Ingolstadt liegt beim Thema E-Mobilität vorne. Das gilt auch für die Ladekapazität. Und die soll noch besser werden.
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Ingolstadt liegt beim Thema E-Mobilität vorne. Das gilt auch für die Ladekapazität. Und die soll noch besser werden.

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E-Autos und Ladestationen: Vorreiter Ingolstadt will noch mehr

In Sachen E-Mobilität und Ladekapazität ist Ingolstadt bayernweit Vorreiter. Auch im Bundesvergleich hat der Audi-Standort die Nase vorn, bestätigt das Bundeswirtschaftsministerium. Doch die Stadt an der Donau will noch deutlich zulegen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Schnell und unkompliziert soll das Laden der E-Autos in Ingolstadt funktionieren: Die Batterie auffüllen, während der Besitzer oder die Besitzerin um den Baggersee joggt, sich im Einkaufscenter aufhält, arbeiten geht oder schläft. Damit die Stadt ihr Klimaziel, bis 2035 CO2-neutral zu werden, erreichen kann, muss sich der Anteil der E-Autos noch vervielfachen – auf zunächst 25 Prozent, letztendlich aber sogar auf 90 Prozent. Die Präsidentin vom Verband der Automobilindustrie, Hildegard Müller, sagt: "Die Menschen brauchen die Gewissheit, überall und zu jeder Zeit unkompliziert laden zu können, damit sie auf die E-Mobilität umsteigen."

Ingolstadt auf Platz 1 im deutschen Städtevergleich

In keiner deutschen Stadt gibt es mehr öffentliche E-Ladepunkte pro zugelassenem Auto wie in Ingolstadt. Das geht aus den Daten der Bundesnetzagentur und des Kraftfahrt-Bundesamtes hervor, die der Verband der Automobilindustrie (VDA) jetzt für sein Ladenetz-Ranking verglichen hat.

Demnach gab es zum Stichtag 1. Juli in Ingolstadt 1.527 öffentliche Ladepunkte. Zugelassen sind in Ingolstadt mehr als 6.000 E-Autos. Das heißt, etwa vier Autos teilen sich einen Ladepunkt. Auf Platz zwei liegt in Bayern die Stadt Regensburg mit 663 Ladepunkten und 4.656 zugelassenen E-Autos. Schlusslicht in Bayern ist laut VDA die unterfränkische Stadt Aschaffenburg. Dort gibt es mehr als 3.000 zugelassene E-Autos, aber nur 46 Ladepunkte. Das heißt, statistisch müssen sich dort 69 Autos einen Ladepunkt teilen. Eine große Rolle bei den Spitzenreitern spielen die dort ansässigen Autofabriken, in Ingolstadt beispielsweise Audi.

Mehr als 500 Ladepunkte von Audi in Ingolstadt

Auf dem Werksgelände des Autobauers befinden sich mehr als 500 Ladepunkte. Großteils in Parkhäusern des Autobauers. Diese Ladepunkte sind zwar öffentlich zugänglich, aber für Menschen, die nicht bei Audi arbeiten, liegen sie meist ungünstig. Dennoch stellt das Bundeswirtschaftsministerium fest, dass das öffentliche Ladeangebot "nahezu den kompletten aktuellen Bedarf" deckt. Ingolstadt selbst hält für die aktuelle E-Auto-Dichte rund 60 weitere Ladepunkte für sinnvoll. Der Freistaat verfügt gemäß Ladeatlas Bayern aktuell über gut 6.000 Ladestationen.

Neuzulassungen von E-Autos steigen

In Deutschland haben aktuell gut zwei Prozent der insgesamt knapp 50 Millionen Autos einen batterieelektrischen Antrieb. Die Zahlen aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium für Ingolstadt liegen etwas höher, bei sechs Prozent E-Auto-Anteil. Gleichrangig genannt wird die BMW-Stadt München.

Die Stadt Ingolstadt selbst hat von einer Agentur etwas niedrigere Zahlen ermitteln lassen. Diese abweichenden Zahlen zeigen, dass die Datenerfassung in Sachen E-Mobilität noch verbesserungsfähig ist. Der Trend scheint jedoch klar. Das Bundeswirtschaftsministerium verweist darauf, dass die Neuzulassungen von E-Autos deutlich steigen: So hatten vier von zehn Neufahrzeugen im Dezember 2022 einen E-Antrieb.

Keine Angaben über Laden in heimischen Garagen

Für die wachsende Zahl an E-Autos braucht es ausreichend Lademöglichkeiten. In acht von zehn Gemeinden in Deutschland gebe es laut VDA-Präsidentin Müller noch keinen Schnellladepunkt, und in der Hälfte aller Gemeinden gebe es sogar keinen einzigen öffentlichen Ladepunkt. Das sei "ernüchternd und verdeutlicht den politischen Handlungsbedarf".

In der Stadt München kommen laut VDA 320 zugelassene Autos auf einen öffentlichen Ladepunkt, in Nürnberg 373, in Augsburg 472. Am dünnsten ist das Angebot in Bayern in der Stadt Schwabach (1.207) und im Landkreis Miltenberg (1.337). In Deutschland gab es zum Stichtag rund 97.500 öffentlich zugängliche Ladepunkte, davon 18.600 Schnellladepunkte, für rund zwei Millionen Batterieautos (BEV) und Plug-in-Hybride (PHEV). Bei den Bundesländern haben Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen das beste Verhältnis von E-Autos und Ladepunkten. Allerdings "ist der E-Pkw-Bestand in den neuen Bundesländern noch vergleichsweise gering", betonte der VDA. Bayern landet im Mittelfeld auf Platz sieben.

Datenerfassung in Sachen E-Mobilität noch schwierig

Doch zu diesen Zahlen gibt es etliche Fragezeichen. Unbekannt ist zum Beispiel, wie viele nicht-öffentliche Ladepunkte es in Deutschland gibt – vor allem Wallboxen in Privatgaragen. Der Grund: Betreiber nichtöffentlicher Ladeinfrastruktur müssen ihren Ladepunkt zwar dem örtlichen Verteilnetzbetreiber melden, nicht jedoch einer übergeordneten Behörde. Laut Wirtschaftsministerium will das die Bundesregierung noch in diesem Jahr ändern.

Bis dahin kann man sich nur daran orientieren, dass Berlin bundesweit bislang rund 1,1 Millionen nicht-öffentlicher Ladepunkte gefördert hat, vor allem an privaten Wohngebäuden, in Betrieben und für kommunale Flotten.

Wie wichtig der private Lade-Bereich ist, zeigt der Blick nach Ingolstadt: Dort sind über 80 Prozent der Gebäude Ein- und Zweifamilienhäuser. Die Stadt schätzt, dass die Ingolstädter bei sich zu Hause bereits über tausend private Wallboxen installiert haben. Die meisten Bürger werden also ihre E-Autos überwiegend in der heimischen Garage laden, so Thomas Schneider, Leiter des Klimastabs im Umweltreferat der Stadt. Denn nirgendwo, so Schneider, sei der Strom und damit das Auffüllen der Batterie billiger.

Mehr Lademöglichkeiten auf dem Weg zur Klimaneutralität

Mit Blick auf die für 2035 angepeilte Klimaneutralität drückt die Kommune deshalb aufs Tempo: Im nächsten Jahrzehnt soll sich der Anteil der E-Autos – oder BEV (für "battery electric vehicle") – in Ingolstadt verfünffachen, auf 25 Prozent. Entsprechend will die Kommune das Lade-Angebot erhöhen. Nach Berechnungen der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur ergäbe sich dafür ein zusätzlicher Bedarf von 200 bis 800 öffentlich zugänglichen Ladepunkten in Ingolstadt.

Die Zahl hängt davon ab, welche Qualität die Ladepunkte haben, also wie schnell sich die Batterien der E-Autos dort wieder auffüllen lassen. 200 zusätzliche Ladepunkte reichen aus, wenn ausschließlich HPC-Ladeinfrastruktur verwendet wird, also Schnellladepunkte mit hohen Ladeleistungen von 150 kW und mehr. 800 zusätzliche Ladepunkte bräuchte Ingolstadt, falls ausschließlich AC-Ladeinfrastruktur installiert wird, also die bislang gängigen normalen langsamen Punkte mit bis 22 kW.

Nicht die Stadt, sondern der Markt wird entscheiden, welche Ladepunkte letztendlich kommen. Denn nicht die Stadt installiert die öffentlich zugänglichen Ladekapazitäten, sondern freie Anbieter. Dazu zählen Tankstellenbetreiber, Audi, die großen Energieunternehmer und als weiterer Spieler eine städtische Tochter, die Stadtwerke Netz GmbH. Deren Geschäftsführer Hubert Stockmeier ist davon überzeugt, dass der Trend zu immer mehr Schnellladestationen geht. So eine betreibt die Stadtwerke Netz GmbH am sogenannten Audikreisel in der Nähe eines Einkaufzentrums und registriert dort eine gute Auslastung.

Stadt entwirft "Steckbriefe" für neue Ladepunkte

Die Kommune selbst stellt nur die Flächen für die Ladepunkte. Noch in diesem Jahr sollen im Stadtgebiet möglichst viele neue dazukommen. Aktuell erarbeiten die Planer im Ingolstädter Klimareferat "Steckbriefe" für über 120 Ladepunkte an rund 50 Standorten. Beschrieben wird darin der exakte Standort der künftigen Lademöglichkeit. Dazu gehören auch ein Luftbild und Angaben zum Netzanschluss.

Diese Angaben seien wichtig für die potenziellen Anbieter, erklärt Stefan Schratzenstaller, Klimaschutzmanager bei der Stadt Ingolstadt: "Die Stadt Ingolstadt wird die Infrastruktur nicht selber aufbauen, sondern wir werden die Steckbriefe veröffentlichen. Und dann können sich entsprechende Akteure, die auf dem Markt verfügbar sind – also Anbieter, Hersteller von Ladesäulen –, Standorte raussuchen, wo sie auch Infrastruktur aufbauen wollen und sich darauf bewerben. Dann ist es dem Markt überlassen, wie schnell das geht."

Weil ein Großteil der Ingolstädter Bürger zu Hause eine Wallbox einrichten kann, sieht die Stadt den öffentlichen Ladebedarf vor allem in den Bereichen "Arbeit", "Freizeit" und "Wohnen" für Menschen in Hochhäusern und größeren Apartment-Einheiten. Extra öffentliche Ladepunkte für den Bereich "Arbeit" haben die städtischen Planer außen vor gelassen, da sich die Arbeitgeber in der Regel selbst um Ladeinfrastruktur kümmern und nicht auf öffentliche Ladepunkte angewiesen sind. Als Paradebeispiel gilt hier Audi.

Vollelektrische Fahrzeuge – auch eine Preisfrage

Damit die ehrgeizigen Pläne in Ingolstadt aufgehen und tatsächlich möglichst bald ein Viertel aller zugelassenen Autos mit batterieelektrischem Antrieb fährt, müssen genügend E-Autos zur Verfügung stehen. Hier richten sich in Ingolstadt die Blicke vor allem auf Audi. Bislang gelangten neue Modelle vielfach über die Werksangehörigen auf den heimischen Markt, wenn auch mit leichter zeitlicher Verzögerung, wenn die Audianer ihre günstigen Werksautos nach einem Jahr als Gebrauchtwagen zum Verkauf stellten. Derzeit ist fraglich, wie gut das mit reinen E-Autos funktioniert.

Das Unternehmen verweist zwar darauf, dass Audi "bis 2033 die Produktion von Verbrennern nach und nach auslaufen" lassen wird und dass in Ingolstadt "bereits ab 2028 nur noch Elektroautos vom Band" rollen. Das, so ein Sprecher weiter, werde "sicher auch einen positiven Effekt auf den Elektroauto-Anteil in Ingolstadt haben". Doch neben der Lieferkettenproblematik stellt sich auch die Frage, wie viele Käufer sich vollelektrische Fahrzeuge leisten können. Der kleinste vollelektrische Audi ist ein Q4 etron. Er kostet weit über 50.000 Euro und hat derzeit eine Lieferzeit von rund 1,5 Jahren.

Sorgen potenzieller Käufer vor Stromabschaltung

Zu den Wartezeiten und den Kosten kommt die Frage, ob sich ein E-Auto immer laden lässt. Schlagwörter wie Netzsicherheit, mögliche Stromausfälle, Stromdimmen für Wärmepumpenbesitzer und E-Autofahrer machen täglich neue Schlagzeilen. Das erfährt auch Hubert Stockmeier, der Geschäftsführer der Stadtwerke Ingolstadt Netze GmbH. Auch ihn fragen Kunden, ob ihre Wallbox im Notfall abgeschaltet wird. "Nein", sagt Stockmeier, "ich kann den Strom gar nicht abschalten". Denn: "Der Kunde bekommt eine gewisse Leistung von mir zur Verfügung gestellt, und die steht ihm auch zum Laden zur Verfügung." Entscheidend sei jedoch, wie viele E-Autos künftig unterwegs sein werden. "Wir müssen sehen, wie ist der Markthochlauf?" Es gelte, das genau zu beobachten und rechtzeitig ins Netz zu investieren.

Stadtwerke-Geschäftsführer Stockmeier versichert, dass die Stromversorgung in Ingolstadt funktioniere. Durch Audi sei das Thema in Ingolstadt schon seit Langem präsent. "Wir haben uns schon vor zehn, 15, 20 Jahren genau diese Fragen gestellt: Was passiert, wenn jeder Elektroauto fährt? Wenn jeder Photovoltaik haben wird? Und wir können sagen: Wir sind sehr, sehr gut vorbereitet".

Aber, so Stockmeier weiter: "Wir hier in Ingolstadt haben unsere Hausaufgaben gemacht. Ich kann aber nur für mein Stadtgebiet sprechen. Für das bayernweite Netz, das deutschlandweite Netz – da bin ich natürlich nicht aussagefähig. Da brauchen wir dringend einen Netzausbau in Deutschland: die wirklich großen Versorgungstrassen, um den Strom, der oft eben im Norden der Republik erzeugt wird, auch hier in den Süden zu kriegen. Das ist dringend notwendig. Denn: Was hilft es am Schluss, wenn die Steckdose funktioniert, aber vorne nichts ankommt?"

In Ingolstadt läuft der Aufbau der Ladekapazitäten weiter nach Plan. Immer in der Zuversicht, dass auch die bundesweiten Rahmenbedingungen stimmen.

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