Jemand steckt einen Wahlzettel in eine knallgelbe Wahlurne
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Die Bundestagswahl hielt für die Parteien in Mittelfranken einige Überraschungen parat.

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Bundestagswahl in Mittelfranken: CSU verliert, Grüne gewinnen

Die CSU-Kandidaten holen alle sechs Direktmandate, müssen aber teils massive Verluste hinnehmen, die Grünen erreichen ihr bestes Ergebnis seit 40 Jahren – der Wahlabend in Mittelfranken ist überraschend.

Permanent schaut der Nürnberger CSU-Bundestagsabgeordneter Sebastian Brehm an diesem Wahlabend auf sein Handy. Holt er wieder das Direktmandat für den Wahlkreis Nürnberg-Nord? Das ist längere Zeit nicht klar. Brehm liefert sich einen Dreikampf mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Gabriela Heinrich und Tessa Ganserer von Bündnis 90/Die Grünen, die sich zum ersten Mal um ein Bundestagsmandat bewarb. Am Ende gewinnt Brehm – ein souveräner Sieg sieht aber anders aus.

Sebastian Brehm holt Direktmandat für CSU, verliert aber Stimmen

Sebastian Brehm bekommt 28,6 Prozent der Wählerstimmen in seinem Wahlkreis. 2017 waren es noch 31,3 Prozent. Aber auch Herausforderin Gabriela Heinrich muss Verluste hinnehmen, sie erreicht 21,9 Prozent (2017: 25,6). Große Gewinnerin des Abends ist Tessa Ganserer von Bündnis 90/Die Grünen. Sie konnte auf Anhieb 22,5 Prozent auf sich vereinen. Ganserer ist die erste transidente Frau aus Bayern, die im Bundestag vertreten sein wird.

Die Gewinnerin des Abends heißt Tessa Ganserer

Auch wenn sie nicht das Direktmandat holen konnte, so wird Tessa Ganserer über die Landesliste in den Bundestag einziehen. Es sei ein historischer Abend, sagt die Grünen-Politikerin dem Bayerischen Rundfunk. "Das mit dem Direktmandat wäre noch ein Tüpfelchen auf dem I gewesen – da müssen wir aber noch warten", meint sie. Ganserer möchte sich für Klimaschutz und für die Rechte von schwulen, lesbischen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen einsetzen. Dazu gehöre unter anderem die Abschaffung des Transsexuellengesetzes. "Der Wahlabend zeigt deutlich, dass das alte Denken in Deutschland abgestraft wurde, und es ist einfach Zeit, auch für die Rechte von queeren Menschen in Deutschland etwas zu tun", so die 44-Jährige.

Ganserer erste Transfrau aus Bayern im Bundestag

Tessa Ganserer, die seit 2013 dem Bayerischen Landtag angehört, hatte vor drei Jahren ihr Coming-Out als Transfrau. Auch Ganserers Parteikollege Sascha Müller aus dem Wahlkreis Nürnberg-Süd wird im kommenden Bundestag vertreten sein. Er zieht ebenfalls über die Landesliste ein. Im Wahlkreis Nürnberg-Süd gibt es weniger Überraschungen. Hier verteidigt der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser mit 34,4 Prozent klar sein Direktmandat vor Thomas Grämmer (SPD), der 24,2 Prozent der Stimmen holt.

CSU-Politiker Stefan Müller verteidigt Direktmandat mit Verlusten

Im Wahlkreis Erlangen gewinnt der Bundestagsabgeordnete Stefan Müller erneut das Direktmandat. Laut vorläufigem Endergebnis holt der 46-Jährige 35,2 Prozent der Stimmen – ein deutlicher Verlust im Vergleich zu 2017, als noch mehr als 42 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihr Kreuzchen bei Müller machten. Die SPD-Sozialpolitikerin Martina Stamm-Fibich erreicht im Wahlkreis Erlangen 20,7 Prozent und zieht ebenfalls über die Zweitstimmen in den Bundestag ein.

Tina Prietz von den Grünen erreichte fast genauso viel Stimmen wie die SPD-Politikerin, nämlich 19,4 Prozent.

Grüne im Wahlkreis Erlangen überflügeln SPD

Bei den Zweitstimmen haben die Grünen im Wahlkreis Erlangen die SPD überflügelt. Sie erreichen 20,2 Prozent, die SPD liegt mit 19,4 Prozent knapp darunter. Die meisten Zweitstimmen holt erneut die CSU mit 28,9 Prozent, muss jedoch Verluste hinnehmen (2017: 35,6 Prozent). Besonders in der Studentenstadt Erlangen ist die Fridays for Future Bewegung sehr stark. Zu dem Wahlkreis gehören allerdings auch ländliche Gebiete wie der Landkreis Erlangen-Höchstadt und Teile des Landkreises Neustadt a.d.Aisch/Band Windsheim – hier haben die Grünen nicht so stark abgeschnitten wie in der Studentenstadt Erlangen.

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Grafik von Infratest Dimap zu den Zweitstimmen in Mittelfranken.

CSU verliert in ganz Mittelfranken, grün gewinnt

Auch in den anderen Wahlkreisen in Mittelfranken gewinnen die CSU-Kandidaten – aber alle müssen Verluste hinnehmen. Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis rutscht die Partei im gesamten Regierungsbezirk bei den Erststimmen um fast zehn Prozentpunkte ab, von 44,3 Prozent der Stimmen 2017 auf 34,9 Prozent bei der diesjährigen Bundestagswahl. Bei den Zweitstimmen verliert die Union sogar mehr als zehn Prozentpunkte (2021: 29,9 Prozent; 2017: 40,4 Prozent). Der Ansbacher Landrat Jürgen Ludwig (CSU) zeigt sich ernüchtert: "Wir müssen ehrlich sein und uns eingestehen, dass wir als Verlierer aus der Wahl hervorgehen", so Ludwig im BR-Interview.

Der große Gewinner des Abends heißt Bündnis 90/Die Grünen. Die Partei hat ihr Ergebnis in Mittelfranken nahezu verdoppelt (2017: 8,8 Prozent, 2021: 16 Prozent). Die SPD kann leicht zulegen, von 17,1 Prozent im Jahr 2017 auf 20,7 Prozent 2021.

Insgesamt ist die Wahlbeteiligung in Mittelfranken minimal höher als vor vier Jahren. Bei der aktuellen Bundestagswahl stimmten 79,2 Prozent der Mittelfranken ab, 2017 waren es 78,5 Prozent.

Die weiteren Direktkandidaten für Mittelfranken:

  • Wahlkreis Ansbach: Artur Auernhammer (CSU, 38,4 Prozent)
  • Wahlkreis Fürth: Tobias Winkler (CSU, 33,5 Prozent)
  • Wahlkreis Roth: Ralph Edelhäußer (CSU, 38,0 Prozent)

Neun Bundestagsmandate über Zweitstimmen

Nach Angaben des Bundeswahlleiters ziehen insgesamt neun Kandidatinnen und Kandidaten über die Zweitstimmen in den Bundestag ein: Von der SPD sind das Carsten Träger (Wahlkreis Fürth), Gabriela Heinrich (Wahlkreis Nürnberg-Nord), Martina Stamm-Fibich (Wahlkreis Erlangen) und Jan Plobner (Wahlkreis Roth).

Die Grünen entsenden Sascha Müller (Wahlkreis Nürnberg-Süd) und Tessa Ganserer (Wahlkreis Nürnberg-Nord).

Für die FDP erlangten Katja Hessel (Wahlkreis Nürnberg-Nord) und Kristine Lütke (Wahlkreis Roth) ein Mandat.

Ebenfalls in den Bundestag einziehen wird Martin Sichert aus dem Wahlkreis Nürnberg-Nord für die AfD.

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