Im Sitzungssaal des Landgerichts Hof.
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Vor dem Landgericht Hof muss sich Daniel T. verantworten. Ihm wird die Vergewaltigung einer Zehnjährigen im Kinderheim Wunsiedel vorgeworfen.

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Kinderheim-Prozess Wunsiedel: Setzte Polizei Jungen unter Druck?

Eine Vorgehensweise, die keinen internationalen Standards entspricht – diesen Vorwurf erhebt ein Sachverständiger gegen Ermittler im Fall des getöteten Mädchens in einem Wunsiedler Kinderheim. Ein Urteil wird sich unterdessen verzögern.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Im Verfahren um den Tod und den sexuellen Missbrauch der zehn Jahre alten Lena im Kinderheim Wunsiedel sind Vorwürfe gegen die Polizei erhoben worden. Der Sachverständige, der ein aussagepsychologisches Gutachten über den tatverdächtigen zwölfjährigen Jungen erstellte, hat die Vorgehensweise der Ermittler bei der Befragung des Jungen als äußerst problematisch beschrieben.

Sachverständiger: Ermittler arbeiteten mit manipulativer Frageweise

Die Aussagen des Jungen seien sehr unterschiedlich gewesen, dies liege zum Teil auch an der "manipulativen und suggestiven Frageweise der Ermittler". Die Vorgehensweise, wie der Junge befragt wurde, entspreche "nicht den internationalen Standards der Befragung von Beschuldigten oder gar Kindern", so der Sachverständige am Mittwochmittag im Verfahren.

Die Polizei sei offenbar davon ausgegangen, dass der Junge schuldig sei. So sei er bei seinen Aussagen unter großen sozialen Druck gesetzt worden. Es sei ihm vermittelt worden, dass es um ihn und seine bestmögliche Zukunft gehe und nicht um eine Aussage zur Tatnacht, so der Sachverständige weiter. 

Eine Kriminalpsychologin hatte über 50 Stunden mit dem Jungen gearbeitet, um ein Gutachten über seine Gefährlichkeit und Rückfälligkeit anzufertigen. Laut dem Sachverständigen ging es in den Aussagen zur Tatnacht scheinbar "regelrecht um das Auswendiglernen einer Geschichte". Der Junge habe von sich aus keinerlei Täterwissen ausgesagt, sondern nur Stück für Stück die Informationen eingebaut, die ihm vorgehalten wurden.

Hält verdächtiger Junge eine Falschaussage für die Wahrheit?

Das Ergebnis des Gutachters: Zahlreiche Faktoren sprächen aus seiner Sicht dafür, dass der Junge kein eigenes Erleben beschrieben hat, sondern eine Falschaussage daraus für sich konstruiert hat, die er nun möglicherweise selbst für die Wahrheit hält. Er könne die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Jungen nicht beurteilen, weil diese zu stark von dem beeinflusst seien, was die Ermittler durch ihre Frageweise vorgegeben hatten.

Erst am Mittwochmorgen hatte der Anwalt der Nebenklage, Michael Hasslacher, einen Antrag gestellt, das psychologische Gutachten hintanzustellen. Als Grund brachte Hasslacher vor, dass der Gutachter bisher noch nicht mit dem Zwölfjährigen persönlich gesprochen habe.

In seiner Aussage hatte der Junge ausgesagt, dass er das Mädchen stranguliert hatte. Dabei habe er allerdings im Auftrag des Angeklagten gehandelt.

Elfjähriger soll das Mädchen im Streit erwürgt haben

Der damals Elfjährige soll in der Tatnacht im April 2023 die zehn Jahre alte Lena aus Waldsassen im Landkreis Tirschenreuth mit einem LED-Band erwürgt haben. Zuvor hatte der 26-jährige angeklagte Müllwerker aus dem Landkreis Wunsiedel das Mädchen im Beisein des damals elfjährigen Jungen missbraucht.

Anfang Februar hatte der Prozess am Landgericht Hof begonnen, in der kommenden Woche stehen die Plädoyers an. Ursprünglich hätte bereits nächste Woche das Urteil fallen sollen. Der Antrag des Anwalts der Nebenklage könnte den Verlauf des Prozesses jedoch verzögern.

Der Prozess um die Vergewaltigung und Tötung einer Zehnjährigen in einem Kinderheim in Wunsiedel könnte länger dauern als geplant.
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Der Prozess um die Vergewaltigung und Tötung einer Zehnjährigen in einem Kinderheim in Wunsiedel könnte länger dauern als geplant.

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