Besucher und Besucherinnen während des KI erstellten Gottesdiensts.
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Besucher und Besucherinnen während des KI erstellten Gottesdiensts.

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"Liebe Freunde": So predigt Künstliche Intelligenz am Kirchentag

Kann KI predigen? Ist Künstliche Intelligenz schon soweit? Mit dieser Frage hat sich auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag ein Gottesdienst in Fürth befasst. Die Predigt dafür stammte vom KI-Programm ChatGPT, errechnet von Algorithmen.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Der Deutsche Evangelische Kirchentag zeichnet sich bisher dadurch aus, dass er aktuelle Themen und Krisen thematisiert: Der Krieg in der Ukraine, Waffenlieferungen, Klimakrise und die Zukunft der Kirche. All das sind die großen Themen, die diskutiert werden. Und auch was technische Entwicklungen und Umwälzungen angeht, ist der Kirchentag mit seinem Programm am Puls der Zeit. So ist auch Künstliche Intelligenz (KI) Thema oder besser gesagt: KI und Kirche.

Gottesdienst mit KI-generierter Predigt

Die Bänke in der Fürther Kirche St. Paul sind bei diesem besonderen Gottesdienst während des Kirchentags voll besetzt. Die Gläubigen lauschen einer Predigt. Ihre Augen und Ohren sind aber nicht auf einen Pfarrer oder eine Pfarrerin gerichtet, sondern auf einen Avatar auf einer Leinwand. Denn die Predigt wurde per Künstlicher Intelligenz zusammengestellt. Das derzeit viel diskutierte Programm ChatGPT ist der Autor, gefüttert von einem Pfarrer und Wissenschaftler, der testen möchte, wie weit KI die Gläubigen erreicht – oder eben nicht.

Computerstimme, Avatar und Algorithmen

"Liebe Freunde es ist mir eine Ehre, als erste Künstliche Intelligenz auf einem Kirchentag vor Ihnen zu stehen und zu predigen." Beim KI-Gottesdienst begrüßt die Stimme aus einem Computer die Gläubigen und sagt: "Wenn wir über das Thema 'Jetzt ist die Zeit' und die Aufforderung, die Vergangenheit loszulassen, nachdenken, ist es wichtig zu erkennen, dass diese Botschaft nicht nur für Menschen gilt, sondern auch für die Welt der Künstlichen Intelligenz." Auf einer Leinwand bewegt ein Schauspieler seine Lippen – fast so als würde ein Pfarrer per Internet zugeschalten sein, sagt Jonas Simmerlein, von der Universität Wien, der den KI-Gottesdienst konzipiert hat.

Er hat einen Algorithmus mit ein paar spezifischen Rahmendaten gefüttert: Kirchentag, Nürnberg und das Motto: Jetzt ist die Zeit. Der Rest läuft automatisch. "98 Prozent kommen aus der Maschine. Was ich gemacht hab war, Übergangsfehler korrigieren. Anschlussfehler", erklärt Jonas Simmerlein vor dem Gottesdienst.

Werden Gläubige von KI-Predigt angesprochen?

Der Theologe und Wissenschaftler, der aus Nürnberg stammt, ist gespannt, wie die Besucher darauf reagieren werden. Er möchte wissen, "ob Leute da religiöse spirituelle Erfahrungen machen, ob sie das religiös anspricht, oder auch nicht. Es wird Leute geben, die wird es total abstoßen, dann aber zu fragen, warum ist das so? Was stört dich daran?" Simmerlein ist sich sicher: "Es wird immer mehr kommen, dass wir mit Künstlichen Intelligenzen agieren."

Ihre ersten Eindrücke vom KI-Gottesdienst schildern die beiden Gottesdienstbesucher Lucas Lobmeier und Anna-Lena Fieber so: Die Predigt hätte ein anderes Tempo, einen anderen Rhythmus gehabt, viel schneller gesprochen. Es sei eine ganz eigene Betonung und Gewichtung gewesen, wie bei unterschiedlichen Pastoren auch.

Anna, die sich mit KI bisher wenig befasst hat, wie sie selbst sagt, fand den Gottesdienst "total interessant" und meinte: "Ich finde es wirklich sehr überraschend, wie viel die Künstliche Intelligenz schon hat." Lucas hat bei der Predigt "Bausteine, viele Standartsätze, die immer so kommen" herausgehört.

Interessante Erfahrung, aber noch unpersönlich

Auch Lucas empfand den KI-Gottesdienst als interessant. Er fragt sich, ob ein KI-Gottesdienst, die Lösung sein kann, um verwaiste Gemeinderäume zu bespielen. Aber für ihn ist KI nicht die optimale Lösung: "Also mir fehlt auf jeden Fall was", resümiert er. Und Anna kann ihm da nur beipflichten: "Das ist schon etwas anderes und viel persönlicher, wenn ein Pastor vor einem steht, als wenn nur die Künstliche Intelligenz zu einem spricht." Aber, wie der predigende Avatar feststellt: "Wir dürfen nicht vergessen, dass KI-Systeme so konzipiert sind, dass sie mit der Zeit lernen und sich verbessern."

KI Gottesdienst in Fürth, St. Paul
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Eine von KI verfasste Predigt: Wie sich das anfühlt, erlebten Gläubige beim Evangelischen Kirchentag in Fürth in der St. Pauls Kirche.

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