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Hochwasserschutz Die Au und der Verbau

Die Natur braucht ab und zu Überschwemmungen: Sie schaffen neue Lebensräume. Früher wollte man die Hochwassergefahr durch Flussbegradigungen und Bodenversiegelungen bannen - vergebens.

Stand: 03.06.2016 | Archiv

Durchtrenntes Ökosystem: Ein Damm separiert den Fluss von der Au. | Bild: picture-alliance/dpa

Ein Fluss ist niemals nur ein Fluss. Zu seinem komplexen Ökosystem gehört auch die Auenlandschaft. Das isländische Wort für Fluss, á (gesprochen: au), erinnert noch an diese Einheit. Wenn es zu einem Hochwasser kommt, begeht die Natur keinen "Fehler" - im Gegenteil: Auen benötigen ab und zu Überschwemmungen.

Ohne Fluten weniger Weiden, Eichen und Ulmen, ohne Wiesentümpel keine Brachvögel. In Ursprungslandschaften schiebt Hochwasser große Mengen an Geröll talwärts, pflügt so die Landschaft regelmäßig um und sorgt für Lebensraumvielfalt. Es entstehen Kiesinseln, in dessen Ruhewasserzonen sich Jungfische und Kleintiere tummeln können. In neuen Sand- und Schlammbänken fühlen sich Muscheln und Insekten wohl.

Die nassen Massen verweilen lassen

Die Natur braucht ab und zu Überschwemmungen: Sie schaffen neue Lebensräume.

Die ursprünglichen Überschwemmungsgebiete sind bei Hochwasser eine Art Pufferzone. Sie wirken wie natürliche Rückhalteflächen für die nassen Massen. Die Zusatzmengen können in der Au verweilen, bis sie langsam abgeflossen oder in den Boden gesickert sind - und Siedlungen bleiben so in der Regel verschont.

Die Natur hat also durchaus ihr eigenes Regulativ, wenn die Unwetter mal über die Stränge schlagen. Man hat das inzwischen längst erkannt: Das deutsche Wasserhaushaltsgesetz schreibt vor, dass Überschwemmungsgebiete zu erhalten oder - falls verbaut - wiederherzustellen sind. Letzteres stößt in der Praxis jedoch oft auf Widerstand.

Auch eine Frage der Ästhetik

Attraktive Kurven: die naturbelassene Isen bei Dorfen. Bald wird eine Autobahn das Flusstal durchschneiden.

Auch der Mensch profitiert von Überschwemmungen oder anders ausgedrückt: von der Dynamik unterschiedlicher Wasserstände eines Flusses. Sie sorgt nämlich für Bewegung im Grundwasser und sichert sowohl die Qualität des Trinkwassers als auch die Fruchtbarkeit von Böden. Nicht zuletzt hängt von der Verlaufsform des Gewässers sein Erholungswert ab. An kanalartig zubetonierten Uferlinien hält er sich in Grenzen.

Zurück zum Auwald

Zum natürlichen Hochwasserschutz ist man an der Donau zwischen Neuburg und Ingolstadt zurückgekehrt: die Wiederbelebung des ausgetrockneten Auwalds in diesem Abschnitt. Zwei- bis dreimal pro Jahr flutet man Donauwasser in ein verzweigtes System von Bächen und Kanälen. Das Biotop kann so wieder seine typische Auwald-Flora und -Fauna mit Spechtern, Bibern, Libellen oder Hirschkäfern sowie Veilchen, Märzenbecher oder Silberweide zurückerhalten. Das vom bayerischen Staat geförderte Projekt kostete 13 Millionen Euro.

Der Verbau

Tummeln sich gern an Wiesentümpeln: Brachvögel wie der Kiebitz.

Neuburg ist das Gegenmodell dazu, wie früher mit Auwäldern umgegangen wurde, als man das Ökosystem zerstörte, indem man die Au vom Fluss abtrennte und ihr das Wasser-Rückhaltevermögen nahm. Auch heute ist das oft noch die Regel. Vor allem im 19. Jahrhundert, als die Schifffahrt ein immer größerer Wirtschaftsfaktor wurde, begradigte man Flüsse in großem Stil - und durch Dämme und Deiche schnitt man sie von der Auenlandschaft ab.

Flüsse begradigt, Boden versiegelt ...

Der Natur quasi Fehler unterstellend, nannte man das Ausrichten der Gewässer am Lineal einst "Flusskorrekturen". Sie dienten auch dazu, Siedlungsflächen für die wachsende Bevölkerung oder Ackerbaugebiete zu gewinnen. Aus ehemaligen Überschwemmungsgebieten wurde Baugrund für Wohn- oder Gewerbegebiete sowie Infrastruktur. "Bodenversiegelung" heißt diese Art Umwandlung von grüner Landschaft in der Fachsprache. Ganze Ökosysteme verschwanden dabei, manche Flüsse verloren bis zu 80 Prozent ihrer Auenlandschaft, was auch die Existenz so mancher Tier- und Pflanzenart bedrohte.

... die Hochwassergefahr blieb

Begradigte Flüsse haben aber - neben einem geringeren ästhetischen Wert - den Nachteil, weniger Wassermengen führen zu können. Die großräumige Versiegelung bewirkte außerdem, dass weniger Wasser in den Boden sickern kann. Ein ähnlicher Effekt ergab sich durch den später aufkommende Intensiv-Ackerbau mit schwerem Landwirtschaftsgerät, durch den sich die Böden immer mehr verdichteten. Ein Übriges bewirkten Maßnahmen der Flurbereinigung: Dadurch verschwanden viele Hecken, natürliche Terrassen, Senken oder kleine Hügel - alles bremsende Elemente bei Überschwemmungen.

Dauerregen durch Fünf-b-Wetterlage

Abflussbeschleunigung und Bodenverdichtung steigern jedoch die Hochwassergefahr - gerade auch in Bayern, wo nicht selten eine sogenannte Fünf-b-Wetterlage herrscht: Ein Mittelmeer-Tief wird über die Alpen transportiert. Nördlich des Gebirgszuges setzen sich die feucht-warmen Luftmassen fest und kollidieren mit kalter Polarluft. Im Luv, der Wind abgewandten Alpenseite, können die Regenwolken nicht abziehen und es gießt tagelang in Strömen - wie 1999, 2002 und 2005.

Jahrhundert-Hochwasser

Bei einem "Jahrhundert-Hochwasser" erreicht ein Gewässer eine Pegelhöhe, die im statistischen Mittel einmal in 100 Jahren erreicht oder überschritten wird. Dementsprechend spricht man auch von einem 50- oder 200-jährigen Hochwasser etc. Diese Marken dienen als Maßstab für die Intensität der Schutzmaßnahmen. Die traditionell flutgeplagten Niederlande richteten sich stellenweise sogar für ein 1.250-jähriges Hochwasser ein.

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