Der vom Menschen verursachte Klimawandel lässt sich am Thermometer abmessen: Eine klimageschichtliche Studie zeigt, dass im gesamten Quartär die Temperaturen noch nie so schnell gestiegen sind wie seit 1970. Und die Studie stellt einen direkten Zusammenhang zum Treibhausgas Kohlendioxid CO2 fest.
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Die Temperaturen steigen in den vergangenen 50 Jahren schneller an als je in den drei Millionen Jahren zuvor, zeigt eine neue Studie.

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Temperaturen steigen 40-mal schneller als nach letzter Eiszeit

Klimawandel und Erderwärmung, das gab es doch schon immer, oder? Ja, aber nicht in einem so hohen Tempo wie heute, zeigt eine Studie. Eine so starke und über Jahre anhaltende Erderwärmung gab es die letzten drei Millionen Jahre nicht.

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Der Höhepunkt der letzten großen Eiszeit war vor 20.000 Jahren. Eis bedeckte die Erdoberfläche bis zum 30. Breitengrad - Nordafrika. Bis etwa 10.000 Jahre später der Mensch mit Ackerbau begann, sesshaft wurde und damit den Grundstein menschlicher Zivilisation legte, stieg die globale Durchschnittstemperatur um fünf Grad an: im Schnitt um 0,005 Grad pro Jahrzehnt.

Momentaner Klimawandel ist beispiellos in der Klimageschichte der Erde

In den vergangenen fünfzig Jahren ist die globale Durchschnittstemperatur pro Jahrzehnt dagegen um 0,2 Grad gestiegen - 40-mal schneller als nach der letzten Eiszeit. Dieses Tempo macht nicht nur Umweltschützern Sorge, weil Tier- und Pflanzenarten sich nicht so schnell an eine so rasant veränderte Umwelt anpassen können. Die Geschwindigkeit der Erderwärmung bereitet auch Forschern der Klimageschichte Sorgen, denn, so das Fazit einer neuen Studie, eine so schnelle und lang anhaltende Erderwärmung ist in der bisher erforschten Klimageschichte unseres Planeten einmalig.

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Durchschnittstemperaturen in Bayern in den vergangenen Jahrzehnten: Seit 1970 ist ein deutlicher Anstieg zu erkennen.

Klimageschichte der vergangenen drei Millionen Jahre erforscht

Andrey Ganopolski und Matteo Willeit sind Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und spezialisiert auf Paläoklimatologie - die Erforschung der Klimageschichte unseres Planeten. Forscher wissen inzwischen viel über die Klimageschichte der Erde: Aus Sedimenten am Meeresboden oder Eisbohrkernen der Polarregionen konnte die Temperatur-Entwicklung der vergangenen drei Millionen Jahre rekonstruiert werden.

Was verursacht den Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten?

Dieser Zeitraum - die Epoche des Quartär - war vor allem in ihrem ersten Abschnitt, dem Pleistozän, vom Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten geprägt. Genau diesen Wechsel untersucht die Forschergruppe um Ganopolski am PIK. Mittels einer aufwändigen Computersimulation, die sowohl die Erdbahn, als auch Interaktionen mit den Ozeanen, die Entwicklung von Eisschilden, die Bodenbeschaffenheit, Vulkanausstöße und atmosphärischen Staub berücksichtigt, untersuchen die Klimaforscher, was Eiszeiten hervorbringt und beendet.

Kohlendioxid als treibende Kraft der Klimageschichte

Dabei konnte Ganopolski schon vor einigen Jahren zeigen, dass eine Eiszeit nicht einfach nur von den leichten Schwankungen der Erdbahn und der damit verbundenen Veränderung der Sonneneinstrahlung (Milankovitch-Zyklen) ausgelöst oder beendet wird, sondern dass der jeweilige Kohlendioxid-Anteil der Atmosphäre entscheidend ist. Eiszeiten wurden demnach von niedrigen CO2-Konzentrationen ausgelöst, Warmzeiten korrelierten mit hohem CO2-Anteil. Treibhausgase wie Kohlendioxid sind die "treibende Kraft" in der Klimageschichte, so die Forscher.

Zwei-Grad-Grenze in drei Millionen Jahren nie überschritten

In der ganzen rekonstruierbaren Klimageschichte, das zeigt die neue Studie des PIK, war der CO2-Anteil noch nie so hoch wie heute (400 ppm CO2). In den vergangenen 800.000 Jahren sicher nicht, wahrscheinlich aber nicht einmal im gesamten Quartär. Und auch die globale Temperatur lag in den vergangenen drei Millionen Jahren niemals mehr als zwei Grad über der des vorindustriellen Zeitalters.

"Es scheint, dass wir unseren Heimatplaneten derzeit über alle klimatischen Bedingungen hinausdrängen, die während des gesamten, aktuellen erdgeschichtlichen Zeitalters herrschten, dem Quartär." Matteo Willeit

Diese Zwei-Grad-Grenze ist genau die, um die in der Klimapolitik gerungen wird: Im Paris-Protokoll, dem internationalen Klimaabkommen von 2015, haben sich die Nationen weltweit darauf verständigt, die Klimaerwärmung auf höchstens zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit (1850 bis 1900) zu beschränken. Dazu müsste, da sind sich Klimaforscher weltweit einig, der CO2-Ausstoß in sehr großem Maße verringert werden - in nur wenigen Jahrzehnten.

Was kommt hinter der Zwei-Grad-Grenze?

Für die Forscher am PIK wird die Dringlichkeit des Wandels in der Klimapolitik gerade dadurch deutlich, dass sie Jahrmillionen zurückblicken. Denn wenn das Zwei-Grad-Ziel verpasst würde und die globalen Temperaturen darüber hinaus steigen, würde man alle bekannten klimatologischen Bedingungen des jetzigen Erdzeitalters hinter sich lassen.

"Im Bezug auf den zukünftigen Klimawandel bedeutet das: Wenn es nicht gelingt, die CO2-Emissionen wesentlich zu senken, um gemäß des Paris-Protokolls die globale Erwärmung auf weit unter zwei Grad zu beschränken, dann wird das das Erdklima nicht nur von den bekannten nacheiszeitlichen Bedingungen des heutigen Holozäns abbringen, sondern das Klima wird auch aus den klimatischen Bedingungen der gesamten gegenwärtigen geologischen Periode gestoßen." Willeit, Ganopolski et al
Harald Lesch
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Prof. Harald Lesch: "Die Klimageschichte der Erde ist eine der interessantesten Geschichten, die es zu erzählen gibt."

Quellen: