Krankheiten erkennen, bevor sie ausbrechen, die medizinische Versorgung in ganz Bayern verbessern: Mit einem sogenannten Zukunftsprogramm will die Staatsregierung die Spitzenmedizin im Freistaat ausbauen.
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Mit einem sogenannten Zukunftsprogramm will die Staatsregierung die Spitzenmedizin im Freistaat ausbauen.

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Mehr Spitzenmedizin in Bayern: "Neue Ära" oder "zu unkonkret"?

Digitalisierung und KI in der Medizin sind eine Chance für passgenaue Therapien. Doch dafür braucht es viel Geld und eine andere Auslegung der Datenschutzverordnung, sagen Experten. Der Wissenschaftsminister Markus Blume verspricht "Milliarden".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der Freistaat ruft eine "neue Ära" medizinischer Versorgung aus. Mit der "High-Med-Agenda" wollen Wissenschaftsminister Markus Blume und Gesundheitsminister Klaus Holetschek die Spitzenmedizin in Bayern "kräftig fördern und ausbauen".

Minister verspricht "Milliarden"

Die bei einem Medizingipfel in München vorgestellten Inhalte sind dabei nicht alle neu – in der Agenda wurden sie noch einmal gebündelt. Und der Blick in das Papier verdeutlicht: Wird die High-Med-Agenda umgesetzt, dürfte das den Staat viel Geld kosten. Wieviel es am Ende sein wird - da bleibt der Wissenschaftsminister vage. Er spricht von "Millionen", die man bereits jetzt investiert habe, und "Milliarden", die in den kommenden Jahren investiert würden: Etwa in die Digitalisierung.

Die High-Med-Agenda müsse sich jedenfalls hinter der High-Tech-Agenda nicht verstecken, sagt Blume. Er verweist auf bereits geplante Vorhaben von rund 6,5 Milliarden Euro. Das Geld fließt laut Ministerium unter anderem in große Bauprojekte, etwa in den Neubau der Uniklinik im Münchner Stadtteil Großhadern.

"Virtuelles Kinderkrankenhaus" geplant

Bereits Ende 2022 zum Beispiel beschloss die Staatsregierung ein Fünf-Millionen-Sofortprogramm für die "digitale Transformation" der Kinderkliniken. Beim Medizingipfel untermauerte der Gesundheitsminister das Ziel, die Kinder- und Jugendmedizin dahingehend besser aufzustellen: Für ein bereits geplantes "virtuelles Kinderkrankenhaus" überreichte er heute symbolisch einen Scheck über rund 360.000 Euro. Das Geld kommt aus einem eigenen Programm für Telemedizin.

Gefördert werden sollen nun Aufbau, Implementierung und der Betrieb sowie die konzeptionelle Weiterentwicklung der "virtuellen Kinderklinik" für einen Zeitraum von drei Jahren, heißt es aus dem Ministerium. Der Gedanke hinter dem Projekt: Die virtuelle Kinderklinik soll dabei helfen, dass Kinder auch bei Krankheitswellen möglichst rasch in ein geeignetes Krankenhaus gebracht werden können.

Die Plattform zur Vernetzung der Kinderkliniken wird von der Universität Passau entwickelt. Bis zum Herbst soll zunächst die Organisation der Belegung dort laufen. Anschließend soll auch die medizinische Zusammenarbeit verstärkt werden, etwa mit telemedizinischen Konsultationen.

Kraftakt Digitalisierung

Welch finanzielle Herausforderungen alleine mit der Digitalisierung auf Bayern zukommen, machte der Ärztliche Direktor des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität, Professor Markus Lerch deutlich. Ein Beispiel: Alleine um die Platinen zu ersetzen - also die zur Digitalisierung nötigen "Bleche" - würden jährlich vier Millionen Euro pro Jahr gebraucht. Und um die Programme alle vier Jahre zu aktualisieren, seien 28 Millionen Euro nötig.

Laut Lerch geben die Kliniken hierzulande im Schnitt 0,8 Prozent ihres Budgets für Digitalisierung aus, in den USA seien es sieben Prozent: "Das heißt, wir brauchen, wenn wir es wirklich wollen, mehr Ressourcen dafür."

Datenschutz als Hürde für moderne Medizin?

Doch nicht nur am Geld könnte so mancher Traum der Kliniken und Forschungseinrichtungen scheitern. Viele Teilnehmende des Medizingipfels sprechen den Datenschutz an. Der Transfer oder die Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Kliniken sei entweder oft gar nicht möglich, oder kompliziert. Das aber erschwere oft die Verbesserung von Therapien.

Auch der Wissenschaftsminister selbst ist damit nicht glücklich: "Deutschland ist Weltmeister beim Sammeln von Gesundheitsdaten, alles wird erfasst auf irgendwelchen Bögen. Aber wir sind Entwicklungsland beim Nutzen dieser Daten." Nun liege es am Bund, dass dieser bei den Themen Forschungs- und Gesundheitsdaten gesetzgeberische Weichenstellungen vornimmt, fordert Blume.

Einstige Konkurrenten arbeiten nun zusammen

Eine Chance sehen die Experten beim Medizingipfel in Kooperationen. Nur, wenn sich die besten Forschungseinrichtungen zusammentun, kann auch Spitzenleistung auf internationalem Niveau dabei herauskommen. Das ist der Gedanke hinter der "M1- Munich Medicine Alliance". Zehn Akteure unterzeichneten beim Medizingipfel eine entsprechende Vereinbarung. Darunter die medizinischen Fakultäten der Technischen Universität und der Ludwig-Maximilians-Universität in München sowie die beiden Münchner Unikliniken und das Helmholtz-Zentrum.

Für Patientinnen und Patienten bedeutet die verstärkte Zusammenarbeit der einst konkurrierenden Unikliniken nun, dass sie mehr Expertise erwarten können, auch bei äußerst komplexen Krankheitsbildern, erklärt Lerch. Das zeige sich aktuell zum Beispiel in der Kinder-Herzchirurgie. Die Initiative dafür ging von den Forschungseinrichtungen aus. Der Freistaat unterstützt die Allianz. München wird damit laut Blume zum stärksten Zentrum für Universitätsmedizin in Deutschland.

Förderung der Krebstherapie

Auch in den Bereichen Krebsforschung und Digitalisierung kündigt der Wissenschaftsminister neue Projekte an. So soll etwa eine neue bayerische Gesundheitsdatenplattform entwickelt werden - die Health Cloud - , um den Umgang mit Gesundheitsdaten effizienter zu gestalten. Auch hier ist allerdings noch die Voraussetzung, dass der Datenschutz auf neue rechtliche Füße gestellt wird. Außerdem fördert Bayern künftig die gemeinsame Krebsforschung der Unikliniken Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg. Der Verbund werde der neue Standort des "Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) des Deutschen Krebsforschungszentrums".

In den kommenden fünf Jahren unterstützt der Freistaat das Projekt mit 22,5 Millionen Euro. Weitere 14,5 Millionen steuert der Bund jährlich bei. "Im Versorgungsgebiet der vier Partnerkliniken stehen für rund acht Millionen Menschen modernste Krebsdiagnostik und Krebstherapie zur Verfügung", kündigt die Staatsregierung an.

Opposition: Pläne "zu unkonkret"

Die Opposition im Landtag sieht die Pläne der Staatsregierung kritisch. Strukturelle Netzwerke seien zwar sinnvoll, ohne konkrete Finanzmittel zu nennen, blieben sie aber reine Ankündigungen, sagt etwa Christian Flisek, der wissenschaftspolitische Sprecher der SPD. Die AfD befürchtet, dass die High-Med-Agenda "wieder nur den urbanen Räumen mit ihren Universitätsklinika zugutekommen könnte". Und das, obwohl die Krankenhausversorgung auf dem Land ohnehin extrem gefährdet sei, so der gesundheitspolitische Sprecher der AfD, Andreas Winhart.

Die FDP-Fraktion begrüßt jede Verbesserung für den Medizinstandort Bayern, vor allem wenn es um die Digitalisierung in der Medizin geht. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Dominik Spitzer, ärgert sich aber gleichzeitig darüber, dass die CSU erneut "kurz vor der Wahl mit irgendwelchen unkonkreten Ankündigungen" daherkomme.

Für Christina Haubrich von den Grünen verkennt die Staatsregierung den Bedarf an nötigen Reformen in der Krankenhauslandschaft schon lange. "Darüber können auch die neusten Exzellenzinitiativen und Spitzenmedizinprojekte nicht hinwegtäuschen", so Haubrich. Wer Spitzenmedizin wolle, müsse die Basis auf solide Beine stellen.

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