Archivbild: Peter Ramsauer
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Kritik an Ramsauer: Söder distanziert sich von Ungeziefer-Zitat

Nach anfänglichem Schweigen hat sich CSU-Chef Söder von dem umstrittenen Interview von Peter Ramsauer distanziert: "Manche Äußerungen, wenn sie so gefallen wären, wären nicht akzeptabel." Die Grünen kritisieren, die CSU fische am rechten Rand.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

So groß der Wirbel um die Interviewaussagen von Ex-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zur Flüchtlingspolitik am Montag insgesamt war, so wenig war speziell von Unionspolitikern dazu zu hören. Die große Ausnahme war CDU-Vizechefin Karin Prien, die via X (dem früheren Twitter) auf mehrere User-Fragen zum Fall Ramsauer mit einem "unterirdisch" antwortete. Wer zwischen den Zeilen las, konnte auch eine Nachricht des Augsburger CSU-Bezirksvorsitzenden Volker Ullrich als Debattenbeitrag deuten – auch wenn er den Namen Ramsauer nicht erwähnte: "Entmenschlichung im Sprachbild, gleich in welchem Kontext, kann niemals akzeptabel sein."

Die CSU-Landesgruppe im Bundestag reagierte auf eine BR-Anfrage gar nicht, ein CSU-Sprecher in München sagte lediglich: "Zu nicht autorisierten Interviews können wir uns nicht äußern." Ramsauer hatte im Gespräch mit dem Magazin "Mittelstand Digital" im Zusammenhang mit Migranten ein angebliches "Ungeziefer"-Zitat des chinesischen Parteiführers Deng Xiaoping verwendet. Zwar versicherte der CSU-Politiker später, das Zitat sei nicht zur Veröffentlichung gedacht gewesen, und ließ es entfernen, die Debatte konnte er aber nicht mehr stoppen.

Söder: "Wäre nicht akzeptabel"

Am Dienstagmittag äußerte sich schließlich Parteichef Markus Söder doch noch öffentlich. Eine Reporterin wollte vom bayerischen Ministerpräsidenten eine "augenzwinkernde" Reaktion auf Ramsauers Aussage, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gebe den neuen Franz-Josef Strauß – was Söder für eine weitreichendere Klarstellung nutzte. "Soweit ich das gelesen habe, gab's relativ wenig Anlass zum Augenzwinkern", sagte der CSU-Chef. "Manche Äußerungen, wenn sie so gefallen wären, wären nicht akzeptabel. Aber offenkundig hat man sich schon von dem Interview komplett distanziert."

Ramsauer: "Wir müssen viel deutlicher werden"

Dass Ramsauer das Ungeziefer-Zitat tatsächlich fallen ließ, bestreiten weder er selbst noch der Hauptgeschäftsführer des nordrhein-westfälischen Bunds der Selbstständigen (BDS), Joachim Schäfer, der das Interview geführt hatte. "Das Zitat von Deng Xiaoping ist im Gespräch über die Mängel des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes gefallen und war nicht zur Veröffentlichung gedacht", heißt es wortgleich in den Stellungnahmen der beiden. Schäfer nahm auf BR24-Anfrage zudem die Schuld für die Veröffentlichung des Zitats auf sich: "Es sollte auch im Interviewtext nach Maßgabe von Dr. Ramsauer gestrichen werden, wurde aber versehentlich nicht entfernt. Es ist inzwischen aus dem Interview entfernt worden."

Das Magazin "Mittelstand Digital" des nordrhein-westfälischen BDS hatte den CSU-Politiker bei einer Frage nach der Zuwanderungspolitik zunächst mit folgenden Worten zitiert: "Deng Xiaoping hat einmal gesagt: 'Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein.' Das heißt – übertragen auf die Einwanderungsproblematik –, dass wir aufpassen müssen, dass wir neben den Fachkräften nicht auch x-beliebige Wirtschaftsflüchtlinge mit ins Land holen."

Ramsauer versicherte auf BR-Anfrage, dass er "niemals einen solchen entwürdigenden Vergleich mit zugewanderten Fachkräften oder Migranten machen" würde. Ansonsten aber distanzierte er sich – entgegen Söders Aussage – keineswegs von seinem Interview: weder von seiner Unterstützung für den Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen noch von dem Verständnis für die Blockadehaltung von Polen und Ungarn bei der EU-Asylpolitik – und auch nicht von seiner harschen Kritik an Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). In dem Interview beklagte Ramsauer, dass viele in der Union Angst hätten, etwas zu sagen, was von der linken Seite als unsagbar definiert werde. "Deshalb müssen wir viel deutlicher werden und dürfen keine Angst davor haben, in die rechte Ecke gestellt zu werden."

"Entschuldigen Sie sich!"

Dem SPD-Bundestagsabgeordneten Christos Pantazis reicht Ramsauers Erklärung nicht. Mit der Aussage, das Zitat sei nicht zur Veröffentlichung gedacht gewesen, werde es nicht besser. "Besitzen Sie doch etwas Anstand und Größe und entschuldigen Sie sich für diese unmenschliche, unchristliche Entgleisung", forderte er den CSU-Kollegen auf.

Der bayerische Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann kritisierte, dass wieder ein hochrangiger CSU-Politiker am rechten Rand fische. "Danach wieder das altbekannte Muster: Löschen (lassen), empört relativieren & genüsslich zuschauen, wie sich die Gesellschaft noch mehr spaltet." Seine Co-Fraktionschefin Katharina Schulze beklagt ein "System Söder": Der CSU-Chef gebe den Saubermann, während "seine Leute" ein Tabu nach dem anderen brechen.

Ungeziefer oder Fliegen?

In den sozialen Netzwerken weisen mehrere Nutzer zudem darauf hin, dass Ramsauer die Aussage des chinesischen Staatsmanns nicht korrekt zitiert habe. Deng Xiaoping habe das Wort "Ungeziefer", das Erinnerungen an die Sprache der Nationalsozialisten wecke, gar nicht verwendet. In mehreren Quellen wird der Architekt der chinesischen Reform- und Öffnungspolitik übereinstimmend folgendermaßen zitiert: "Wenn man das Fenster öffnet und frische Luft hineinlässt, kommen auch Fliegen herein."

Hohlmeier: Deng ging es nicht um Migranten

Laut der CSU-Europaabgeordneten Monika Hohlmeier hatte Deng 1985 auch einmal im Gespräch mit ihrem Vater Franz Josef Strauß über geöffnete Fenster gesprochen. Sie stört sich nicht am Wort Ungeziefer, vielmehr habe Ramsauer missverstanden, was der chinesische Spitzenpolitiker gemeint habe. Sie sei dabei gewesen, "und deshalb weiß ich, welchen Unsinn Peter Ramsauer verbreitet", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Es ging um einen Systemvergleich, nicht um Menschen."

Deng habe China ökonomisch als ein "geschlossenes Haus" beschrieben, dem der Sauerstoff ausgehe. Deshalb müsse die Führung für die Wirtschaft die Fenster ein Stück weit öffnen - auch wenn Ungeziefer mit hereinkomme, das man bekämpfen müsse. "Aber damit hat er keine Menschen gemeint, sondern systemfremdes, nicht-marxistisches Gedankengut", sagte Hohlmeier der "F.A.Z.". Dass Ramsauer diese "systemischen Überlegungen" mit der Migrationspolitik verwechsle, könne sie nicht verstehen.

Im Video: Sitzung des Kabinetts in Freyung

Das bayerische Kabinett hat sich heute im niederbayerischen Freyung getroffen - und darüber gesprochen, wie der ländliche Raum gestärkt werden kann.
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Das bayerische Kabinett hat sich heute im niederbayerischen Freyung getroffen

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