14.06.2023, Bayern, München: Hubert Aiwanger, (Freie Wähler) Stellvertretender Ministerpräsident und bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landentwicklung und Energie, gibt im Plenarsaal des bayerischen Landtag eine Regierungserklärung ab. Thema sind unter anderem ·Wohlstand sichern durch eine starke Wirtschaft·. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Peter Kneffel

Plenarsitzung im Landtag

Per Mail sharen
Artikel mit Live-InhaltenLivebeitrag

BR24live: Landtag debattiert über Aiwanger

Es wird nicht ruhig um Hubert Aiwanger. Heute tagt der Zwischenausschuss des Landtags zur Flugblatt-Affäre. Der Freie-Wähler-Chef soll Rede und Antwort stehen, fordert die Opposition. Doch der Freie Wähler-Chef will schweigen, wie auch Markus Söder.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der Ministerpräsident und sein Vize sind da. Aber sie wollen nur zuschauen: Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger werde sich in der Sondersitzung des Landtags vermutlich nicht äußern, teilt ein Sprecher auf BR-Anfrage mit. Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) plant keinen Redebeitrag. Söder habe "die Beweggründe seiner Entscheidung bereits ausführlich dargelegt und die gesamte Öffentlichkeit an seinem Abwägungsprozess umfangreich teilhaben lassen", heißt es aus der Staatskanzlei.

Sowohl Aiwanger als auch Söder wollen aber an der Sondersitzung des Landtags teilnehmen. "Der Ministerpräsident hat großen Respekt vor der Notwendigkeit dieser Sitzung", teilte ein Sprecher vorab mit. Aiwanger hatte nach der Kabinettssitzung am Dienstag angekündigt, bei der Sitzung des Zwischenausschusses dabei zu sein.

Aiwanger schweigt, Opposition kritisiert

Dabei hatten Grüne, SPD und FDP genau dafür eine Sitzung des Zwischenausschusses beantragt. Sie wollen, dass der Vize-Regierungschef persönlich Stellung nimmt. Freie Wähler-Chef Aiwanger müsse dem Landtag Rede und Antwort stehen, sagt der Fraktionschef der FDP, Martin Hagen. Nur so könne sich die Öffentlichkeit ein faires Bild über die Vorwürfe in der Flugblatt-Affäre machen.

Zu einer Aussage zwingen kann die Opposition Aiwanger aber nicht. Sie könnte zwar einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung stellen und eine Regierungsbefragung beantragen. Dieser Antrag müsste aber ohne Widerspruch angenommen werden. Dass CSU und Freie Wähler das tun, gilt als ausgeschlossen.

Grüne und SPD fordern Entlassung Aiwangers

In einem Antrag fordern Grüne und SPD die Entlassung Aiwangers. Markus Söder habe es versäumt "Haltung zu zeigen, Klarheit zu schaffen und Schaden von Bayern abzuwenden", so Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Aiwangers Entschuldigungen seien "zu spät, zu unvollständig und auch zu uneinsichtig" gewesen, ergänzt SPD-Fraktionschef Florian von Brunn.

Allerdings kann der Landtag den bayerischen Wirtschaftsminister laut bayerischer Verfassung nicht entlassen. Die Entscheidung obliegt dem Ministerpräsidenten. Und Söder hatte bereits am Sonntag entschieden, dass er an Aiwanger festhalten will.

Markus Söder müsste zustimmen

Das Parlament könnte mit dem Antrag auf Entlassung Aiwangers also nur den politischen Druck auf Söder erhöhen, mehr nicht. Und das auch nur, wenn die Mehrheit der Abgeordneten im Zwischenausschuss dem Antrag der Grünen und der SPD zustimmt. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich.

Für die AfD ist der Antrag ein "billiges und durchschaubares Wahlkampfmanöver der Grünen und der SPD". Sie will den Antrag ablehnen. Die FDP entscheidet spontan. Die Freien Wähler werden dem Antrag sicherlich nicht zustimmen. Ebenso wenig die CSU. Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion, Tobias Reiß, teilt mit: "Die Entscheidung, Aiwanger im Amt zu lassen, ist richtig und wird von der Fraktion klar mitgetragen." Gleichzeitig kritisiert Reiß allerdings "das mangelhafte Krisenmanagement und die zögerliche Entschuldigung" von Aiwanger. Dadurch sei Bayern "schwerer Schaden" entstanden.

Anträge: Verurteilung des Hetzblattes und Kampf gegen Antisemitismus

Die Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern wollen einen eigenen Antrag beschließen. Darin betonen sie ein "klares Bekenntnis gegen jede Form von Antisemitismus und Menschenverachtung". "Jüdisches Leben und jüdische Kultur sind fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland, den es weiter mit allen Kräften zu schützen gilt", heißt es weiter in dem Antrag. Das Flugblatt, das vor rund 36 Jahren in der Schultasche Aiwangers gefunden wurde, verachte man als "widerwärtiges und zutiefst menschenverachtendes Pamphlet".

Auch Grüne, SPD und FDP verurteilen "die menschenverachtende Hetzschrift". In einem Antrag stellen sie fest, dass die Debatte um Aiwanger und sein Umgang mit den Vorwürfen "dem Ansehen des Freistaates Bayern massiv schadet". Weiter heißt es in dem Antrag der drei Oppositionsfraktionen: "Der Zwischenausschuss bedauert die Verletzungen, die bei Opfern der Shoa und deren Angehörigen entstanden sind."

Zwischenausschuss ist eine Seltenheit

Rund drei Stunden dürfte die Sondersitzung im Landtag heute dauern. Der dafür einberufene Zwischenausschuss ist in der Zeit kurz vor den Landtagswahlen für die Beratung dringender Angelegenheiten zuständig. In dem Gremium selbst ist nur ein Viertel aller Abgeordneten vertreten. Die Plätze werden entsprechend der Mehrheitsverhältnisse im Parlament besetzt, nach Stärke der Fraktionen.

Dem aktuellen Zwischenausschuss gehören demnach 51 Mitglieder an. Mit dabei sind unter anderem die Fraktionsspitzen: Thomas Kreuzer (CSU), Katharina Schulze und Ludwig Hartmann (beide Grüne), Florian Streibl (Freie Wähler), Ulrich Singer (AfD) und die Fraktionschefs Florian von Brunn (SPD) und Martin Hagen (FDP).

Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner steht qua Gesetz nicht auf der Mitgliederliste, will aber als Besucherin dabei sein. Schließlich ist das Gremium eine Seltenheit: In der deutschen Nachkriegsgeschichte kam der Zwischenausschuss insgesamt nur sechs Mal zusammen, zuletzt 2008 wegen der Finanzkrise.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!