Familie Neubauer bei der Weinlese auf ihren Weinbergen bei Wiesenbronn.
Bildrechte: BR/Bewegte Zeiten Filmproduktion GmbH/Alica Reisner

Schlechte Zeiten für den Weinbau: Vor allem minderwertige Weine werden vermehrt zu Industriealkohol umgewandelt.

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Weinkonsum sinkt: Erste Winzer in der "Krisendestillation"

Sinkender Weinverkauf und zu große Anbauflächen führen in einigen europäischen Gebieten zur Herstellung von Industriealkohol aus Wein. Die EU stellt dafür 100 Millionen Euro zur Verfügung.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Akzeptanz von Alkohol und Weinkonsum geht zurück – sowohl privat als auch in der Gesellschaft. Nach alkoholfreiem Bier kommt jetzt auch entalkoholisierter Wein und Secco wie aus Franken vermehrt in den Handel. Weil es der Zielgruppe schmeckt und vielleicht auch, weil es gesünder ist.

Dass die Deutschen weniger Bier trinken, ist seit langem bekannt. Noch viel stärker ist zuletzt aber der Weinkonsum zurückgegangen. Auch Winzer in Franken sind davon betroffen. So ist die Stimmung getrübt auf der großen Branchenmesse Pro Wein, die am Wochenende in Düsseldorf beginnt.

Europaweiter Rückgang im Weinkonsum belegt allgemeinen Trend

Wenn in Deutschland pro Kopf eine Flasche Wein weniger im Jahr getrunken wird, bekommen das auch die heimischen Winzer deutlich zu spüren. Gerade in traditionellen Weinregionen, wie im westlichen Franken, wird das meiste direkt vor Ort und auch regional vermarktet. Das ist gut für die Weinbaubetriebe, weil sie damit höhere Preise erzielen als über Großhändler und weitverzweigte Vertriebsnetze.

Gründe: Demografische Entwicklung und Ernährungstrends

Woran liegt es, dass nicht nur in Franken und Deutschland, sondern in ganz Europa offenbar weniger getrunken wird? Woher kommt dieser Megatrend? Das Deutsche Weininstitut macht dafür den demografischen Wandel und ein verändertes Konsumverhalten verantwortlich.

So vertragen ältere Menschen weniger Alkohol, schon aus physischen und gesundheitlichen Gründen. Mit einer zunehmend älteren Bevölkerung zeigt dieses Phänomen offenbar EU-weit seine Wirkung. Und auf der anderen Seite ändert sich der Lifestyle. Aus diesem Grund trinken jüngere Generationen nicht mehr so viel wie früher. Man denke nur an vegane Restaurants, in denen oft gar kein Alkohol ausgeschenkt wird. Stabil war in Deutschland zuletzt nur der Absatz von Biowein, der bei den Winzern allerdings nur einen Marktanteil von vier Prozent hat.

Trockene Qualitätsweine weniger betroffen

Fränkische Winzer haben das erkannt und wollen vermehrt alkoholfreien Wein und Secco anbieten. Weißweine wie der Silvaner aus Franken vermarkten sich vergleichsweise gut. Schwieriger ist es mit deutschem Rotwein wie etwa dem Württemberger Trollinger, der häufig aufgezuckert wird. Das fehlende Mostgewicht aus dem natürlichen Zucker der Trauben wird mit zusätzlichem Traubensaft oder Flüssigzucker ergänzt, der erst beim Herstellungsprozess zugefügt wird.

So etwas haben fränkische Winzer nicht nötig, schon gar nicht, wenn sie ihren Wein trocken ausbauen. In Württemberg wird das aber traditionell beim Trollinger im großen Stil gemacht.

"Krisendestillation" der EU als letztes Mittel für unverkäuflichen Wein

So haben Winzer aus Württemberg (wohlgemerkt nicht aus Baden) für einen Teil ihrer Rotweine 2023 erstmals EU-Gelder zur sogenannten Krisendestillation beantragt. Unverkäuflicher Wein wird dabei zu Industriealkohol verarbeitet. In der gesamten EU wurden dafür von Brüssel im letzten Jahr mehr als 100 Millionen Euro an Agrarsubventionen bereitgestellt. Profitiert haben davon bisher vor allem französische Winzer sowie Betriebe in Portugal und in Italien.

Es geht dabei nicht nur um minderwertige Tafelweine. Im wohl berühmtesten Weinbaugebiet der Welt, dem Bordeaux, stimmen vielfach die klimatischen Bedingungen nicht mehr, um mit den klassischen Rebsorten an Ort und Stelle die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Es ist teilweise zu warm und zu trocken.

Europaweit zu viel Weinbau?

Im größten deutschen Weinbaugebiet Rheinhessen mit mehr als der Hälfte der gesamten deutschen Rebfläche würden Winzer gerodete Rebflächen gern bis zu sechs Jahre stilllegen dürfen. Bisher muss spätestens nach drei Jahren dort wieder Wein angepflanzt werden. In Frankreich zahlt der Staat dagegen Stilllegungsprämien, wenn Rebflächen für immer verschwinden. An eine solche Praxis wird vereinzelt auch in Deutschland gedacht.

Andererseits kommt der Klimawandel mit den höheren Temperaturen einigen deutschen Betrieben zugute. Bisher fehlende Reifegrade bei Rebsorten, die vorher bei uns nicht heimisch waren, zeigen, dass der Wein aus Deutschland noch eine Menge Potenzial hat bei Qualität und Vielfalt. Er muss allerdings dann auch getrunken werden.

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