Innenministerin Nancy Faeser (SPD)
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Obergrenze für Geflüchtete? Ministerin Faeser lehnt ab

Es drohe eine Überlastung, warnen viele Länder und Kommunen. Die von CSU-Chef Söder ins Spiel gebrachte Obergrenze für Geflüchtete lehnt Innenministerin Faeser jedoch ab. Sie favorisiert eine andere Lösung. Söder nimmt Kanzler Scholz in die Pflicht.

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Eine jährliche Obergrenze für Geflüchtete in Deutschland? Diesen Vorschlag von CSU-Chef Markus-Söder hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) abgelehnt. "Obergrenzen sind halt insofern nicht einzuhalten, weil wir europäisches Recht haben, internationales Recht, wir können gar nicht das Individualrecht auf Asyl alleine reduzieren", sagte Faeser in der ARD-Sendung "Anne Will" und fügte hinzu: "Wir sind an die Genfer Flüchtlingskonvention, an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden."

Faeser sagte: "Das einzige, was wirklich helfen wird, ist eine europäische Lösung." Da müsse seitens der Europäischen Union mehr kommen an Verteilung. Die Kommunen seien an der Belastungsgrenze.

Auch Baerbock wirbt für europäische Lösung in Migrationspolitik

Außenministerin Annalena Baerbock dringt ebenfalls auf eine europäische Lösung. Die Lage in den Kommunen in Deutschland sei absolut angespannt, sagte die Grünen-Politikerin im Deutschlandfunk. Deswegen arbeiteten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und sie so hart, "dass wir in Europa endlich zu gemeinsamen Regelungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik kommen". Es brauche Struktur und Ordnung. An den Außengrenzen müssten klare Regeln geschaffen werden, "damit endlich Menschen geordnet in Europa verteilt werden". Sie verwies auf schnelle Verfahren an den Außengrenzen und schnelle Rückführungen.

Söder für Deutschland-Pakt gegen unkontrollierbare Zuwanderung

Der bayerische Ministerpräsident Söder hatte eine "Integrationsgrenze" für die Aufnahme von Geflüchteten von etwa 200.000 Menschen ins Gespräch gebracht. In der Sendung "Anne Will" bekräftigte er, bei der Zahl 200.000 gehe es um eine Richtgröße, "in der Integration in unserem Land noch gelingen kann". Man benötige Grenzschutz, den Stopp von Sonderaufnahmeprogrammen, die nur Deutschland mache, es brauche Rückführung und eine Veränderung der Anreize, beispielsweise beim Bürgergeld. Söder betonte, er sei nicht für die Abschaffung des individuellen Asyls. "Wir brauchen eine Wende hin zu einer nachhaltigen Migrationspolitik."

Kanzler soll "Führung zeigen" - Söder appelliert an Scholz

Für einen Deutschland-Pakt gegen unkontrollierbare Zuwanderung stehe er sofort bereit, sagte Söder. Er forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, das Thema Migration zur Chefsache zu machen und Führung zu zeigen. "Der Bundeskanzler, der wochenlang geschwiegen hat, der müsste jetzt mal ran an das Thema. Der Bundeskanzler muss jetzt auch hier Führung zeigen, und er muss übrigens auch die Grünen überzeugen", forderte Söder. Er wisse nicht, wer in der Regierung blockiere, er vermute die Grünen beim Thema sichere Herkunftsstaaten.

Aus vielen Ländern und Kommunen kamen zuletzt zunehmende Warnungen vor einer Überlastung. Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl - ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dazu kommt, dass wegen des russischen Kriegs mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine in Deutschland Schutz suchten, die keinen Asylantrag stellen müssen.

Merz: Müssen schnell die Zahl der Flüchtlinge reduzieren

CDU-Chef Friedrich Merz unterstützte den Söder-Vorschlag einer Obergrenze. "Ja, das ist machbar. Aber leicht ist es nicht", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Montag). "Wir reden ja nicht nur über Wohnungen oder Schulen, wir reden auch über Krankenhäuser, vernünftige Ausbildung und echte Integration. Das ist eine gehörige Kraftanstrengung. Die wird uns nur gelingen, wenn diejenigen, die rechtskräftig abgewiesen worden sind, auch konsequent abgeschoben werden."

Merz forderte, die Einreise Tausender Migranten pro Monat nach Deutschland zügig zu begrenzen. "Wir müssen dieses Problem lösen, sonst wächst uns das über den Kopf", sagte er. "Wenn wir die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und die Integrationsfähigkeit unseres Landes nicht überstrapazieren wollen, müssen wir schnell die Zahlen der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, reduzieren." In diesem Zusammenhang erneuerte er sein Angebot an Scholz, "dass wir als ersten Teil seines Deutschland-Paktes gemeinsam die Flüchtlingskrise lösen".

Dänemark als Vorbild? Merz fordert konsequente Abschiebungen

Deutschland sei zu wenig konsequent in der Zurückweisung und auch in der Abschiebung von Asylbewerbern, die keinen Anspruch haben, sagte Merz. "Die Dänen sind da sehr konsequent. Es gibt dort nur noch Sachleistungen und Sammelunterkünfte und Ausreisepflichtige werden dann auch konsequent abgeschoben. Von einer sozialdemokratischen Regierung übrigens, das sind keine Rechtsextremen."

2022 wurden nach Angaben der Bundesregierung knapp 13.000 ausreisepflichtige Personen aus Deutschland abgeschoben. Laut Ausländerzentralregister waren Ende 2022 rund 304.000 Menschen ausreisepflichtig, davon etwa 248.000 mit einer Duldung. Geduldete sind Menschen, die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können. Das kann etwa daran liegen, dass sie keine Ausweisdokumente haben, krank sind oder ein minderjähriges Kind haben, das eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Die Duldung ist immer befristet.

SPD und Grüne: Bayern hält Bundesgelder für Flüchtlingshilfe zurück

Indes werfen SPD und Grüne der bayerischen Staatsregierung vor, Bundesgelder zur Flüchtlingsversorgung nur unzureichend und mit Verzögerung an die Städte und Gemeinden weiterzureichen. "Die Gemeinden werden vor allem mit der Unterbringung und den Folgekosten durch die Geflüchteten aus der Ukraine weitgehend alleine gelassen. Der Freistaat behält die zusätzlichen Bundesmittel lieber für sich. Das ist ein Unding", sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Michael Schrodi, der Deutschen Presse-Agentur in München. Er beruft sich dabei unter anderem auf einen Bericht des Bundestages, der Angaben der Länder zur Mittelverwendung für das vergangene Jahr zusammenfasst.

Bayern habe 2022 696,4 Millionen Euro vom Bund für Flüchtlinge erhalten - dies seien 641,1 Millionen mehr als ursprünglich vorgesehen gewesen, so Schrodi. Die zusätzlichen Mittel des Bundes trügen aber nur wenig zur Entlastung der bayerischen Kommunen bei. Zudem habe die Weitergabe der Gelder für Ukraine-Geflüchtete dreizehn Monate gedauert. Der Beschluss des Bundestages sei aus dem Mai 2022 - in Bayern sei das Geld aber erst im Juni 2023 ausgezahlt worden. Schrodi kritisierte, es habe sich nach der gestiegenen Kostenbeteiligung des Bundes vor allem der Eigenanteil Bayerns an der Deckung der im Haushalt veranschlagten Ausgaben für Zuwanderung- und Integration reduziert.

Innenministerium weist Kritik zurück

Das bayerische Innenministerium dementierte dies. So fielen in Bayern etwa die Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber nicht den Kommunen, sondern direkt dem Freistaat zur Last, teilte ein Sprecher auf Anfrage der dpa mit.

Zudem betonte die Staatsregierung bereits in dem von der Bundesregierung veröffentlichen Bericht, "dass die Leistungen des Freistaates Bayern an die Kommunen für Unterbringung und Integration die Entlastungsmittel des Bundes erheblich übersteigen".

43 Millionen Euro noch nicht ausgezahlt: Auch Grüne erheben Vorwürfe

Auch die Grünen im bayerischen Landtag erheben diesbezüglich Vorwürfe gegen die Staatsregierung. Diese habe die 2022er Bundesmittel für Unterkünfte für Geflüchtete "noch nicht vollständig an die Kommunen ausbezahlt", wie aus einer Antwort des bayerischen Sozialministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervorgeht, die auch der dpa vorliegt. Konkret seien von den 79 Millionen Euro, die dafür vom Bund bereitgestellt wurden, 43 Millionen Euro noch nicht ausgezahlt. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sagte, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schreie erst nach mehr Hilfe durch den Bund und bleibe dann auf dem Geld sitzen.

Während andere Bundesländer die Weiterleitung des Geldes ohne ein zusätzliches Gesetz geschafft hätten, lasse sich die Regierung von CSU und Freien Wählern eine bürokratische Verschleppungstaktik nach der anderen einfallen. "Das ist ein Schlag ins Gesicht unserer Behörden und Ehrenamtlichen, die sich täglich um gelingende Integration bemühen", sagte Schulze. Das Sozialministerium erklärt in der Antwort auf die Parlamentsanfrage, eine Auszahlung erfolge "im nächsten Haushalt zum nächstmöglichen Abrechnungszeitpunkt".

SPD-Politiker Schrodi warf der Staatsregierung vor, sie klage "gebetsmühlenartig" über einen lediglich sehr kleinen Bruchteil, den der Bund an den Kosten für Zuwanderung und Integration übernehme. Dies sei aber nicht korrekt: Im Haushalt 2022 seien Bundesmittel in Höhe von knapp 3,5 Prozent vorgesehen gewesen, tatsächlich betrage der Anteil des Bundes für 2022 aber knapp 40 Prozent. SPD und Grüne forderten die Staatsregierung auf, die Mittel des Bundes künftig "unverzüglich und vollständig" an die Kommunen weiterzugeben.

Mit Informationen von dpa

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