Asylbewerberheim in Pöring (Gemeinde Zorneding).
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Asylbewerberheim in Pöring (Gemeinde Zorneding).

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Geflüchtete: Die Lage in Landkreisen und Gemeinden

Mit seinen Vorschlägen zur Begrenzung der Asylsuchenden sorgt Ministerpräsident Söder für Diskussionen. In den Landkreisen erhält er viel Zustimmung. Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert den Vorstoß als "Wahlkampf auf Kosten Schutzbedürftiger".

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

In Vaterstetten rollen gerade die Bagger an. Rund 100 Geflüchtete sollen bald in eine Containersiedlung einziehen, auf einem gemeindeeigenen Grundstück direkt neben der Feuerwache. Leonard Spitzauer (CSU) ist Bürgermeister von Vaterstetten und lässt eine dreistöckige Anlage für Asylbewerber errichten. Auf dem Gelände ist eigentlich ein Gebäude für Feuerwehrmitarbeiter geplant. Aber aktuell liegt das Projekt wegen der hohen Bauzinsen auf Eis.

Spitzauer unterstützt Forderungen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer deutschlandweiten Obergrenze von 200.000 Menschen pro Jahr. Die Zahl Asylsuchender und Flüchtlinge nicht einzuschränken, sei für ihn unvorstellbar. Ehrenamtliche und Behörden seien mit der Aufgabe der Flüchtlingsintegration schon an ihrer Belastungsgrenze, auch wenn hier die Hilfsbereitschaft groß sei. Bei der schwierigen Verteilung der Geflüchteten gibt es immer wieder Kontroversen, zuletzt bei einer geplanten Großunterkunft in Augsburg.

Landkreise befürworten eine striktere Asylpolitik

Für den Landkreis Ebersberg ist die neue Containersiedlung in Vaterstetten eine wichtige, aber nur vorübergehende Entlastung. Laut Landrat Robert Niedergesäß (ebenfalls CSU) hat der Landkreis Ebersberg seit vergangenem Herbst bereits 700 Menschen untergebracht, im Schnitt alle 14 Tage einen Bus mit 50 Flüchtlingen. Niedergesäß betont, die Kapazitäten seien erschöpft, auch er befürwortet den Kurs seines Parteichefs. Viele bayerischen Landräte und er selbst hätten teils schon vor einem Jahr vor einer drohenden Überlastung gewarnt.

In einem Brandbrief an die Bundesregierung forderten sie vor Kurzem erneut schärfere Grenzkontrollen, um Schleuser und illegale Migration zu stoppen, und mehr finanzielle Unterstützung für Unterkunft, Versorgung und Integration wie Sprachkurse.

31.000 Menschen haben 2023 in Bayern erstmals Asyl beantragt. Insgesamt leben laut bayerischem Innenministerium derzeit etwa 145.000 Asylbewerber im Freistaat, und dazu etwa ebenso viele ukrainische Kriegsflüchtlinge. Das ist etwa ein Drittel der Zahlen aus der Flüchtlingskrise 2015/16. Allerdings warnen auch die Ausländerbehörden vor einer Überlastung.

Forderung nach Grenzkontrollen erhält breiten Zuspruch

Grenznahe Landkreise sehen die Schleuserkriminalität als Hauptproblem. Der Zustrom illegal einreisender Flüchtlinge reiße nicht ab, der Staat müsse seine Grenzen besser sichern, lautet Bayerns Forderung an den Bund. Immer wieder werden Fahrzeuge von Schleusern gestoppt. Mehr Kontrollen wünscht sich etwa Landrätin Rita Röhrl aus Regen (SPD). Die illegale Migration führe dazu, sagt sie, dass in der Bevölkerung die Stimmung kippe. Bei der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten erlebt sie bereits, dass nicht mehr das Mitleid mit den Menschen überwiege, sondern die Angst. Im Landkreis Freyung-Grafenau wurden allein in der ersten Septemberwoche 150 Migranten aufgegriffen.

Flüchtlingsabkommen und Rückführungen könnten entlasten

Söders Forderung nach einer schnelleren Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer würden viele bayerische Kommunen begrüßen, sagt Manfred Weber, CSU-Vize und Vorsitzender der Europäischen Volkspartei. Die Erweiterung sicherer Herkunftsländer auf Marokko oder Moldau könnte für Entlastung sorgen. 33.251 ausreisepflichtige Menschen hätten keine Bleibeperspektive, schreibt das Bayerische Innenministerium auf Anfrage von BR24.

Abkommen wie mit Tunesien oder der Türkei seien sinnvoll, damit Flüchtlinge nicht in die EU reisten. Es gelte, einen Zweiklang von Humanität aufrechtzuerhalten – etwa bei den Ukrainern – und gleichzeitig für Ordnung zu sorgen an den Grenzen, und dabei, falls nötig, auch Härte zu zeigen, meint Weber.

Fehlbelegungen verringern die Aufnahmekapazitäten

Die Asylunterkünfte und Ankerzentren sind auch aufgrund der hohen Fehlbelegung überlastet. Das "Chancen-Aufenthaltsrecht" vom Januar 2023 erlaubt es gut integrierten Menschen nach einer fünfjährigen Duldung, eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen und dann (etwa durch Aufnahme einer Arbeit innerhalb von 18 Monaten) das Bleiberecht zu erhalten. Knapp 5.000 solcher Aufenthaltserlaubnisse hat Bayern in diesem Jahr bereits erteilt.

Doch viele Personen mit Schutzstatus und Jobs bleiben weiter in den Unterkünften, weil sie keine reguläre Wohnung finden. Einige Städte wie München fördern deshalb ehrenamtliche Initiativen wie den "Helferkreis für Flüchtlinge e. V.", um geflüchteten Ukrainern und anerkannten Asylbewerbern eine Chance auf dem Wohnungsmarkt zu eröffnen. Der Münchner Helferkreis mietet privaten Wohnraum an und vermietet diesen an Geflüchtete, bleibt dabei Ansprechpartner für Eigentümer und Untermieter. Rund 1.000 Menschen konnten so eine eigene Bleibe finden. Das Bamberger Ankerzentrum hingegen ist zunehmend überbelegt.

Flüchtlingsrat kritisiert "Wahlkampagne auf Kosten Schutzsuchender"

Die Flüchtlingszahlen in Bayern reichten bei Weitem nicht an die Flüchtlingskrise 2015/16 heran, sagt dagegen Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat und widerspricht Söders Vorstoß. Es gebe zwar durchaus Probleme: Neben den Schwierigkeiten bei der Unterbringung und bei ärztlicher oder sozialer Versorgung fehlten für viele Geflüchtete weiterhin auch Sprachkurse, beklagt Dünnwald.

Er sieht die aktuellen Probleme aber auch als eine Folge genereller Versäumnisse und einer verfehlten Strukturpolitik. So sei der Mangel an Wohnraum, Kitaplätzen, Lehrkräften oder Sozialpädagogen generell groß in Bayern. Jetzt würden die Asylbewerber dafür zu Sündenböcken gemacht. Söders Vorstoß zur Integrationsgrenze sei ein Wahlkampf auf Kosten der Flüchtlinge, kritisiert Dünnwald.

Im Video: Wie geht es weiter in der Asylpolitik?

Geflüchtete auf der italienischen Insel Lampedusa
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Geflüchtete auf der italienischen Insel Lampedusa

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