Ministerpräsident Markus Söder (CSU)
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Söder will Lehrer abwerben: Mehr als ein Wahlkampf-Manöver?

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Söder will Lehrer abwerben: Mehr als ein Wahlkampf-Manöver?

Ministerpräsident Söder verspricht 6.000 neue Lehrerstellen – aber es fehlt in Bayern an Personal. Deshalb will er Lehrer aus anderen Bundesländern abwerben, doch das wird als feindliche Übernahme empfunden. Artikel aktualisiert mit "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Kinder und Jugendliche "haben Top-Priorität", wiederholt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zurzeit immer wieder. Sie bräuchten eine moderne Schule und dafür genügend Lehrer.

Seit Jahren gibt es aber im Freistaat vor allem an Grund- und Mittelschulen nicht genügend Lehrkräfte.

💡Die bekommen auch rund 700 Euro im Monat weniger als Gymnasial- und Realschullehrer. Während Letztere in der Besoldungsgruppe A13 beginnen, starten Grund- und Mittelschullehrer in A12. Das soll sich aber ändern. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte bereits im vergangenen Jahr "A13 für alle" in Aussicht gestellt – allerdings erst für die Zeit nach der Landtagswahl. Bei Gymnasiallehrern hatte das teilweise für Unmut gesorgt. Weil sie ein Jahr länger studieren müssen, pochen sie auf das Abstandsgebot, fordern also auch mehr Geld. De facto bekommen sie über Zulagen aber auch jetzt schon mehr.

Diese Passage haben wir aufgrund eines Kommentares unseres Nutzers "luffner" im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt. 💡

Zusätzlich zur besseren Bezahlung will Söder jetzt aber auch Grund- und Mittelschullehrer aus anderen Bundesländern nach Bayern holen - mit Hilfe eines Umzugs- und Starterpakets.

Details dazu gibt es noch keine. Diese würden gerade in den Ministerien ausgearbeitet, heißt es aus der Staatskanzlei. Nur so viel: Das Zuckerl soll schon ab dem kommenden Schuljahr locken.

Söder: "Mehr Freude Lehrer in Bayern zu sein"

Gegenseitig Lehrer abwerben? Wird damit nicht ein Tabu gebrochen? "Im Gegenteil. Einige Bundesländer werben bereits sehr aggressiv um Lehrkräfte in ganz Deutschland", sagt Söder. "Wir zahlen generell mehr als die anderen Bundesländer." Bayern sei attraktiv, darauf wolle er hinweisen, so Söder gegenüber BR24. "Es macht, glaube ich, auf Dauer mehr Freude, in Bayern Lehrerin oder Lehrer zu sein." Wer eine Zukunft als Lehrkraft suche, solle sich zumindest überlegen, ob Bayern nicht eine super Alternative sei.

Allerdings ist der Ansturm auf den Freistaat bislang nicht groß. Ob das ein Starterpaket ändert, ist fraglich. Schließlich haben Lehrer schon jetzt die Möglichkeit, sich in anderen Bundesländern zu bewerben; unter der Voraussetzung, dass die Fächerkombination und die Qualifikation passen. Da aber in vielen anderen Bundesländern Grund- und Mittelschullehrer zudem höher besoldet werden als derzeit im Freistaat, ist Bayern für viele Lehrer nicht sonderlich attraktiv.

Stralsunder Erklärung soll Abwerben verhindern

Damit die Länder nicht gegenseitig um Lehrer buhlen, gibt es die Stralsunder Erklärung. Die Länder haben sich schon 2009 in der Kultusministerkonferenz (KMK) darauf geeinigt, nicht in Konkurrenz zu treten. Damals hatte nämlich Baden-Württemberg versucht, Pädagogen abzuwerben. Lockmittel: die Verbeamtung – die hatte es zu der Zeit in den meisten Ost-Bundesländern nicht gegeben.

Kann Bayern sich das erlauben?

Diese Vereinbarung der Kultusminister ist für Söder offenbar nicht mehr bindend. Es sei sicher "ganz okay, was die KMK macht", aber jetzt müsse man die Realität betrachten, sagt Söder. Und diese Realität sei: Bayern wachse, andere würden weniger. Bayern zahle so viel in den Länderfinanzausgleich, da könne man schon mal mehr Sympathien erwarten und die Bereitschaft, Bayern zu unterstützen. Frage an Söder: Sind Sie da auf einer Linie mit Ihrem Kultusminister? Antwort: "Auf jeden Fall mit der gesamten Regierungsmehrheit." Zumindest die CSU steht hinter Söders Vorgehen - ob das auch für den Koalitionspartner, die Freien Wähler, gilt, ist aber fraglich. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) hat in einer ersten Reaktion angekündigt, eher auf Quereinsteiger zu setzen. Die Opposition im Landtag zeigt sich skeptisch – und wertet Söders Ankündigung als Wahlkampfmanöver.

Kritik aus Baden-Württemberg und Thüringen

Söders Offensive wird von einigen Länderministern scharf kritisiert. So sagte etwa die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne), damit verlasse Bayern den "fairen Wettbewerb". Auch der Bildungsminister von Thüringen, Helmut Holter (Linke), kritisiert, Bayern setze eine Abwerbespirale in Gang. Die Vorsitzende der KMK, Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), will die Offensive aus Bayern in der KMK ansprechen.

Headhunter, Plakataktion, Strand-Werbung

Tatsächlich verlassen sich aber längst auch andere Bundesländer nicht mehr nur auf die eigenen Studenten. Sachsen-Anhalt beispielsweise setzt Headhunter ein. Berlin hat schon vor mehreren Jahren ins Ausland geschaut und versucht, Lehrer aus Österreich und den Niederlanden in die Hauptstadt zu holen. "Kein Schmarrn. Mit 4.500 Euro starten (..) Küss die Hand." Davor hatte Berlin auch schon in den anderen Bundesländern händeringend gesucht. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise. Mit dem Slogan "Revierwechsel gefällig? Kohle gibt’s auch bei uns". Und Mecklenburg-Vorpommern hat im vergangenen Sommer am eigenen Strand und mit großen Plakaten in Urlaubsorten um Lehrer geworben.

Viele Lehrer im Norden Bayerns, viele Kinder im Süden

Söder setzt bei der Lehreroffensive aber nicht nur aufs Abwerben, sondern will auch dem bayerischen Nachwuchs den Job schmackhaft machen. Beispielsweise indem er verspricht, dass Lehrer in Zukunft "möglichst wohnortnah" eingesetzt werden. Also nicht mehr von einem Regierungsbezirk in einen anderen versetzt werden. Der Haken: Ein Großteil der Lehramtsstudierenden sind im Norden Bayerns an Universitäten und wollen meist auch nach dem Studium dort bleiben. Die meisten Kinder aber gibt es in Oberbayern und damit dort einen besonders großen Lehrermangel. Ob Söder sein Versprechen halten kann, wohnortnah einzusetzen, ist deshalb fraglich.

Lehrer entlasten, Stunden freiräumen

Langfristig dürfte sich der Lehrermangel nur beheben lassen, wenn sich wieder deutlich mehr junge Menschen für ein Lehramtsstudium entscheiden. Das glaubt auch die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Simone Fleischmann. Wichtig sei zudem, sagt Fleischmann, die Arbeitsbedingungen derer zu verbessern, die jetzt schon in den Schulen arbeiten. Stichwort: Entlastung. Ministerpräsident Söder hat für die kommende Legislaturperiode nicht nur 6.000 zusätzliche Lehrerstellen, sondern auch 2.000 weitere Stellen angekündigt: für Sozialpädagogen, Schulsozialarbeiter und Verwaltungskräfte. Sie könnten durchaus in den Schulen viele Aufgaben übernehmen, Schulleiter und Lehrkräfte entlasten. Lehrmittelbibliotheken müssen nicht von Lehrern geführt, IT-Systeme nicht von Lehrern gewartet werden. Die damit freiwerdenden Stunden könnten so wieder für reinen Unterricht genutzt werden. Allerdings gilt auch hier: Grundsätzlich herrscht ein Fachkräftemangel. Ob sich also die neuen Stellen besetzen lassen und Söder sein Versprechen halten kann, wird sich zeigen.

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