Werden kleine Bäume im Wald vom Rehwild verbissen, sieht es schlecht aus für den Wald der Zukunft – sagen Förster und fordern: Wald vor Wild.
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Werden kleine Bäume im Wald vom Rehwild verbissen, sieht es schlecht aus für den Wald der Zukunft – sagen Förster und fordern: Wald vor Wild.

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Nur auf Wildverbiss fokussiert? Kritik am Vegetationsgutachten

Alle drei Jahre wird in Bayern der Zustand der Naturverjüngung im Wald untersucht: Das Forstliche Gutachten genießt bei Waldbesitzern hohe Wertschätzung, der Jagdverband zweifelt aber an der Aussagekraft. Auch Jagdminister Hubert Aiwanger übt Kritik.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Förster Albrecht Roth hält den Meterstab an eine kleine Eiche: Sie fällt unter die Kategorie "größer als 20 cm" und ist vom Rehwild verbissen. Der benachbarte Baum ist auch abgeknabbert, Roth notiert: "Leittriebverbiss". So geht es stundenlau

Kaniber: Jagd wichtig für den Zukunftswald

Das Forstliche Gutachten wird seit 1986 alle drei Jahre erhoben und genießt in Forstkreisen hohe Wertschätzung. Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) wird nicht müde, die Bedeutung der Vegetations-Aufnahmen für den Waldumbau zu betonen: "In Zeiten des Klimawandels ist es von existenzieller Bedeutung, unsere Wälder für nachfolgende Generationen zu erhalten", so die Ministerin. "Wo es zu viel Wild gibt, gehen ausgerechnet die Baumarten verloren, die wir für zukunftsfähige Wälder so dringend brauchen." Das letzte Vegetationsgutachten 2021 zeigte: Die Hälfte der 750 bayerischen Hegegemeinschaften hat einen zu hohen Wildverbiss! Auch deshalb ruft Michaela Kaniber die Jäger ausdrücklich dazu auf, mit einer engagierten Jagd dabei zu helfen, einen gesunden Wald hochzubringen. Das aber heißt: mehr schießen. Nun gibt es ein Problem für die Forstseite: Seit der Landtagswahl ist Landwirtschafts- und Forstministerin Michaela Kaniber nicht mehr für Jagd zuständig.

Im Video: Was braucht der Wald der Zukunft? Spannungen zwischen Förstern und Jägern

Aiwanger: Gutachten sollte erweitert werden

Die jagdlichen Konsequenzen, die sich aus dem Gutachten ergeben, liegen nun in der Hoheit von Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Der ist selbst Jäger und hat durchaus Verständnis für die Forderungen der Jägerschaft, auch andere Faktoren in die Begutachtung des Waldes einzubeziehen: "Die Forstleute sagen: Weniger Wild heißt automatisch bessere Naturverjüngung", so Aiwanger gegenüber dem BR. "Und die Jäger sagen: Es gibt noch mehr Faktoren, die auf den Zustand der Wälder einwirken." Das sei der Kern des Streits, so der Minister. Er räumt ein: "Ich hätte gerne gehabt, dass im Vegetationsgutachten auch dazugeschrieben wird, wie die Belichtungssituation im Wald ist. Aber leider Gottes sind wir uns hier nicht einig geworden. Bei einigen Beteiligten gibt es eben Bedenken. Ich halte es trotzdem für richtig, dass man es täte." Das heißt: Aiwanger wäre für Änderungen am staatlichen Vegetationsgutachten.

Waldbesitzerverband: Keine Reform des Gutachtens

Zu den "Beteiligten", die sich vehement gegen Änderungen aussprechen, gehört beispielsweise der Bayerische Waldbesitzerverband. "Für unsere Waldbesitzer ist das Forstliche Gutachten eine objektive Möglichkeit zu sehen, ob die Ziele der Jagd vor Ort erfüllt und ihre Waldumbau-Bemühungen entsprechend jagdlich begleitet werden", so Vize-Präsident Götz Freiherr von Rotenhan.

"Und es ist auch ein Instrument, um gegenüber den Jagdvorständen und den Jagdbehörden darauf hinzuweisen, dass hier noch Defizite bestehen." Im Klartext: dass mehr geschossen werden muss. Man werde sich auch weiterhin gegen eine Veränderung der Kriterien zur Wehr setzen.

Förster: Individuelle Revieraussage sinnvoll

Förster Albrecht Roth ist fertig mit seiner Vegetationsaufnahme. Er hatte den Jagdpächter und einen Vertreter der örtlichen Waldbesitzer eingeladen, dabei zu sein. Die Forstverwaltung versucht, das Verfahren transparent zu halten, um Kritik vorzubeugen. Vor Ort, in den Hegegemeinschaften, arbeite man gut zusammen, heißt es seitens der Beteiligten. Und dort, wo Unklarheiten über die Verbiss-Situation bestehen, rät Förster Albrecht Roth, eine "revierweise Aussage" zu beantragen.

Dabei geht der Förster individuell mit dem jeweiligen Jäger und Waldbesitzer ins Revier und schaut sich dabei auch den Bewuchs, die Belichtung und andere Faktoren wie störende Freizeitaktivitäten an. Also genau das, was die Jäger und Minister Aiwanger einfordern. Es gibt dieses Instrument bereits.

Letzten Endes geht es nur zusammen, sagen die Beteiligten vor Ort: Der Waldbesitzer sollte sich mit dem Jäger abstimmen, wo Flächen mit vielen jungen Bäumen sind, rät Förster Albrecht Roth - und der Jäger sollte dann versuchen, hier schwerpunktmäßig zu jagen. Und zwar solange, bis die jungen Bäume aus der Verbiss-Zone raus sind und die Jagd an eine andere Stelle verlagert werden kann.

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