Abgase aus einem Auto.
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Gut 500 Automobilzulieferer sind in der Metropolregion Nürnberg ansässig. Sie alle beschäftigt der Umbau der Branche – weg vom Verbrennermotor.

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Weg vom Verbrenner: Wie sich Automobilzulieferer neu aufstellen

Gut 500 Automobilzulieferer sind in der Metropolregion Nürnberg ansässig. Sie alle beschäftigt der Umbau der Branche – weg vom Verbrennermotor, hin zur Elektromobilität. Das Ergebnis einer IHK-Studie: Da ist noch Luft nach oben.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Die modernen Webstühle brummen in der Werkshalle. Eine Spule nach der nächsten füllt sich – mit schwarzem, grauem oder orangefarbenem Garn. Produziert werden textile Schutzhüllen für Kabelbäume, die weltweit zum Einsatz kommen. Auch bei E- und Hybridfahrzeugen. Das Unternehmen Iprotex in Münchberg im Landkreis Hof hat sich wie viele andere auf den Weg gemacht – weg vom Verbrennermotor, hin zu neuen Geschäftsfeldern.

Unabhängigkeit durch Diversifikation

Vor knapp 25 Jahren hat Geschäftsführer Timo Piwonski das Unternehmen als Garagenfirma gegründet. Seit 2017 setzt er am Stammsitz Münchberg verstärkt auf Diversifikation, also auf neue Produkte und Märkte, um unabhängiger von der Automobilbranche zu werden. Derzeit sind die Produkte des Unternehmens am Stammsitz in Münchberg zu 75 Prozent auf die Automobilbranche ausgerichtet – vor ein paar Jahren waren es noch 80 Prozent. In den ausländischen Standorten liegt die Quote allerdings fast überall noch bei 100 Prozent. Das Ziel, unabhängig von der Autobranche zu werden, habe sein Unternehmen daher "deutlich verfehlt", sagt Piwonski.

Der Grund: Der Kampf gegen die vielen Probleme der Branche bindet viel Energie. Darunter Ausfälle in den Lieferketten, steigende Löhne und höhere Energie- und Rohstoffkosten. "Dazu kommt noch die schlechtere Kauflaune und der schwächelnde Export. Und natürlich das Weltgeschehen", so der Geschäftsführer. "Die Nebengeräusche übertönen das Tagesgeschäft", sagt Piwonski. Es sei der denkbar schlechteste Zeitpunkt für die von der Politik angestrebte Transformation.

Denn in zwölf Jahren soll Schluss sein für Neuwagen mit Benzin oder Diesel betriebenem Verbrennermotor. Ab dem Jahr 2035 sollen in der EU nur noch solche Neuwagen mit Verbrennermotor zugelassen werden, die beim Fahren kein CO₂ mehr freisetzen. Darauf hat sich der EU-Umweltrat verständigt. Damit dürfte dann auch Schluss für die Zulieferung Verbrenner-spezifischer Bestandteile – auch aus Münchberg. "Da hat man schon Sorgenfalten als Unternehmer", so Piwonski.

Erschließung neuer Märkte braucht Zeit

Die Produktpalette ist bereits vielfältig bei dem oberfränkischen Unternehmen. Neben Automobilzubehör werden hier Stoffe für Schutzkleidung bei Polizei und Feuerwehr produziert, ebenso "flexible Fahrradschlösser" – selbst für den Weltraum werden hier Stoffe gewebt. Um neue Märkte zu erschließen, müsse man gut acht Jahre einplanen, so Timo Piwonski. Das sei immer mit einem enormen Kraftaufwand verbunden. Auch die rund 650 Mitarbeiter, die das mittelständische Unternehmen weltweit hat, müssen bei den Veränderungsprozessen immer wieder miteinbezogen werden.

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Die Webstühle brummen in der Werkshalle. Eine Spule nach der nächsten füllt sich – mit schwarzem, grauem oder orangefarbenem Garn.

Das oberfränkische Unternehmen steht mit seinen Sorgen nicht allein da: Rund 100.000 Beschäftigte der Automobilzulieferer der Europäischen Metropolregion Nürnberg (EMN) stehen aktuell vor der Herausforderung der Transformation in Richtung neuer Antriebe. Eine aktuelle Studie, die die Industrie- und Handelskammer Mittelfranken (IHK) in Auftrag gegeben hat, zeigt aber: Die Transformation zur Elektromobilität kommt bereits voran, viele Betriebe entwickeln zukunftsfähige Geschäftsmodelle für die Elektromobilität. Auch neue Angebote für andere Branchen nehmen zu. Aber, es ist noch Luft nach oben.

Schwerpunkte der Autozulieferer verschieben sich

78 Unternehmen haben sich an einer entsprechenden IHK-Umfrage beteiligt. An ihr lässt sich ablesen, dass sich in den vergangenen drei Jahren die Schwerpunkte der Autozulieferer deutlich verschoben haben. Waren es 2020 noch 72 Prozent der Unternehmen, die hauptsächlich Teile und Komponenten für klassische Antriebstechniken zulieferten, waren es zwei Jahre später nur noch knapp 67 Prozent. 2024 sollen es gar nur noch 57 Prozent sein.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Rund 50 Prozent der Unternehmen sind so gut aufgestellt, dass sie die Transformation in den kommenden Jahren aus eigener Kraft schaffen können. "Das heißt aber auch, dass die anderen 50 Prozent der Unternehmen Unterstützung brauchen. Da versuchen wir mit unseren Netzwerken anzusetzen", so Ronald Künneth, Automotive-Experte der IHK Nürnberg und Koordinator der Studie.

Optimistischer Blick in die Zukunft

Sich breit aufstellen, das hat auch das Unternehmen Suspa im mittelfränkischen Altdorf bereits gelernt. 15.000 Gasfedern laufen hier täglich vom Band. 50 Prozent davon gehen an Autohersteller. Der Rest findet sich beispielsweise in Gepäckklappen von Flugzeugen, in Möbeln oder Waschmaschinen. Ein krisenfestes Geschäftsmodell, sagt Gold. Da sein Unternehmen in Zeiten der Coronapandemie und auch in den aktuellen Krisen und Preisschwankungen nicht nur von einem Markt und einer Branche abhängig ist.

Geschäftsführer Oliver Gold hat für die Zukunft außerdem das Thema Solar im Blick. "Wir haben neue Dämpfer entwickelt, die im Bereich Solarpanels für die Verfolgungssysteme, diese sogenannten Solartracker, im Einsatz sind, wo wir sehr erfolgreich in die Zukunft blicken", so Gold. Solartracker passen die Ausrichtung der Solarmodule permanent an den Sonnenstand an und sorgen auf diese Weise für einen optimalen Ertrag.

Das Beispiel zeigt: Es wird ein hohes Maß an Flexibilität und Zeit brauchen, damit die fränkischen Unternehmen ihre Abhängigkeit vom Verbrennermotor beenden können. Vielerorts wird entscheidend sein, ob ihnen diese Zeit noch bleibt.

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