Wissenschaftler der Humboldt-Universität Berlin haben herausgefunden, dass Ratten gerne Verstecken spielen -  mit Menschen.
Bildrechte: Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa

Wissenschaftler der Humboldt-Universität Berlin haben herausgefunden, dass Ratten gerne Verstecken spielen - mit Menschen.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Ratten spielen gerne Verstecken

Sich geschickt verstecken und die anderen schnell finden: Das ist spannend, aufregend und macht glücklich. Das Versteckspiel macht jedoch nicht nur Menschen Spaß. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass auch Ratten gerne Verstecken spielen.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Jeder kann sich an den Nervenkitzel erinnern, als einer laut zählte und man sich selbst möglichst schnell und leise ein Versteck gesucht hat: Wir drückten uns in die finstersten Ecken, quetschten uns in die kleinsten Spalten oder kletterten furchtlos irgendwo hinauf - um dann, gefühlt ewig, regungslos zu verharren, damit uns der Suchende nur ja nicht so schnell entdeckte. Wie stolz man war auf die richtig guten Verstecke! Und wie viel Spaß es gemacht hat, die anderen in ihrem Versteck zu überraschen!

Menschen und Ratten verstecken sich gerne

Menschen spielen einfach gerne Verstecken, weltweit gehört es zu den Klassikern unter den Kinderspielen. Damit sind wir jedoch nicht allein: Auch Ratten lernen das Spiel schnell, können in die Rolle des Suchenden und des sich Versteckenden schlüpfen - und finden offensichtlich ähnliche Freude daran wie wir. Das haben Wissenschaftler der Humboldt-Universität Berlin jetzt herausgefunden. Ihre Studie haben die Forscher des Bernstein Centers for Computational Neuroscience am 12. September 2019 im Fachmagazin "Science" veröffentlicht.

Ratten suchen menschliche Spielkameraden

Das klassische Versteckspiel gehört nicht zum natürlichen Ratten-Repertoire. Die Berliner Wissenschaftler brachten es den Nagern bei. In einem rund 30 Quadratmeter großen Raum übten sie mit sechs jugendlichen männlichen Ratten anhand von sieben Versteckmöglichkeiten, wie man sucht und sich versteckt. Hierfür setzten sie jeweils eine Ratte in eine Box mit ferngesteuertem Deckel. Zunächst versteckte sich der menschliche Spielkamerad. Sobald die Box geöffnet wurde, machte sich die Ratte auf die Suche nach dem Verborgenen. Die Wissenschaftler berichten, dass die Nager, begleitet von lautem Quietschen, bei den verschiedenen Versteckmöglichkeiten so lange nachschauten, bis sie ihren Spielpartner entdeckten. Hatte die Ratte den Versteckten gefunden, wurde sie mit einer kurzen Spielerei belohnt - zum Beispiel gekitzelt oder gestreichelt. Alle sechs Tiere hätten diese Spielvariante in ein bis zwei Wochen gelernt, berichten die Wissenschaftler.

dpa-Bildfunk
Bildrechte: dpa-Bildfunk
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Ratten lassen sich gerne kitzeln. Die Berliner Forscher um Michael Brecht kennen auch die kitzligsten Stellen der Nagetiere.

Ratten lernen, sich leise und clever zu verstecken

Im zweiten Teil des Versuchs sollte sich die Ratte verstecken. Dazu kauerte der menschliche Spielfreund geräuschlos neben der geöffneten Box. Die Forscher schreiben, dass das Tier dann heraussprang, diesmal ohne zu quieken absolut leise loslief, sich versteckte und ausharrte, bis es gefunden wurde. Die Ratte habe sogar ihren Unterschlupf mit Bedacht ausgesucht: Sie bevorzugte undurchsichtige vor durchsichtigen Verstecken. Fünf der sechs Ratten hätten gelernt, sich selbst zu verstecken und zwischen den Rollen zu wechseln.

"Aufgrund einer ganzen Reihe von Beobachtungen innerhalb unserer Studie haben wir den Eindruck, dass die Ratten spaßeshalber spielen." Michael Brecht, Wissenschaftler und Mitautor der Studie, Humboldt-Universität Berlin

Mit der Zeit werden Ratten zu strategischen Versteck-Spielern

Die Wissenschaftler können nicht ausschließen, dass die Tiere nur der Belohnung wegen spielen. Dennoch spreche vieles für ihre Hypothese - etwa das laute Rufen der Ratten beim Suchen oder ihr geschicktes Vorgehen beim Verstecken. "Wenn wir sie finden, sausen sie oft weg und verstecken sich nochmal an einem anderen Ort", berichtet Michael Brecht. Auf diese Weise zögern sie ihre Belohnung hinaus - für die Forscher ein weiteres Indiz dafür, dass die Ratten wegen des Spaßeffekts Verstecken spielen. Die Wissenschaftler schreiben, die Ratten hätten gelernt, die verschiedenen Rollen "höchst kompetent" zu übernehmen. Mit der Zeit seien die Tiere strategischere Spieler geworden: Sie gingen beim Suchen systematischer vor, achteten besser auf sichtbare Hinweise und untersuchten vorherige Verstecke ihrer Mitspieler genauer.

Tiere trainieren mit Spielen Sozialverhalten

Während des Spielens zeichneten die Forscher die Gehirnaktivität der Tiere auf. Sie konnten eine erhöhte Aktivität im präfrontalen Cortex der Ratten entdecken, die mit den verschiedenen Rollen variierte. Bei uns ist dieser Bereich im Gehirn für die soziale Wahrnehmung zuständig, er ermöglicht uns gedankliche Perspektivwechsel. "Tiere mit komplexen Sozialverhalten spielen in der Regel besonders viel", sagt Brecht. Bekannt ist, dass sich zum Beispiel Raubkatzen gegenseitig jagen, junge Affen gerne gemeinsam herumtollen und raufen und junge Erdmännchen gerne Fangen spielen. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass das Spielen eine Art Trainingsverhalten des Gehirns ist, um bestimmte Fähigkeiten zu erwerben oder zu verbessern.

Auch Hunde und Katzen können Suchen und Verstecken lernen

Im Gegensatz zu den einfacheren Spielen im Tierreich gibt es beim Verstecken jedoch einige Regeln. Die offensichtlich nicht nur Ratten, sondern auch andere Tiere verstehen, lernen und selbst anwenden können: Viele Haustierbesitzer berichten vom Versteckspiel mit ihren Hunden, Katzen, Vögeln und Nagetieren. Die Forscher der Humboldt-Universität Berlin vermuten deshalb, dass das Spiel seine Anfänge schon sehr früh in der Evolutionsgeschichte hat.