Der "LauKW" der Polizei im Einsatz
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Der "LauKW" der Polizei im Einsatz. Was das ist, lesen Sie hier.

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Polizei-Spezialeinsatz zur Wiesn: "Wer tanzt, schlägt nicht"

Ein musikbeschallter Mannschaftswagen, drinnen groovende Beamte, davor promillegesättigte Wiesn-Besucher: Das Video dazu geht viral und sorgt für Zweifel an der polizeilichen Dienstauffassung. Zu Unrecht: Das Spaßmobil hat einen ernsten Auftrag.

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Die Musik hat Doppelwumms, die Oktoberfest-Fans an der Hackerbrücke toben. Mittendrin wie eine Boombox: ein Einsatzwagen mit Polizisten, die die Leute zum Tanzen animieren. Das Video dazu macht gerade auf Tiktok die Runde und sorgt für Anerkennung ("Polizei bei Wiesn immer Ehrenmänner") bis Stirnrunzeln ("Bekommen da die Kollegen Stress, wenn die so menschlich sind?" - "Ist das angemeldet?"). Berechtigte Fragen.

Hackedicht auf der Hackerbrücke?

Ein Anruf bei der Münchner Wiesnpolizei. Nein, betrunken sind die Kollegen nicht, da ist sich Sprecher Gordon Winkel sicher - die "eskalieren" nicht, die deeskalieren. Und überhaupt stammt das Video, genau betrachtet, nicht vom Oktoberfest, sondern von der Hackerbrücke, der (erstens überhaupt und zweitens gerade jetzt) schönsten Eisenbahnüberführung Münchens, die Zehntausende Wiesnwillige vom Zug zum Festgelände führt. Weshalb im Video auch nicht die Münchner Wiesnwache, sondern - weil Bahngelände - die Bundespolizei zu sehen ist.

Der "LauKW": Ordnung durch Musik

Mit der kennt sich Münchens Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner aus - und hat die Erklärung: Beim weißblauen Polizeipartybus handelt es sich um einen LauKW - einen Lautsprecherkraftwagen; seine Besatzung ist eine speziell geschulte Taktische Kommunikationseinheit, kurz TaKE, wie sie (in etwas anderer Form) auch bei Demos oder Fußballspielen eingesetzt wird.

Ihre Aufgabe: "Zunächst mal: Einfache Botschaften verständlich unter die Leute zu bringen: Nicht über die Gleise laufen! Keine Glasflaschen mit in die S-Bahn! Vorsicht vor Taschendieben!" Schon das, sagt Hauner, ist bei großen und alkoholisierten Menschenmassen schwieriger, als es klingt. Dazu kommt das bei steigendem Promillepegel wachsende Konfusions- und Aggressionspotenzial. Motto der Spezialeinheit: "Wer tanzt, schlägt nicht"; oder, in die Sprache der Musik übersetzt: "Die Hände zum Himmel!" Ziemlich schnell kann aus der Gute-Laune-Veranstaltung ein Ernstfall werden. So wie am ersten Wiesn-Abend.

Die Hände zum Himmel - die Löwen sind los!

Da bleibt der Regionalexpress aus Nürnberg wegen "technischen Defekts" kurz vor der Hackerbrücke mitten im Gleis stehen. Mit an Bord: "Vorgeglühte" Wiesnwillige, dazu 250 Fans des TSV 1860 nach der späten Niederlage in Ingolstadt. Die Leute im Zug wollen raus, heim, zur Wiesn, laufen kreuz und quer über die Gleise - oben auf der Hackerbrücke stauen sich Oktoberfestbesucher und Schaulustige. Eine kritische Mischung.

Polizeipolonaise statt Massenpanik

Jetzt gilt's. "Mit normalen, höflichen Aufforderungen kommen wir in so einer Situation nicht weiter", berichtet Wolfgang Hauner. Eine Methode der TaKE ist die "Blockabfertigung, wie am Brenner: Wir animieren die Leute am Bus zum Tanzen und Bleiben, bis die Menschenmenge auf der überfüllten Brücke sich gelichtet hat." Eine andere: "Polonaise. Wir ziehen los, mit ganz großen Schritten - damit bekommen wir die Leute halbwegs geordnet Richtung Arnulfstraße".

Seit 2008 gibt es solche musikalisch-deeskalierenden Ansätze der Bundespolizei und verstärkt seit 2010, als bei einer Massenpanik bei der Love Parade in Duisburg 19 Menschen starben und 340 verletzt wurden.

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Polizeihauptkommissar Michael Schreiber im Spezialeinsatz. Am Nachmittag ist die Lage meist noch entspannt - am Abend wird es heftig.

DJ und Infostelle

LauKW-Spezialist der ersten Stunde ist Michael Schreiber aus Bayreuth, der inzwischen alle Stadien eines Oktoberfest-Tages mit der jeweils erfolgversprechendsten Ansprache und der passenden (übrigens: GEMA-lizenzierten) Musik beschallt. Am Nachmittag "wird der Lautsprecherwagen von den Menschen als Infostelle aufgefasst, wir sind Ansprechpartner für alle möglichen Probleme", erzählt Polizei-DJ Schreiber. Im Soundtrack dazu gibt's familienfreundliche Töne, die man auch auf der Oiden Wiesn hören könnte. Am Abend wird der LauKW dann zum "Disco-Bus" - sozusagen "Rave safe", wie ein TikTok-Nutzer kommentiert. Und manchmal tanzt der Polizei-DJ auch selbst. Führen kann er, wie das Video zeigt.

Im Video: "Bundespolizei-DJ" Michael Schreiber tanzt manchmal auch selbst

Polizeihauptkommissar Michael Schreiber: Wenn's passt, tanzt der "Bundespolizei-DJ" auch selbst.
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Polizeihauptkommissar Michael Schreiber: Wenn's passt, tanzt der "Bundespolizei-DJ" auch selbst.

Wofür die Bundespolizei den MVV beneidet

Die Verhältnisse geordnet zum Tanzen zu bringen: In dieser Disziplin macht der Bundespolizei keiner was vor. Nur bei den Ansagen sieht Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner noch Verbesserungspotenzial: "Da beneide ich die Kollegen vom MVV. Wir sind ja bundesweit im Einsatz, mit Kollegen aus Franken, Sachsen und sonstwo. Kaum echte Münchner." So schöne U-Bahn-Anweisungen wie "Ned drängeln, ned schubs'n - as Bier g'langt für olle" sind da natürlich schwierig. Vielleicht sollten Bundespolizei und MVV mal einen Sprachschüler-Austausch starten?

Dieser Artikel ist erstmals am 19. September 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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