Geflüchtete sind in einem der Zelte der Flüchtlingsunterkunft im Kreis Bergstraße. (Archiv: 10.02.2023)
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Vor dem Flüchtlingsgipfel am 10. Mai in Berlin sprechen sich Ministerpräsidenten für eine Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten aus.

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Asylpolitik: Debatte um sichere Herkunftsländer neu entfacht

Vor dem nächsten Flüchtlingsgipfel am 10. Mai sind die Probleme weiter die gleichen. Sollen die Kommunen finanziell besser unterstützt werden – und muss Migration weiter begrenzt werden? Forderungen gibt es viele, an der Umsetzbarkeit aber hapert es.

Über dieses Thema berichtet: Der Sonntags-Stammtisch am .

Vor dem geplanten Flüchtlingsgipfel am 10. Mai in Berlin sprechen sich einige Ministerpräsidenten von CDU und SPD für eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten aus - darunter Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und Sachsens Landeschef Michael Kretschmer.

Herrmann fordert Abkommen mit afrikanischen Herkunftsländern

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann plädiert für Abkommen mit den Herkunftsländern, etwa in Afrika. Diese Abkommen liegen als Aufgabe auf dem Tisch des Ampel-Sonderbevollmächtigten für Migration, Joachim Stamp (FDP). Dieser weist bereits seit Monaten auf die Schwierigkeiten solcher Verhandlungen hin.

  • Zum Artikel: "Herrmann rechnet 2023 mit hohen Flüchtlingszahlen"

Herrmann geht davon aus, dass immer mehr flüchtende Menschen nach Deutschland kommen werden. Etwa die Hälfte der Schutzsuchenden erhielte einen negativen Bescheid und müsste eigentlich abgeschoben werden, sagte Herrmann in der BR-Sendung "Sonntags-Stammtisch". Das aber, so kritisierte er, funktioniere oft nicht. Durch Abkommen hingegen könne verhindert werden, dass sich nicht-asylberechtigte Flüchtlinge auf die Reise nach Europa machten.

"Dann ist klar, wer in ein Boot steigt, hat in Europa nichts verloren", so Herrmann. Jedoch zweifelt der bayerische Innenminister am Erfolg des Vorhabens: Man höre aus Berlin, dass die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) das Vorhaben offenbar nicht unterstützen.

Schwierige Verhandlungen mit Herkunftsländern

Viele Länder sind nicht dazu bereit, abgelehnte Asylbewerber wieder bei sich aufzunehmen. Zum Beispiel, weil die Devisen der Landleute aus dem Ausland eine wichtige Einnahmequelle sind. Außerdem fallen manche Regierungen für direkte Verhandlungen aus. Der Sonderbeauftragte Stamp sagte bereits im Februar: "Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern sagen, dass derzeit nach Syrien und Afghanistan Rückführungen quasi ausgeschlossen sind. Und wir uns deshalb auf die Länder konzentrieren sollten, wo es tatsächlich geht."

Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten

Könnte also ein Baustein des gewünschten verminderten Zulaufs von Schutzsuchenden die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten sein? Dies würde aus Sicht von Hamburgs Erstem Bürgermeister Tschentscher (SPD) die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie bei den Verwaltungsgerichten beschleunigen und Länder sowie Kommunen entlasten, wie ein Senatssprecher der "Welt" sagte.

Denkbar wären demnach "insbesondere Länder wie Georgien, Marokko, Algerien, Tunesien und Indien, die eine Vielzahl von Asylverfahren mit einer äußerst niedrigen Schutzquote aufweisen". Davon unberührt würde der individuelle Anspruch auf Einzelfallprüfung im Asylverfahren bestehen bleiben, wie es hieß.

Menschenrechtslage in Nordafrika äußerst schlecht

Die Menschenrechtslage in Algerien, Marokko und Tunesien ist allerdings denkbar schlecht – besonders Journalisten landen wegen der Ausübung ihrer Arbeit immer wieder hinter Gittern – gleiches gilt für Oppositionspolitiker. Frauen und Mädchen werden in Nordafrika weiterhin durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert, heißt es im "Regionalkapitel Naher Osten und Nordafrika 2022" von Amnesty International.

Schwere Menschenrechtsverletzungen würden in diesen Ländern zudem nicht strafrechtlich verfolgt. "Überall im Nahen Osten und in Nordafrika wurden lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI*) wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität festgenommen und strafrechtlich verfolgt", heißt es in dem im März 2023 erschienenen Bericht.

Innenminister Joachim Herrmann plädiert für Abkommen mit den Herkunftsländern, etwa in Afrika.
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Innenminister Joachim Herrmann plädiert für Abkommen mit den Herkunftsländern, etwa in Afrika.

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer (CDU) hält eine Einstufung von Georgien, Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten trotzdem "für dringend geboten". Bei diesen vier Ländern gebe es lediglich eine "minimale Anerkennungsquote". Es gebe ein akutes Problem: "Das bestätigen alle Bürgermeister und alle Landräte in Deutschland über Parteigrenzen hinweg."

Zwei Flüchtlingsgipfel habe man erlebt "ohne Ergebnis. So kann das nicht weitergehen. Um auch im Bundesrat weiterzukommen, braucht es den Druck aus Berlin", forderte Kretschmer. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte, es sei "die Aufgabe der Grünen, der SPD und der Liberalen auf Bundesebene, dafür zu sorgen, dass über veraltete und nicht mehr in die Zeit passende Positionen neu diskutiert wird".

Unionsfraktion für Binnengrenzkontrollen in Europa

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag verlangt vom Bund mehr Geld für die Unterbringung von Geflüchteten. "Zunächst einmal geht es darum, dass die Kommunen finanziell besser unterstützt werden, weil: Sie sind die Leidtragenden der Migrationspolitik der Bundesregierung", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) in der am Sonntag ausgestrahlten Sendung "Bericht aus Berlin" des ARD-Hauptstadtstudios auf eine Frage nach seinen Erwartungen an den Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt am 10. Mai.

"Die 2,75 Milliarden Euro, die bisher für dieses Jahr vorgesehen sind, sind eindeutig zu wenig, denn die Herausforderungen beziehen sich ja auf die Integration insgesamt, auf Kitas auf Schulen, auf Wohnraum und vieles andere mehr", führte Frei aus. "Und der zweite Punkt ist, Migration muss gesteuert und begrenzt werden."

Frei sprach sich zudem für mehr Binnengrenzkontrollen in Europa aus. Die Harmonisierung des Asyl- und Migrationsrechts komme nicht voran, "und deshalb kann es durchaus sein, dass Binnengrenzkontrollen eine Ultima Ratio sind", so Frei.

Linke wirft Unionsfraktion "rechte Stimmungsmache" vor

Die Linken-Politikerin Clara Bünger warf der CDU am Freitag im Bundestag vor, die Probleme der Kommunen zu instrumentalisieren, "um mehr Abschiebungen und eine weitere Abriegelung der Grenzen" zu erreichen. Die Menschenrechte spielten dabei keine Rolle. "Diese rechte Stimmungsmache auf dem Rücken der Schutzsuchenden ist nicht nur auf ganz unterster Stufe, sondern hilft auch keiner einzigen Kommune", so Bünger in Richtung der CDU. Die Linke fordert, dass alle Kosten für Schutzsuchende vom Bund vollumfänglich erstattet werden.

25.11.2022, Berlin: Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.
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Thorsten Frei (CDU)

Städte- und Gemeindebund fordert: Kein "Weiter so"

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte Bund und Länder auf, beim Gipfel am 10. Mai einen Neustart in der Migrationspolitik einzuleiten. "Ein "Weiter so" darf es nicht geben. "Viele Kommunen sind bei Unterbringung, Integration, Schaffung von Kita und Schulplätzen längst an ihren Kapazitätsgrenzen. Auch die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind erschöpft", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Funke Mediengruppe. Daher müsse man zu einer Reduzierung der Zahlen Schutzsuchender kommen.

"Zu den notwendigen Maßnahmen gehören eine gerechte Verteilung in Deutschland und Europa, ein besserer Schutz der Außengrenzen der EU sowie die konsequente Rückführung ausreisepflichtiger Personen." Außerdem müsse der Druck auf die Herkunftsländer, die ihre ausreisepflichtigen Staatsbürger nicht zurücknehmen wollen, erhöht werden. "Schließlich erwarten wir von Bund und Ländern eine langfristige und nachhaltige Finanzierung der kommunalen Ausgaben für Unterbringung, Integration, Kita und Schulplätze."

Mit Informationen von dpa

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