Münchner Sicherheitskonferenz
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Münchner Sicherheitskonferenz: Was am ersten Tag wichtig war

Scholz und Macron reden noch miteinander, der Kanzler reagiert auf Schwarzers Friedensmanifest, Selenskyj bedient sich einer biblischen Metapher - und alle sprechen über Waffen. Wichtige Erkenntnisse von Tag eins der Münchner Sicherheitskonferenz.

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Vor zwölf Monaten war er noch persönlich in München, heuer war er nur auf den Leinwänden zu sehen - dafür gleich zu Beginn: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach per Videoschalte zu den Teilnehmern der Sicherheitskonferenz. Die Welt sieht heute anders aus als das Treffen vor einem Jahr - das wenige Tage vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine stattfand. Die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung hat sich zerschlagen, Zehntausende Menschen verloren ihr Leben, Millionen sind auf der Flucht.

Selenskyj ersparte den zahlreichen Ministern, Staats- und Regierungschefs im Saal nicht den Hinweis darauf, dass er schon vor einem Jahr auf die Zusicherung der Welt gehofft habe, der Ukraine zu helfen. "Leider habe ich das erst zu hören bekommen, nachdem Russland uns überfallen hat." Heuer ist der Krieg in der Ukraine das dominierende Thema der Sicherheitskonferenz in der Münchner City. Die Erkenntnisse von Tag eins:

1. David gegen Goliath

Die Eingangsrunde mit Reden von Selenskyj, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stand unter der Überschrift: "David am Dnipro: Der Kampf der Ukraine für Freiheit." Dieses Bild nahm der ukrainische Präsident auf – und verband den ungleichen Kampf in der Ukraine mit Forderungen nach schnellen und umfangreicheren Waffenlieferungen.

Für sein Land als David bedeute es, kämpfen zu müssen, gewinnen zu müssen. Zugleich sagte er an die Unterstützer der Ukraine gerichtet: "Wir sind alle gemeinsam David". Es gebe keine Alternative: "Wir müssen Goliath besiegen". Und dafür brauche es mehr Unterstützung für Kiew. "Die Steinschleuder muss jetzt stärker werden, damit wir nächstes Jahr wieder in München die erste Sicherheitskonferenz mit einer freien Ukraine und einer freien Welt veranstalten können."

2. Wie steht um das Verhältnis von Scholz und Macron?

Nach Selenskyj sprach Bundeskanzler Scholz. Nicht im Publikum war: Macron. Der französische Präsident betrat nach dem Scholz-Auftritt den Saal, um seine Rede zu halten. Dann war wiederum der Bundeskanzler nirgends zu sehen. Zunächst keinen Handschlag, kein Smalltalk vor Kameras - ein Zeichen für die angeschlagenen deutsch-französischen Beziehungen?

Später dann doch noch Austausch zwischen beiden Spitzenpolitikern: Zum einen wurden Scholz und Macron beim persönlichen Gespräch auf den Gängen des Tagungshotels gesichtet - zum anderen traten sie mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda auch gemeinsam vor die Presse.

3. Scholz erhöht Druck bei Panzer-Lieferungen

Lange sah die deutsche Regierung wie ein Getriebener in der Debatte um Kampfpanzer-Lieferungen aus. Im Januar dann kündigte Berlin die Lieferung von Leopard 2 an die Ukraine an, die USA zog mit Abrams-Panzern nach. Viele der Partner-Länder wollten folgen. Doch manche treten seitdem merklich auf die Bremse – oder nehmen ihre Zusagen gleich komplett zurück.

Scholz ermahnte die Partner nun in aller Deutlichkeit: Er werbe intensiv dafür, "dass alle, die solche Kampfpanzer liefern können, dies nun auch wirklich tun". Dies wolle er bei den Gesprächen auf der Sicherheitskonferenz deutlich machen. Für seine Maßstäbe eine deutliche Forderung.

Außenministerin Annalena Baerbock betonte im BR24-Interview, die Partner müssten gemeinsam dafür sorgen, dass ausreichend Panzer in die Ukraine geliefert werden - damit sie "dann auch Wirkung erzielen: nämlich dass Dörfer geschützt werden können, dass Menschen verteidigt werden können". Einzelne Staaten hätten zwar schon Panzer zugesagt, es brauche aber noch weitere, damit Menschenleben gerettet werden könnten.

Bundesaußenministerin Baerbock zur Lage im Ukraine-Krieg - zugeschaltet von der Sicherheitskonferenz in München.
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Bundesaußenministerin Baerbock zur Lage im Ukraine-Krieg - zugeschaltet von der Sicherheitskonferenz in München.

4. Kanzler reagiert auf Schwarzer-Wagenknecht-Manifest

Kanzler Scholz reagierte in seiner Rede zudem auf das "Manifest für den Frieden", das die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer und die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht veröffentlicht haben. "Ich verstehe, wenn einige bei uns in Deutschland Sorgen haben und unsere Entscheidungen hinterfragen", sagte der SPD-Politiker. "Ihnen möchte ich sagen: Nicht unsere Waffenlieferungen sind es, die den Krieg verlängern. Das Gegenteil ist richtig."

Je eher der russische Präsident Wladimir Putin einsehe, dass er sein "imperialistisches Ziel" nicht erreiche, desto größer sei die Chance auf ein baldiges Kriegsende und den Rückzug russischer Eroberungstruppen. In der Petition, die bis Freitagabend rund 500.000 Menschen unterzeichneten, wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für Friedensverhandlungen einzusetzen, statt weiter Waffen zu liefern. 

Von der SIKO zugeschaltet ist die Politikwissenschaftlerin Jana Puglierin, Expertin für Außen- Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
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Von der SIKO zugeschaltet ist die Politikwissenschaftlerin Jana Puglierin, Expertin für Außen- Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

5. Macron redet europäischen Partnern ins Gewissen 

Der französische Präsident Macron präsentierte sich in München einmal mehr als Staatschef mit Führungsanspruch in Europa. Bei seinem Auftritt forderte er von den europäischen Partnern gemeinsame Anstrengungen für Aufrüstung. "Wir müssen mehr in unsere Verteidigung investieren." Um Europa neu zu bewaffnen, müsse auch die Produktion von Rüstungsgütern gestärkt werden.

Macron verlangte ein ehrgeiziges Investitionsprogramm Europas für die Verteidigung, einen europäischen Verteidigungsfonds. Frankreich geht dabei Macron zufolge voran und werde von 2024 bis 2030 insgesamt 400 Milliarden Euro investieren. Der Präsident plädierte auch für eine Diskussion über Kernwaffen in der Nato und in Europa, zudem sprach er sich für eine Konferenz über die Flugabwehr auf dem Kontinent aus. 

6. Keine Regierungsvertreter aus Russland - kein Dialog

Die Münchner Sicherheitskonferenz lebte seit jeher von dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Meinungen. Russlands Präsident Wladimir Putin war auf dem Treffen 2007, sein Außenminister Sergej Lawrow war jahrelang Stammgast auf der Konferenz. Doch in diesem Jahr sind aufgrund des Angriffskriegs Moskaus gegen die Ukraine keine offiziellen Vertreter Russlands eingeladen. Auch Vertreter aus dem Iran sollten dieses Jahr kein Teil des Treffens sein. In beiden Fällen habe man Angst vor Propaganda gehabt.

Ex-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel äußerte Verständnis für die Entscheidung, russischen Spitzenpolitikern kein Forum zu bieten. "Russland führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg", sagte er dem BR. "Ich wüsste nicht, was man hier mit Russland bereden sollte." Von anderer Seite wurde aber auch eine verpasste Chance zum Dialog beklagt. Der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck erklärte vorab im BR-Gespräch beispielsweise: "Man muss zugeben, dass Vertreter beider Staaten natürlich in ihren Reden staatliche Propaganda äußern würden, aber man sollte sich davor auch nicht fürchten." Man könne ja widersprechen, in die Diskussion gehen und die russische Propaganda "entzaubern". "Insofern hätte ich dafür plädiert, dass man die Einladungen schon ausspricht."

(Hinweis der Redaktion: Ursprünglich stand in diesem Artikel, Putin habe 2017 an der Sicherheitskonferenz teilgenommen - es war 2007)

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