Der beschuldigte Polizist sitzt im Nürnberger Amtsgericht.
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Nürnberger Amtsgericht spricht Polizisten frei.

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Polizeigewalt? Nürnberger Gericht spricht Polizisten frei

Bei Einsätzen muss die Polizei mitunter hart durchgreifen. Doch was ist dabei erlaubt und was nicht? Mit einem konkreten Fall hat sich nun das Nürnberger Amtsgericht befasst. Der Vorwurf: Körperverletzung im Amt.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Es ist der Morgen des 27. August 2022. In der Nürnberger Vogelweiherstraße kontrolliert eine Polizeistreife eine junge Frau, die gerade aus einer Diskothek kommt. Die 25-Jährige steht unter Drogen und leistet massiven Widerstand. Die beiden Polizisten rufen Verstärkung. Um weitere Angriffe auf die Beamten zu unterbinden, packt der mittlerweile hinzugekommene 57 Jahre alte Polizist die Frau an den Haaren und schiebt sie in Richtung Streifenwagen.

Die Staatsanwaltschaft wertete das als Körperverletzung im Amt. Die Frage, ob der Polizist zu weit gegangen ist, beschäftigte nun das Nürnberger Amtsgericht. Am Ende sprach es den Dienstgruppenleiter frei – betonte aber, dass das Verhalten "gerade noch" im Rahmen gewesen sei.

Bisse und Tritte gegen Polizisten

Begonnen hatte der Einsatz an jenem Sonntagmorgen im August mit einer Routinekontrolle. Die Polizei spricht eine junge, berauschte Frau an, die quasi zeitgleich von ihrer Schwester eine Nachricht erhalten hat, dass diese nur wenige hundert Meter entfernt aus dem Fenster eines Hauses springen und sich so das Leben nehmen wolle. Um die Situation zu entschärfen, beschließen die Beamten, mit der Frau zum Haus der Schwester zu fahren. Doch die unter Drogen stehende 25-Jährige hält die Einsatzkräfte für "falsche Polizisten", die sie entführen wollen. Die Frau widersetzt sich immer mehr, beißt die Polizisten in Wade und Schulter und tritt einer Beamtin gegen den Kopf. Verstärkung rückt an. Als die eintrifft, ist die Frau bereits mit den Händen auf dem Rücken gefesselt.

Video zeigt strittige Szene

Kurz nachdem zwei weitere Beamten am Einsatzort eintreffen, ereignet sich die Szene, die nun das Amtsgericht beschäftigt hat. Ein 57 Jahre alter Polizist packt die schreiende Frau von hinten an den Haaren und schiebt sie mit Hilfe seiner Kollegen zum Streifenwagen. Von dem Geschehen gibt es ein kurzes Video, das auch im Gerichtssaal gezeigt wird. Ein Anwohner hatte die Schreie der Frau gehört, den Einsatz gefilmt und das Video anschließend im Internet hochgeladen.

Eine Frage der Verhältnismäßigkeit

Für das Gericht ging es nun vor allem um die Frage der Verhältnismäßigkeit. Die Polizei hatte bei dem Einsatz einen "unmittelbaren Zwang" auf die randalierende Frau ausgewirkt. Aber hatten die Beamten die 25-Jährige entsprechend gewarnt, bevor der Polizist sie rabiat an den Haaren packte? Wurde sie darüber aufgeklärt, dass sie sie notfalls mit Gewalt in den Streifenwagen bringen würden? Und war das Packen der Haare hierfür ein angemessenes Mittel? Das Opfer selbst äußerte sich dazu nicht. Die 25-Jährige, die in dem Prozess als Zeugin geladen war, sagte aus, sie könne sich an kaum etwas erinnern. Die Drogen habe sie nicht selbst genommen. Vielmehr sei ihr das Rauschgift wohl beim Diskobesuch ins Getränk gemischt worden, sagte sie.

Anklage will Haft auf Bewährung

Auch wenn die junge Frau bei der Kontrolle massiven Widerstand geleistet hat: Die Staatsanwaltschaft hielt das Verhalten des Polizei-Dienstgruppenleiters für überzogen und sprach von Körperverletzung im Amt. Die Forderung in den Plädoyers: acht Monate Haft auf Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro. Die Verteidigung forderte dagegen einen Freispruch. Dem folgte das Gericht am Ende auch. Die Vorsitzende Richterin machte allerdings deutlich, dass das Verhalten "gerade noch" gerechtfertigt gewesen sei.

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