Mark Rutte (l-r), niederländischer Ministerpräsident, Ursula von der Leyen, EU-Kommission, Kais Saied, tunesischer Präsident, und Giorgia Meloni, italienische Ministerpräsidentin
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Mark Rutte (l-r), Ursula von der Leyen, Kais Saied und Giorgia Meloni,

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Migrations-Deal mit Tunesien – alternativlos oder schmutzig?

Nach langem Ringen hat die EU mit Tunesien ein Abkommen zur Eindämmung von Migration vereinbart. Die Bundesregierung unterstützt die Einigung. Doch nicht bei allen kommt der Deal gut an.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Dringend benötigte Fachkräfte mit offenen Armen zu empfangen, irreguläre Einwanderung hingegen entschlossen zu bekämpfen – so lautet das Versprechen der Ampelregierung. Und auch von Bundeskanzler Olaf Scholz. "Wir sind uns einig darüber, dass wir den Schutz der EU-Außengrenzen weiter voranbringen", verkündete Olaf Scholz etwa nach dem Flüchtlingsgipfel mit den Bundesländern Mitte Mai. Dass dies auch oder gerade unter Zuhilfenahme von Abkommen mit Nicht-EU-Staaten bewerkstelligt werden soll, daran gibt es keinen Zweifel.

Migrationsforscher macht auf Menschenrechtslage aufmerksam

Und so begrüßte denn auch eine Regierungssprecherin die zwischen der Europäischen Union und Tunesien erzielte Vereinbarung. Man verbinde damit die Hoffnung, gemeinsam mit dem Land in Nordafrika "irreguläre Migration aus der Region zurückzudrängen".

Beim Migrationsforscher Gerald Knaus klingt das alles mehr als eine Spur skeptischer: "Die entscheidende Frage ist nicht: Ist es gut, Abkommen zu haben? Die entscheidende Frage ist: Was steht in diesen Abkommen drin? Geht es da auch um die Menschenrechte derjenigen, die gestoppt werden sollen?", sagte Knaus im ZDF, der noch einmal an die schlechten Erfahrungen von einst mit der libyschen Küstenwache erinnerte.

Linke gegen Deals mit autokratischen Regimen

Bekannt ist: Die Vereinbarung zwischen EU und Tunesien läuft auf ein Tauschgeschäft hinaus: Brüssel will Kredite für das kurz vor dem Staatsbankrott stehende Land in Höhe von 900 Millionen Euro freimachen und zusätzlich 100 Millionen für den Kampf gegen illegale Migration beisteuern. Im Gegenzug soll Tunesien Grenzkontrollen verstärken, vermehrt Migranten zurücknehmen. Ob das aber auch für nicht-tunesische, illegal nach Europa Eingereiste gilt, ist offen. "Dass wir als Linke das nicht in Ordnung finden, wenn mit Autokratien oder mit undemokratischen Regimen Pakte geschlossen werden, das erklärt sich eigentlich von selbst", kritisiert die Linken-Abgeordnete Özlem Demirel.

Der tunesische Präsident Kais Saied regiert sein Land zunehmend autokratisch. Zudem hatte dessen Regierung hunderte Flüchtlinge mit Bussen an die Landesgrenzen zu Libyen und Algerien geschafft. Um sie dort bei sengenden Temperaturen und ohne Wasser oder Lebensmittel ihrem Schicksal zu überlassen. Wichtig sei, mahnte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, dass bei allen Maßnahmen im Bereich Migration in Tunesien Menschenrechte und humanitäre Verpflichtungen eingehalten würden. Darauf werde Deutschland auch bei der Umsetzung der Vereinbarung ganz besonders achten.

Es gibt kaum gute Verhandlungspartner

"Tunesien ist sicher nicht der perfekte Verhandlungspartner, aber es ist einer der besten, die wir kriegen können. Die traurige Wahrheit ist: Die EU hat eben nicht besonders viele gute Alternativen. Demokratien um Europa herum sind dünn gesät, funktionierende noch viel dünner", gibt die Migrationsexpertin Victoria Rietig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik bei Tagesschau24 zu bedenken. Tunesien ist zweifelsohne eines der Schlüsselländer, wenn es darum geht, illegale Migration nach Europa einzudämmen. Von hier aus treten zur Zeit mehr Schutzsuchende die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer an, als aus Libyen. Die Diskussion darüber, ob die EU einen notwendigen oder schmutzigen Deal eingeht, hat gerade erst begonnen.

Die EU hat einen Vertrag mit Tunesien geschlossen, damit weniger Migranten über das Mittelmeer nach Europa kommen.
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Die EU hat einen Vertrag mit Tunesien geschlossen, damit weniger Migranten über das Mittelmeer nach Europa kommen.

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