Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Bibelarbeit beim 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag.
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Bibelarbeit beim 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag.

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Steinmeier beim Kirchentag: Demokratie gemeinsam verteidigen

Wie steht es um die Demokratie in Deutschland? Eine Frage, die viele Teilnehmende beim Kirchentag in Nürnberg bewegt. Bundespräsident Steinmeier ruft zu ihrer Verteidigung auf. Andere warnen vor polarisierten Debatten.

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Appelle für mehr Solidarität und Mitmenschlichkeit haben am Donnerstag den evangelischen Kirchentag in Nürnberg geprägt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief am Morgen bei einer Bibelarbeit zum Einsatz für die Demokratie und zu "trotzigem Mut" auf, um den weltweiten Krisen mit dem Willen zu Veränderung zu begegnen. Unter Applaus in der voll besetzten Messehalle rief er: "Gemeinsam werden wir diese Demokratie in diesem Lande verteidigen."

Demokratie in der Krise? Teilnehmende am Kirchentag sorgen sich

Ist die Demokratie in der Krise? Zumindest machen sich viele der Besucher in der Nürnberger Frankenhalle dazu ihre Gedanken. Bei der Podiumsdiskussion 'Ist die Demokratie krisenfähig' gibt es so viele Fragen aus dem Publikum, dass Andreas Brohm, der Anwalt des Publikums, feststellt: "Sie sehen uns ein bisschen schwitzen. Ich will’s einmal bündeln, ich glaube, das, was viele umtreibt, ist, wie wehrt sich Demokratie?"

Denn eine wehrhafte Demokratie – so scheint es nach manchen Schilderungen auf dem Podium – ist notwendiger denn je. Da erzählt etwa der Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg, Torsten Zugehör, von Fäkalien in seinem Briefkasten. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt hat ähnliches erlebt und berichtet, dass ihre Mitarbeiter die Flut an Hassrede in ihren Kommentarspalten in den Sozialen Medien kaum mehr stemmen, geschweige denn zur Anzeige bringen können. Und der Aktivist Jakob Springfeld erzählt, wie er nach einer Gegenkundgebung gegen eine AfD-Veranstaltung von Neonazis angegangen, beleidigt und bespuckt wird.

Harbarth: "Nicht immer an Grenzen der Meinungsfreiheit gehen"

Die Meinungsfreiheit sei sehr weit gefasst, betont der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth. Sie ende aber dort, wo die Freiheit des Gegenübers eingeschränkt werde. Der Diskurs in einer Demokratie aber könne nicht nur von den Grenzen der Meinungsfreiheit her bestimmt werden. Er plädiert dafür, "nicht gleich in jedem Beitrag diese Grenzen auszutesten", sondern nach Möglichkeiten zu suchen, "sich einfach gesittet und kultiviert zu streiten". Dies sei "das Leitbild einer Demokratie und vielleicht müssen wir als Gesellschaft wieder ein bisschen stärker dahin zurück".

Kultivierte Diskussionen wünscht sich auch die Grünenpolitikerin Katrin Göring-Eckhardt. Sie beklagt "eine Verrohung und eine exponenzielle Nutzung dieser Kommentarfunktion, dass ich mich frage, soll ich sie abschalten? Aber ich bin ja Politikerin, ich möchte ja in Kontakt treten, ich möchte ja diskutieren."

Buyx: "Gesellschaftlicher Zusammenhalt stückweit nachgelassen"

Der gesellschaftliche Zusammenhalt hat für die Medizinethikerin Alena Buyx ein stückweit nachgelassen. "Aber das ist nicht gleichbedeutend mit einer zersplitterten oder gespaltenen Gesellschaft", sagte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Politikerinnen und Politiker sollten sich vor "polarisierten Kulturkampfdebatten" hüten, sagte Buyx. Eine solche Diskussion helfe niemanden und heize nur das Gefühl an, ohne sich mit den möglichen Themen dahinter auseinanderzusetzen.

Für die Generalsekretärin des Kirchentags, Kristin Jahn ist Demokratie wie ein Tanz – man müsse mitmachen, zugucken funktioniere hier nicht. Denn, da sind sich die Podiumsteilnehmer in der Frankenhalle einig, Demokratie ist nicht einfach. Ohne Streit und Diskussion geht es in einer Demokratie nicht.

Es braucht Begegnung, Gespräche und ziemlich oft – so der Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg, Torsten Zugehör, brauche es auch einfach Toleranz: "Wir müssen es aushalten, wenn wir uns im Streit um die beste Lösung nachher mit der Mehrheit nur auf die Zweitbeste verständigen."

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