ARCHIV: "Deutschland" steht am 05.03.2016 in Rathenow auf der Jacke eines Mannes. Er steht neben dem Protestzug des rechten "Bürgerbündnisses Deutschland".
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Studie: Rechtsextreme Einstellungen nehmen deutlich zu

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Studie: Rechtsextreme Einstellungen nehmen deutlich zu

Immer mehr Menschen in Deutschland befürworten rechtsextreme Einstellungen. Aktuell hat jeder zwölfte Erwachsene ein rechtsextremes Weltbild. Zu diesem Ergebnis kommt die sogenannte Mitte-Studie im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.

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In Deutschland hat derzeit jeder und jede Zwölfte ein rechtsextremes Weltbild. Das hat die neue "Mitte-Studie" der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ergeben. Die Autorinnen und Autoren des Berichts schreiben, dass das ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den letzten Jahren sei. Lag der Anteil derer, die rechtsextreme Einstellungen haben, zuletzt bei zwei bis drei Prozent, ist er jetzt auf gut acht Prozent gestiegen.

Rechtsextreme Einstellungen breiten sich aus

"Die distanzierte Mitte" heißt die Studie, die nun offiziell vorgelegt wurde. Sie fußt auf einer repräsentativen Umfrage und wurde von Forscherinnen und Forschern der Universität Bielefeld erstellt. Sie ist die mittlerweile neunte derartige Studie, die seit 2006 jeweils im Abstand von etwa zwei Jahren veröffentlicht wird und sich vor allem mit rechtsextremen Einstellungen beschäftigt. Das heißt: Der Bericht kann nicht nur den aktuellen Stand feststellen, sondern auch Entwicklungen aufzeigen.

Und die belegen, dass nicht nur der Anteil der Menschen mit manifest rechtsextremer Orientierung angestiegen ist, sondern auch der sogenannte Graubereich: also der Anteil der Befragten, die solchen Einstellungen zwar nicht zustimmen, aber sie eben auch nicht eindeutig ablehnen. 20 Prozent bewegen sich aktuell in diesem Graubereich, acht Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren.

Vertrauen in die Demokratie gesunken

Die Autorinnen und Autoren haben einige zentrale Punkte abgefragt, um ein Gesamtbild erstellen zu können. Zu den Ergebnissen gehört zum Beispiel, dass mehr als sechs Prozent eine Diktatur mit einer einzigen Partei und einem Führer befürworten. Gut 16 Prozent sind "Ausländern" gegenüber negativ eingestellt, ähnlich viele glauben an eine nationale Überlegenheit Deutschlands und fordern "endlich wieder" Mut zu einer Politik, deren oberstes Ziel es sein sollte, Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zustehe.

Auch der Sozialdarwinismus nimmt zu: der Anteil derer, die Aussagen wie "Es gibt wertes und unwertes Leben" zustimmen, hat sich verdoppelt und liegt jetzt bei fast sechs Prozent. Insgesamt ist das Vertrauen in die Institutionen der Demokratie auf unter 60 Prozent gesunken. Und wenn man fragt, wo sie sich politisch verorten, sagen jetzt 15 Prozent der Befragten: "rechts der Mitte" – in der letzten Ausgabe der Mitte-Studie haben das nur zehn Prozent gesagt.

Als einen Grund für die Entwicklung sehen die Autoren, dass immer mehr Menschen sich einsam, verunsichert und durch die vielen Krisen belastet fühlen. Und wer sich isoliert fühle, der "neigt eher zu menschenfeindlichen wie auch antidemokratischen Einstellungen als Personen, die seltener Einsamkeit erleben", heißt es in der Studie.

Aber: Deutliche Mehrheit will vielfältige Gesellschaft und ist zufrieden mit Demokratie

Gleichzeitig bemühen sich die Autoren auch darum, die Ergebnisse einzuordnen. So betonte Andreas Zick von der Uni Bielefeld bei der Vorstellung der Studie: "87 Prozent der Befragten sind der Meinung, in einer Demokratie sollten Würde und Gleichheit an erster Stelle stehen. 67 Prozent sind der Meinung, wir müssen uns stärker für eine offene und vielfältige Gesellschaft engagieren. Und 57 Prozent sind der Meinung, dass die deutsche Demokratie im Großen und Ganzen ganz gut funktioniert."

Deswegen wolle die Studie auch nicht das Bild vermitteln, dass die Mitte in ihrer Mehrheit rechtsextrem werde, so Zick. Aber – so das Fazit der Forscher: Die Mitte ist nach rechts gerückt, und hat sich in Teilen radikalisiert.

Studienautor warnt vor "Kipppunkt"

Andreas Zick forderte, die Politik müsse sich jetzt vor allem um jene bemühen, die sich im Graubereich zwischen Zustimmung und Ablehnung rechtsextremer Positionen bewegen: "Das ist jetzt ein gewisser Kipppunkt", sagte er. Denn im Moment sei die Gefahr relativ groß, dass sich das, was die Studie beobachtet habe – also der Anstieg rechtsextremen Gedankenguts – in politischen Strukturen verankere: "Das sehen wir in den Parlamenten". Der Rechtsextremismus sei stark, wenn er sich auf Überzeugungen in der politischen Mitte stützen könne. Deshalb müsse die Politik in die Demokratie und in politische Bildung investieren.

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