Adeliepinguine, die in der Antarktis von Pinguin-Kot umgeben sind.
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Adeliepinguine, die in der Antarktis von Pinguin-Kot umgeben sind.

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Pinguine und Robben kacken die Antarktis lebendig

Die Antarktis ist der kälteste und trockenste Kontinent der Erde. Und dennoch gibt es dort eine beeindruckende Artenvielfalt. Wo Pinguine und Robben ihr Geschäft erledigen, lebt die Antarktis auf.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Die Jahresdurchschnittstemperatur in der Antarktis beträgt -55 Grad Celsius. Nur in einigen Gebieten der Antarktischen Halbinsel steigen die Temperaturen im Sommer regelmäßig über den Gefrierpunkt. Das ewige Eis am Südpol ist nicht nur die kälteste, sondern aufgrund von fehlendem Niederschlag auch die trockenste Region der Welt. Doch wider Erwarten wimmelt es in der Eiswüste von Leben. Besonders viele Arten finden sich dort, wo sich Pinguine und Robben tummeln: Sie scheißen nämlich nicht nur alles zu, sie düngen höchst erfolgreich ihre Heimat. Das hat ein Team um Stef Bokhorst von der Universität Amsterdam herausgefunden und am 9. Mai 2019 in der Fachzeitschrift "Current Biology" veröffentlicht.

Heimat von Robben und Pinguinen in der Antarktis genauer untersucht

Die Forscher schauten sich auf der Antarktischen Halbinsel, die sich weit nach Norden Richtung Südamerika erstreckt, genauer um. Sie untersuchten Flächen, auf denen sich große Kolonien von Südlichen See-Elefanten (Mirounga leonina) und von drei Pinguin-Arten aufhielten: Adeliepinguine (Pygoscelis adeliae), Eselspinguine (Pygoscelis papua) und Zügelpinguine (Pygoscelis antarctica). In der Umgebung der Kolonien, in denen pro Quadratkilometer bis zu 230.000 Pinguine und bis zu 25.000 Robben lebten, analysierten die Wissenschaftler Böden, Pflanzen und Tiere.

Millionen kleiner Tiere auf einem Quadratmeter in der Antarktis

Noch mehr als tausend Meter von den Tieren entfernt fanden die niederländischen Forscher die positiven Effekte, die die Pinguine und Robben buchstäblich in der kargen Landschaft hinterlassen: Wo die Tiere ihr Geschäft erledigten, zeigte sich eine beeindruckende Artenvielfalt: Im Vergleich zu benachbarten Arealen konnte das Team in den dortigen Moosen und Flechten achtmal mehr wirbellose Tiere wie Springschwänze, Milben und Fadenwürmer identifizieren. "Man kann dort Millionen auf einem Quadratmeter finden", sagt Stef Bokhorst. "Auf Grasland in den USA oder in Europa sind es nur 50.000 bis 100.000 pro Quadratmeter."

Kot wird zur Lebensgrundlage für viele andere Arten

Zur Lebensgrundlage für Kleintiere wird die Kacke durch eine chemische Reaktion: "Wir sehen, dass der Kot von Robben und Pinguinen teilweise als Ammoniak verdunstet", erklärt Bokhorst. Das farblose, stechend riechende Gas entsteht, wenn stickstoffhaltige Stoffe aus Kot und Harn zersetzt werden. Weil Ammoniak leichter als Luft ist, steigt es nach oben. Umweltwissenschaftler Bokhorst erläutert, was dann passiert: "Das Ammoniak wird vom Wind ins Inland getragen, gelangt in den Boden und gibt den Stickstoff frei, den Lebewesen brauchen, um in dieser Landschaft zu überleben." Stickstoff ist ein zentraler Bestandteil von Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine.

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Der Südliche See-Elefant ist die größte Robbe der Welt.

Für die Artenvielfalt ist die Zahl der Scheißer entscheidend

Die Forscher fanden erhöhte Ammoniak-Werte in Gebieten, die bis zu 240-mal größer waren als die eigentlichen Kolonien. Sie gehen davon aus, dass die Zahl der sich erleichternden Tiere für den Artenreichtum entscheidender ist als die Temperatur oder die Verfügbarkeit von Wasser. Die Südlichen See-Elefanten sind die größte Robbenart weltweit. Sie können mehr als sechs Meter lang und drei Tonnen schwer werden. Ihre Häufchen fallen dementsprechend etwas größer aus. Auch Pinguine sind im Vergleich mit anderen Seevögeln relativ groß und scheiden viel Kot aus.

Kot-Studie vereinfacht künftige Prognosen zur Artenvielfalt

Den Forschern kann die Rechnung "viele Tiere = viel Kot = viele andere Pflanzen und Tiere" die Prognose für andere Teile der Antarktischen Halbinsel erleichtern. Ihr Plan: Die Tierkolonien über Satellitenbilder erfassen und daraus die Pflanzen- und Tiervielfalt in der Nähe kalkulieren. Laut der niederländischen Wissenschaftler kann das eine echte Alternative sein zur bisherigen mühevollen Feldforschung in der unwirtlichen Region.

Vogelkacke schützt das Eis vor dem Auftauen

Die Pinguin-Kacke könnte aber noch einen anderen Vorteil haben: Wissenschaftler aus den USA und Kanada haben 2016 in einer Studie über die Arktis herausgefunden, dass von Seevogel-Kolonien freigesetztes Ammoniak in der Luft Aerosole bildet, die groß genug sind, um die Wolkenbildung zu fördern. Die Forscher schlussfolgerten, dass die Wolken die Sonneneinstrahlung über dem Nordpol abschirmen und die Arktis dadurch etwas kühler halten. Die Arktis wie auch die Antarktis bekommen den Klimawandel schon länger zu spüren: die Temperaturen steigen, das Meereis schmilzt, der Permafrostboden taut auf.