BMW-Zentrale am 26.09.2023 in München.
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Ein Liefervertrag über Kobalt aus einer Mine in Marokko bringt den Autobauer BMW in Bedrängnis.

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Schmutzige Kobalt-Gewinnung: Vorwürfe gegen BMW-Zulieferer

Ein Liefervertrag über Kobalt aus Marokko bringt BMW in Bedrängnis. Recherchen vor Ort deuten auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden im Umfeld einer Mine hin. Der Zulieferer weist die Vorwürfe zurück, BMW kündigt eine Prüfung an.

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Ein wichtiger Zulieferer für BMW verletzt offenbar massiv Umwelt- und Arbeitsstandards. Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung legen den Verdacht nahe, dass aus der Kobalt-Mine Bou Azzer in Marokko große Mengen hochgiftiger Stoffe in ein Flusstal gelangen. Zudem erheben Minenarbeiter Vorwürfe, dabei geht es unter anderem um vorenthaltene Sozialleistungen und fehlende Sicherheitsstandards. BMW kündigte an, die Vorwürfe zu prüfen.

Der Autohersteller hatte 2020 mit dem marokkanischen Rohstoffkonzern Managem einen Vertrag über 100 Millionen Euro geschlossen. Dieser sieht die Lieferung von Kobalt vor, das BMW für den Bau von Batterien für seine Elektroflotte benötigt.

Der Konzern hatte den Schritt unter anderem mit dem Ziel einer "ethisch verantwortliche(n) Rohstoffgewinnung" begründet und erklärt, die "Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten" habe für BMW beim Rohstoffeinkauf "oberste Priorität".

Arsen in der Umwelt: "Die Konzentration ist exorbitant hoch"

Recherchen von NDR, WDR und SZ gemeinsam mit dem französischen Medium Reporterre und dem marokkanischen Medium Hawamich deuten nun darauf hin, dass aus der Mine Bou Azzer große Mengen Arsen in die Umwelt gelangen. Diesen Verdacht legen die Analysen von Wasser- und Urinproben in der Region nahe, die Reporter der Medien im Umfeld der Mine genommen haben. Die Probenuntersuchung wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg begleitet, die die Proben auch analysiert haben.

Der Chemiker Wolf von Tümpling, der die Abteilung Wasseranalytik im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung leitet, erklärte, er habe in seinem Berufsleben bislang noch nie solch hohe Arsenwerte in Wasserproben gesehen. "Die Konzentration ist exorbitant hoch und stellt eine Gefährdung dar. Und es ist auf jeden Fall so, dass dort Handlungsbedarf besteht".

Selbst Proben aus einem Wasserbecken in einer etwa zehn Kilometer von der Mine entfernten Oase wiesen noch massiv erhöhte Arsenwerte auf, die die Trinkwassergrenzen der WHO um den Faktor 40 übersteigen. Dort leben Bauern, die mit diesem Wasser ihre Pflanzen bewässern.

Vorwurf: Minen-Betreiber hält Standards nicht ein

Im Rahmen der Recherchen konnten die Reporterinnen und Reporter auch mit rund einem Dutzend ehemaliger und aktueller Arbeiter der Mine Bou Azzer sprechen sowie mit mehreren Gewerkschaftsvertretern. Alle Gesprächspartner erhoben dabei den Vorwurf gegen Managem, dass Arbeiter in der Mine beschäftigt würden, ohne zuvor geschult oder über mögliche Gesundheitsrisiken aufgeklärt worden zu sein.

Auch gebe es vor Ort nicht genügend Schutzausrüstung für die Arbeiter. Sub-Unternehmen des Minenbetreibers würden Arbeiter dabei oftmals Verträge mit besonders kurzer Laufzeit ausstellen. Im Falle von berufsbedingten Erkrankungen, wie einer Staublunge, würden Arbeiter in der Regel ohne soziale Absicherung entlassen.

Lieferkettengesetz verpflichtet zur Einhaltung von Menschenrechten

Auf Nachfrage wies Managem alle Vorwürfe zurück und erklärte, dass sowohl die Betreiber-Firma der Mine, als auch die dort tätigen Sub-Unternehmen, hohe Arbeits- und Sozialstandards einhielten. Insbesondere achte man auf ein umfangreiches Training für alle Arbeiter und darauf, die notwendige Schutzausrüstung bereitzustellen. Zudem wies der Sprecher darauf hin, dass eigene Untersuchungen keinerlei Arsen-Belastungen für die Umwelt oder die Anwohner festgestellt hätten, die auf die Mine zurückzuführen seien. Arbeiter würden regelmäßig medizinisch untersucht.

Der Fall der marokkanischen Kobalt-Mine könnte für BMW auch juristische Konsequenzen haben. Seit Anfang 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettengesetz. Es verpflichtet große deutsche Unternehmen dazu, die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards von Zulieferern besonders genau zu prüfen und gegebenenfalls auf Verbesserungen hinzuwirken. Die Wirtschaftsjuristin Stefanie Lorenzen erklärte gegenüber NDR, WDR und SZ, dass die Prävention im Lieferkettengesetz bereits mit der Auswahl des Vertragspartners beginne. "Wenn jetzt Anhaltspunkte auftauchen dafür, dass die Arbeitssicherheit nicht gewährleistet ist, dann müsste BMW da eintauchen und tätig werden."

BMW will Vorwürfe prüfen

Ein Sprecher von BMW erklärte, man nehme alle Vorwürfe ernst und sei dazu mit Managem im Austausch. Bereits in der Vergangenheit habe man mit Managem Kontakt aufgenommen und über negative Berichte gesprochen. In diesem Zusammenhang habe BMW auch umfangreiche Dokumente angefordert. Aufgrund der aktuellen Ergebnisse der von der Recherchekooperation beauftragten Wasseranalyse habe man von Managem "eine umfassende Prüfung eingefordert". Sollte ein Fehlverhalten von Managem vorliegen, würde die BMW Group "sofortige Gegenmaßnahmen einfordern".

Kobalt ist ein begehrter Rohstoff. Er spielt in der Batterieproduktion, in Batterien für die E-Mobilität, bei Verbrennerautos und Werkzeugen eine große Rolle. Der Löwenanteil des weltweiten Kobaltvorkommens stammt aus Afrika.

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