundesland zugewiesen wird, orientiert sich zu einem Drittel an der Bevölkerungszahl, zu zwei Dritteln am Steueraufkommen. Es wird also auch berücksichtigt, wie wirtschaftsstark ein Bundesland ist.

Betrachtet man deshalb die Anzahl der gestellten Asylanträge - etwa in 2023 - in Relation zur Einwohnerzahl, liegt Bayern eher im unteren Bereich:

Grafik: Wie viele Asyl-Erstanträge wurden 2023 in den Bundesländern gestellt?

Auch bei der Aufnahme von Schutzsuchenden insgesamt ist es wichtig, die Zahlen im Verhältnis zur Einwohnerzahl zu betrachten. Die folgende Karte zeigt für jeden Landkreis in Deutschland, welchen Anteil der Bevölkerung schutzsuchende Menschen Ende 2022 ausgemacht haben:

Deutschlandkarte: Wo wurden verhältnismäßig die meisten Schutzsuchenden aufgenommen?

Gut zu sehen ist: In vielen bayerischen Landkreisen leben im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger Schutzsuchende als etwa im Nordwesten der Bundesrepublik. Die Landkreise Freyung-Grafenau, Bayreuth und Coburg haben mit 1,3 Prozent sogar den niedrigsten Anteil überhaupt. Dafür ist die Konzentration in einigen mittelgroßen Städten wie Hof und in Landkreisen mit großen Aufnahmeeinrichtungen wie zum Beispiel Deggendorf im Vergleich deutlich höher.

Woher kommen die Menschen, die nach Deutschland und Bayern fliehen?

Es wird aktuell nicht nur rege darüber diskutiert, wohin die geflüchteten Menschen gehen – auch ihr Herkunftsland ist ein wichtiger Bestandteil der Gesamtlage. Mit Herkunftsland ist das Land gemeint, aus dem ein Migrant oder eine Migrantin ursprünglich kommt beziehungsweise aus dem sie oder er geflohen ist. Die folgende Grafik zeigt den aktuellsten Stand: Aus diesen jeweils sechs Herkunftsländern kommen die meisten Schutzsuchenden, die in Bayern und Deutschland leben.

Grafik: Häufigste Herkunftsländer der Schutzsuchenden in Bayern und Deutschland

Der hohe Anteil an Geflüchteten aus der Ukraine (in Bayern fast 40 Prozent) ist eine sehr junge Entwicklung (2022) und zeigt besonders eindringlich die Folgen, die der Krieg in der Ukraine hierzulande hatte. Die Anzahl der syrischen Geflüchteten stieg in 2015 und 2016 fast aus dem Nichts sprunghaft an und steigt seitdem weiter leicht, aber kontinuierlich. Vor 2015 machten Geflüchtete aus dem Irak und Afghanistan den Hauptteil aus. Ihre Zahl stieg im Rahmen der großen Fluchtbewegung 2015/2016 ebenfalls sprunghaft an, pendelte sich dann aber auf einem gewissen Niveau ein. Seit 2021 steigt die Zahl flüchtender Afghanen und Afghaninnen wieder an.

Diese Verteilung der Herkunftsländer findet sich fast identisch in den Daten zu Asylanträgen wieder, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auch schon für das erste Halbjahr 2023 (Januar bis August) bereitstellt: Die meisten Asylanträge wurden von Geflüchteten aus Syrien gestellt, gefolgt von Afghanistan, der Türkei und dem Irak.

Auf welchen Wegen kommen Geflüchtete nach Deutschland?

Aus der insgesamt stetigen Entwicklung der Flüchtlingszahlen und der bisherigen Verteilung der Asylanträge in 2023 lässt sich schließen, dass die häufigsten Herkunftsländer der Schutzsuchenden in Bayern und Deutschland aktuell denen aus 2022 entsprechen. Diese Herkunftsländer liefern indirekt auch Hinweise darauf, über welche Strecken und Zwischenländer die meisten Geflüchteten nach Deutschland kommen.

Der Europäische Rat unterschiedet verschiedene Migrationsrouten nach Europa – die fünf größten lassen sich so zusammenfassen:

  • Die West-Mittelmeer-Route und die Westafrika-Route, auf der vor allem Menschen aus Marokko, Algerien und Guinea über Spanien in die EU kommen.
  • Auf der Zentral-Mittelmeer-Route kommen die Geflüchteten meist über das italienische Staatsgebiet, etwa die Insel Lampedusa, in die EU. Die häufigsten Herkunftsländer sind hier Eritrea, Tunesien und Nigeria.
  • Über die Ost-Mittelmeer-Route fliehen vor allem Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak– also die Gruppen, die neben den Ukrainern und Ukrainerinnen den größten Teil der Schutzsuchenden in Deutschland ausmacht. Sie betreten die EU meist aus der Türkei heraus. Auf ihrem Weg nach Norden durchqueren sie oft andere Nicht-EU-Länder wie Albanien und Serbien. Übertreten sie dann erneut eine EU-Außengrenze, werden sie oftmals auch erneut gezählt und der West-Balkan-Route zugeordnet.

Die folgende Grafik zeigt, wie viele irreguläre Einreisen in die EU jeden Monat auf welcher Route gezählt werden:

Grafik: Entwicklung der Flüchtlingszahlen auf den großen EU-Migrationsrouten

Gut zu sehen ist der Ausschlag der großen Fluchtbewegung 2015/2016 und auch der aktuelle Anstieg auf der zentralen Route, der zu den Bildern aus Lampedusa führte. Die Geflüchteten aus der Ukraine spielen in dieser Statistik keine Rolle, da sie aufgrund einer EU-Sonderregelung nicht als irreguläre Einreisen gezählt werden.

Die Daten unterstützen die Aussagen von Migrationsforscher Gerald Knaus: Schaut man sich die historische Entwicklung an, spielen die Geflüchteten aus der zentralen Mittelmeerroute - also auch von Lampedusa - in der deutschen Flüchtlingsdynamik eine untergeordnete Rolle. Jedoch bestätigen die Daten seine Ansicht, dass der sichtbare Anstieg auf der West-Balkan-Route einen Anstieg der Flüchtlingszahlen in Deutschland und Bayern zur Folge haben könnte.

Nimmt Deutschland mehr Flüchtlinge auf als andere EU-Länder?

In den Statistiken zur Aufnahme von Geflüchteten, wie sie etwa die UNHCR aufstellt, werden oft nur absolute Zahlen angegeben. Deutschland ist demnach in der Europäischen Union seit Jahren das Land, welches die meisten "Flüchtlinge nach UNHCR-Mandat" aufnimmt. In den vergangenen zehn Jahren war Deutschland zudem stets das Land, in dem die meisten Asylanträge gestellt wurden.

Allerdings weist die EU in der Statistik zu den Asylanträgen auch die Anzahl im Verhältnis zur Einwohnerzahl eines Landes aus. Die folgende Tabelle zeigt, wie sich auch hier die Größenverhältnisse ändern, wenn man die Daten auf diese Weise betrachtet: Deutschland ist nicht mehr an erster Stelle, sondern auf dem vierten Platz.

Grafik: Wie viele Asylanträge wurden im ersten Halbjahr 2023 in den EU-Staaten gestellt?

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