Donauauwald bei Bruck an der Lechmündung.
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Auenzustandsbericht: Nur neun Prozent der Flussauen noch intakt

Rund zwei Drittel der Auen in Deutschland können ihrer Schutzfunktion bei Hochwasser nicht mehr nachkommen. Überhaupt sind nur noch neun Prozent der Flussauen intakt. Der Auenzustandsbericht 2021 zeigt, dass dringend mehr renaturiert werden muss.

Auen sind die natürlichen Überschwemmungsgebiete unserer Flüsse: Wenn das Wasser übertritt, fangen sie es auf und verhindern Schlimmeres. Wie es in Deutschland um die Flussauen bestellt ist, das zeigt der Auenzustandsbericht 2021, den das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz heute vorgestellt haben. Seine zentrale Botschaft lautet: Es gibt "dringenden Handlungsbedarf". Mehr als die Hälfte der Flussauen ist stark verändert: durch Flussbegradigungen, Deichbau und eine intensive Nutzung der Flächen nach ihrer Entwässerung. Zwei Drittel der Flussauen stehen bei Hochwasser nicht als Überschwemmungsflächen zur Verfügung. An den Strömen Rhein, Elbe, Oder und Donau sowie an den Flüssen Dosse, Ohre, Unstrut, Schwarzer Elster und den alpinen Zuflüssen der Donau gingen zum Beispiel mehr als 80 Prozent der so wichtigen Flächen verloren.

"Der Auenzustandsbericht zeigt, wie dringend es ist, Auen zu renaturieren und den Flüssen wieder mehr Raum zu geben." Svenja Schulze, Bundesumweltministerin

Flussauen sind Hochwasserschutz, Lebensraum, Filter und Naherholungsgebiet

Dabei ist gerade das Auffangen von Hochwasser eine der wichtigsten Funktionen, die Auen normalerweise erfüllen. Flussauen beherbergen jedoch auch viele seltene, oft bedrohte, Pflanzen und Tiere. Sie filtern Wasser, sorgen deshalb für sauberes Wasser in den Flüssen und für Trinkwasser. Außerdem bietet eine intakte Auenlandschaft einen hohen Freizeit- und Erholungswert.

"Naturnahe Flussauen sind in ihrer Bedeutung für die biologische Vielfalt so etwas wie eine 'moderne Arche Noah'." Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz

Nur noch neun Prozent der Auen sind weitgehend intakt

Verglichen mit dem ersten Auenzustandsbericht von 2009 hat sich bis heute nicht viel getan: Die meisten Auen in Deutschland sind so stark verändert, dass sie ihre ökologischen Funktionen nur unzureichend erfüllen können. Rund ein Drittel der überflutbaren Auen wird gerade für Acker-, Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbeflächen genutzt. Artenreiche Wiesen, Feuchtgebiete und Auwälder sind selten. Viele Flüsse sind begradigt und verbaut und kaum noch mit ihren Auen verbunden. An Rhein, Elbe, Oder und Donau sind mehr als zwei Drittel der ehemaligen Auen durch Deiche vom Fluss abgetrennt. Insgesamt zeigt der Auenzustandsbericht 2021, dass nur noch neun Prozent der Auen in Deutschland weitgehend intakt sind. Durch den Klimawandel steigt jedoch die Hochwasser-Gefahr. Überschwemmungen, die nicht von Flussauen abgemildert werden, können große wirtschaftliche Schäden anrichten.

"Auen sind wahre Alleskönner für den Umweltschutz. Insofern ist naturnahe Auenentwicklung Hochwasserschutz, Naturschutz und Klimaschutz zugleich. Damit leisten wir langfristig einen wichtigen Beitrag zum vorsorgenden Hochwasserschutz und zur Anpassung an den Klimawandel." Svenja Schulze, Bundesumweltministerin

Mehr als 200 Projekte zur Auenrenaturierung

Seit den 1980er-Jahren wurden deutschlandweit mehr als 200 Projekte zur Auenrenaturierung angestoßen. Allein seit dem Erscheinen des ersten Auenzustandsberichts 2009 waren es mehr als 80 Projekte, in den die Flusslandschaften renaturiert und Deiche abgetragen, zurückverlegt oder geschlitzt wurden, um die Auen wieder an die Flüsse anzubinden. Helfen sollen den Auen zum Beispiel das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“, das 2017 gestartet wurde: Entlang der Bundeswasserstraßen und ihrer Auen wird ein Biotopverbund entwickelt. Das „Förderprogramm Auen“ des Bundesumweltministeriums und des Bundesamts für Naturschutz unterstützt seit 2019 vor allem großflächige Renaturierungsprojekte an Flüssen und in deren Auen.

Ein kleiner Erfolg: 4.200 Hektar Auenfläche zurückerobert

Seit dem ersten Auenzustandsbericht 2009 konnten so rund 4.200 Hektar der wertvollen überflutbaren Auenflächen zurückgewonnen werden. "Aber das bundesweite Potenzial für die Wiederanbindung von Auenflächen ist erst zu einem kleinen Teil ausgeschöpft. Eine Trendwende kann nur mithilfe großflächiger, umfassender Maßnahmen erreicht werden", sagt Beate Jessel, die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz.

Ziel: Überflutungsflächen an Flüssen um zehn Prozent vergrößern

Wie der Auenzustandsbericht 2021 zeigt, reichen die bisherigen Bemühungen noch nicht aus, um die Situation der Auen deutschlandweit wirklich zu verbessern. Auch die Ziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, die natürlichen Überflutungsflächen an Flüssen um zehn Prozent zu vergrößern, werden bislang nicht erreicht. Den Flüssen mehr Raum zu geben und die naturnahen Auen zurückzugewinnen, bleibt eine wichtige Aufgabe - auch für künftige Generationen.

"Naturnahe Auen sind die Schatzkammern unserer Artenvielfalt und beherbergen viele national und europaweit gefährdete Lebensräume mit einer einzigartigen Vielfalt auentypischer Pflanzen und Tiere." Auenzustandsbericht 2021

Hintergrund: Die Auenzustandsberichte

Der Auenzustandsbericht 2021 ist der zweite seiner Art, der erste Auenzustandsbericht wurde 2009 veröffentlicht. Er dokumentiert den Zustand der Auen an Deutschlands Flüssen, den Verlust von Überschwemmungsflächen und den Stand der Auenrenaturierung. Für die Erhebung wurden die Auen von 79 großen Flüssen mit einer Gesamtlänge von 10.297 Flusskilometern untersucht. Sie umfassen eine Gesamtfläche von 16.185 Quadratkilometern, etwa 4,5 Prozent der Fläche Deutschlands.

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