Ein bundesweit bekannter Rechtsextremist wird bei einer Durchsuchungsaktion auf seinem Grundstück von Polizeibeamten begleitet.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Jens Büttner

Hammerskin-Razzia

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Neonazi-Gruppe "Hammerskins" verboten - drei Razzien in Bayern

Bundesinnenministerin Faeser hat die Neonazi-Gruppierung "Hammerskins" bundesweit verboten. Die Polizei durchsuchte Wohnungen von 28 mutmaßlichen Führungspersonen der Gruppe, auch in Bayern fanden in drei Landkreisen Razzien statt.

Über dieses Thema berichtet: Nachrichten am .

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die rechtsextreme Gruppe "Hammerskins Deutschland" verboten. Auch die regionalen "Chapters" und die Teilorganisation "Crew 38" der Gruppe seien verboten worden, teilte das Bundesinnenministerium mit.

Unmittelbar nach dem Verbot durchsuchten Beamte von Bundeskriminalamt und den Landespolizeien nach Angaben des Bundesinnenministeriums am frühen Morgen Wohnungen von 28 mutmaßlichen Führungsmitgliedern des Vereins in zehn Bundesländern: Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen.

Mehrere Waffen beschlagnahmt

Bei der Polizeiaktion wurden nach Angaben des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern mehrere Waffen und waffenähnliche Gegenstände sowie eine Vielzahl szenetypischer Devotionalien sichergestellt. Nach Medien-Meldungen sollte auch das Vereinsvermögen beschlagnahmt werden.

"Gewaltorientiert" gegen die verfassungsmäßige Ordnung

Die Gruppe wurde nach Angaben des Bundesinnenministeriums nach mehr als einjähriger Vorbereitung durch Bund und Länder verboten, weil die "Hammerskins" sich "gegen die verfassungsmäßige Ordnung" und "gegen den Gedanken der Völkerverständigung" stellen würden. Kernelement ihres Gedankenguts sei das Propagieren einer an die NS-Ideologie angelehnten Rassenlehre. Zudem liefen Zweck und Tätigkeit der Vereinigung den Strafgesetzen zuwider.

Der Verfassungsschutz stuft die Gruppierung als "gewaltorientiert" ein. Die "Hammerskins Deutschland" nähmen in der rechtsextremistischen Szene in Europa eine "herausragende Rolle" ein.

Selbstverständnis als Elite der Skinhead-Bewegung

Die "Hammerskins" verstünden sich als Elite der rechtsextremistischen Skinhead-Szene, so das Innenministerium, die Mitgliedschaft wird erst nach einem längeren Auswahlverfahren verliehen. Die international vernetzte Gruppierung vertreibe rechtsextremistische und antisemitische Musik, organisiere rechtsextremistische Konzerte und verkaufe rechtsextremistische Merchandise-Artikel, so das Innenministerium.

Zweck der Gruppe sei es, ihre rechtsextremistische Weltanschauung auszuleben und zu verfestigen, auch Nicht-Mitglieder sollten durch die Aktivitäten der "Hammerskins" mit rechtsextremistischem Gedankengut konfrontiert und ideologisiert werden. So seien die Texte der von den "Hammerskins" unterstützten Bands oft durch rassistische Hetze geprägt.

Faeser: "Harter Schlag gegen organisierten Rechtsextremismus"

"Das Verbot der 'Hammerskins Deutschland' ist ein harter Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus", erklärte Faeser. "Mit diesem Verbot beenden wir in Deutschland das menschenverachtende Treiben einer international agierenden Neonazi-Vereinigung." Mit der Maßnahme werde "ein klares Signal gegen Rassismus und Antisemitismus" gesetzt, so Faeser. Der Rechtsextremismus sei nach wie vor "die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie". Deshalb handele man "weiter mit aller Entschiedenheit, um rechtsextremistische Strukturen zu zerschlagen".

Bayern eine der Hochburgen in Deutschland

Die "Hammerskins Deutschland" sollen derzeit rund 130 Mitglieder haben, darunter 90 Vollmitglieder, die in regionalen "Chapters" organisiert sind. Die Gruppe entstand 1991 als Ableger der im Jahr 1988 in den USA gegründeten "Hammerskins Nation", die inzwischen in zehn europäischen Ländern aktiv ist. Als Hochburgen in Deutschland gelten Sachsen, Bremen und Bayern.

Durchsuchungen in drei Landkreisen des Freistaats

Nach Angaben des Bayerischen Innenministeriums fanden die Razzien gegen die "Hammerskins" im Freistaat in Haßfurt (Landkreis Haßberge), Roden (Landkreis Main-Spessart) und in Roßtal (Landkreis Fürth) statt, etwa 60 Beamte waren im Einsatz.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte das Verbot der "Hammerskins". Um ihre rechtsextremistische Weltanschauung zu verfestigen, würden besonders durch Konzertveranstaltungen auch Nicht-Mitglieder radikalisiert. "Die Fahnder müssen nun alle sichergestellten Beweismittel akribisch auswerten, um das Umfeld und mögliche Straftaten der 'Hammerskins' aufzuhellen", sagte Herrmann. Mit dem Verbot würden auch wichtige Identifikationsmerkmale der Rechtsextremisten und deren martialische Symbole aus der Öffentlichkeit verbannt.

Fest in die Neonazi-Szene eingebunden

"Hammerskin"-Anhänger rechneten nach BR-Recherchen bereits mit einem Verbotsverfahren. Aktivisten der Gruppierung, die im Freistaat in den Chaptern "Bayern" und "Franken" organisiert sind, sind fest in die bayerische Neonazi-Szene eingebunden.

Sie beteiligten sich beispielsweise an Aktionen der rechtsextremen Partei "Der dritte Weg" oder waren führend im Kameradschaftsdachverband "Freies Netz Süd" aktiv, der 2014 verboten wurde. Führende Mitglieder der fränkischen "Hammerskins" traten auch als Konzertveranstalter für Szene-Festivals in Deutschland auf.

Verherrlichung der NSU-Morde

Ebenso wie beim Neonazi-Netzwerk "Blood&Honour" lassen sich auch bei den "Hammerskins" Verbindungen zur Terrorgruppe NSU finden. Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung stammte beispielsweise der sogenannte "Döner-Killer-Song", der die rassistische Mordserie des NSU an neun migrantischen Kleinunternehmern verherrlichte, von einem Sänger und einem Produzenten, die sich im Umfeld der "Hammerskins" bewegten. Auch der Gründer der sächsischen "Hammerskins" und langjährige V-Mann Mirko Hesse stand demnach zumindest mit Kontaktpersonen des Trios in Verbindung.

Anschlag mit sechs Toten in den USA

Die "Hammerskins" sind für ihre Militanz und Gewalttätigkeit gegen gesellschaftliche Minderheiten gefürchtet. Im August 2012 beispielsweise erschoss ein US-amerikanisches "Hammerskin"-Mitglied aus rassistischen Motiven sechs Menschen in einem Sikh-Tempel im US-Bundesstaat Wisconsin. Die US-Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League hält die Hammerskins für die "gewalttätigste und am besten organisierte Skinhead-Organisation der USA".

Klage gegen das Verbot ist möglich

Gegen das jetzige Vereinsverbot könnten die "Hammerskins" Klage einreichen, dann müsste das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig darüber entscheiden. Laut Ministerium handelt es sich um das 20. Verbot einer rechtsextremistischen Vereinigung durch das Bundesinnenministerium. Zu den rechtsextremistischen Vereinigungen, die in den vergangenen Jahren verboten wurden, zählen unter anderem die Gruppierungen "Combat 18" und "Nordadler".

Mit Informationen von AFP und dpa

Einsatzkräfte der Polizei sichern bei einer Razzia gegen eine Neonazi-Gruppe in Berlin-Alt-Hohenschönhausen Beweismaterial.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Paul Zinken
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Einsatzkräfte der Polizei sichern bei einer Razzia gegen eine Neonazi-Gruppe in Berlin-Alt-Hohenschönhausen Beweismaterial.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!