Zwei Apfelbäume im Spätherbst.
Bildrechte: BR/Herbert Ebner

Abgeerntete Apfelbäume auf einer Wiese

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Obstdiebstahl: Gravierende Folgeschäden für die Natur

Ganze Bäume illegal abgeerntet – das Obst säckeweise weggetragen: Obstdiebstahl ist zwar eine Straftat, aber viele lassen sich davon nicht abschrecken. Welche Folgen das dreiste Verhalten nach sich zieht, wissen die wenigsten.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Claudia Munker hat sich in diesem Jahr sehr geärgert: Acht Bäume auf ihrer alten Streuobstwiese im Landkreis Erlangen sind illegal komplett abgeleert worden. Sie hat in diesem Jahr keine frühen Apfelsorten und keine einzige Birne ernten können. Bei einem alten veredelten Zwetschgenbaum brach während des Diebstahls die Krone raus - der Baum wird wohl absterben.

Obstklau gab es schon immer

Claudia Munker ist Diplom-Biologin und Projektmanagerin "Streuobstlandschaften im Landkreis Forchheim" beim Landschaftspflegeverband Forchheim. "Obst ist immer schon geklaut worden", erzählt die Fachfrau beim Gespräch mit dem BR. Ihr Großvater habe die Diebe noch mit der Mistgabel vertrieben. "Aber man hat das Gefühl, dass es noch mehr wird, gerade in Jahren, in denen es nicht so viel Obst gibt."

Obstbäume gehören immer wem

Nicht eingezäunte Streuobstwiesen sehen viele als Einladung zur Selbstbedienung. Obstbäume sind aber Kulturgut – sie gehören immer jemandem: Privatpersonen, Landwirten, Verbänden oder Kommunen. Bisher habe sich auch noch kein Obstbaumbesitzer beim Verband beschwert, weil Spaziergänger oder Wanderer ein paar Äpfel, Birnen oder Nüsse als Proviant gepflückt haben.

Wenn die Früchte allerdings säckeweise davongeschafft werden, dann geht es nicht nur um Ernteausfall und Ertragseinbußen. Das habe auch langfristige Folgen. Und das sei den meisten Obstklauern gar nicht klar. Ihre Unwissenheit beschädige eine ganze Kulturlandschaft. Deshalb stellt Claudia Munker jeden zur Rede, den sie zwischen ihren Bäumen beim "ernten" erwischt.

Ernte- und Ertragseinbußen

Streuobstwiesen gehören zur fränkischen Kulturlandschaft und sie seien ziemlich aufwändig in der Pflege, so Munker. Das heiße aber nicht, dass eine ungemähte Streuobstwiese ein Hinweis darauf ist, dass hier nicht bewirtschaftet wird. Das hohe Gras wird oft per Hand mit der Sense gemäht und ist bei den Landwirten ein begehrtes Futtermittel. Doch niedergetrampelte Streuobstwiesen sind für die Futtergewinnung nicht brauchbar – außerdem fördern sie unerwünschten Pilzbefall.

Lebensräume gehen verloren

Ebenso wenig deutet herabgefallenes Obst am Boden darauf hin, dass sich niemand für den Baum und die Ernte interessiert. Gerade bei der Fruchtsaftproduktion ist es ratsam, so viele Früchte wie möglich am Boden zu sammeln, bis kurz vor dem Termin bei der Obstpresse.

Die teilweise rabiaten "Erntemethoden" beim Obstklau schädigen die Bäume oft nachhaltig: Es wird zu früh geerntet, Früchte werden abgeschlagen, Äste abgebrochen, Stämme beschädigt. Wenn die alten Bäume in den Streuobstwiesen absterben, gehen Vögeln und Insekten wertvolle Lebensgrundlagen verloren.

Quitten und Nüsse in Unterfranken sehr begehrt

In Unterfranken seien Quitten und Nüsse bei den Obstklauern besonders begehrt, so Nils Kölbel vom Landschaftspflegeverband Würzburg. Auch er beklagt die Unwissenheit vieler Ausflügler, die ohne Schuldbewusstsein die Beutel und Säcke füllen. Auch hier sei Obstdiebstahl ein Dauerthema, ein deutlicher Anstieg sei aber nicht zu erkennen. Das bestätigt auch Markus Schmitt vom Landschaftspflegeverband Kitzingen: "Es ist nicht mehr geworden, aber wir haben heuer deutlich weniger Obst. Und das verschärft die Situation, denn es gibt weniger Obst und mehr Interessenten."

Ganz schlechtes Obstjahr auch in Mittelfranken

Das schlechte Obstjahr merkt auch die Vermarktungsgesellschaft "Allfra" (= alles aus Franken) Regionalmarkt Franken GmbH am Hesselberg in Westmittelfranken. Norbert Metz, einer der geschäftsführenden Gesellschafter, rechnet in diesem Jahr mit einem Obstertrag von lediglich 10 bis 20 Prozent im Vergleich zu normalen Ertragsjahren. Deshalb würden Diebstahl-Fälle in diesem Jahr besonders auffallen und wehtun. Dabei sei ein eigener Obstbaum auch gar nicht so teuer. Viele Gemeinden würden Obstbäume zum Beispiel versteigern.

Beobachtungen aus der Fränkischen Schweiz

"Über Nacht werden ganze Bäume leer geerntet. Besonders beliebt sind Williams Birnen (hier gehen die Betroffenen davon aus, dass wiederverkauft wird) und Kirschen." Das berichten Obstbauern an Corinna Brauer von der Interkommunalen Allianz Fränkische Schweiz AKTIV in Ebermannstadt. Oft kämen auch Eltern mit ihren Kindern, um zum Beispiel Kirschen zu pflücken und dienten so als schlechtes Vorbild. Die illegalen Ernter kämen bewusst nach 18 Uhr, wenn niemand mehr im Obstgarten ist und oft als Gruppe mit entsprechenden Körben im Auto. Die meisten Autos seien aus den umliegenden Städten: Nürnberg, Erlangen, Neustadt/ Aisch, Bamberg. Bei den Landwirten entstehe der Eindruck, dass die Ernte ein "städtischer Ausflug" sei, fasst Corinna Brauer zusammen

Mangelnde Wertschätzung

Aber egal ob in Ober-, Unter- oder Mittelfranken – die Streuobstwiesen-Fachleute beklagen, neben der Unwissenheit, vor allem die mangelnde Wertschätzung gegenüber der Arbeit derer, die diese Kulturlandschaft pflegen. Manche Gemeinden geben mit Bändern oder Schildern das Obst an ausgewählten Bäumen frei. Da kann dann Jeder kostenlos pflücken. Doch dann darf man sich eben nur hier bedienen, betont Claudia Munker von Landschaftspflegeverband Forchheim und schlägt vor: "Vielleicht kann man danach ja eine kleine Spende an eine Naturschutzorganisation überweisen" – als Dankeschön und Anerkennung für die "Gratis-Ernte".

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