Ältere Menschen sitzen auf einer Bank.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Martin Schutt

Soziale Isolation, Einsamkeit? In Oberhaid im Landkreis Bamberg tut man dank einer Stiftung etwas dagegen.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Einsame sterben früher: Was der "Seniorenkümmerer" dagegen tut

Fehlender Kontakt zu Familie, Freunden und Bekannten erhöht das Sterberisiko um knapp 40 Prozent. Das zeigt eine aktuelle Studie. Im Landkreis Bamberg geht man gegen die Einsamkeit vor: Der "Seniorenkümmerer" bringt die Menschen aus dem Ort zusammen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau am .

Wer allein lebt oder sich grundsätzlich einsam fühlt, ist nicht nur weniger zufrieden mit seinem Leben, sondern hat im Schnitt auch eine geringere Lebenserwartung. Das hat eine Studie an der Universität Glasgow zuletzt bestätigt. Im Umkehrschluss gilt aber auch: Soziale Kontakte senken das Sterberisiko. Die Studie zeigt: Wer auch nur einmal in der Woche an einem Treffen teilnimmt, senkt das Risiko, frühzeitig zu sterben, spürbar. In Oberhaid im Landkreis Bamberg sorgt ein Helferkreis dafür, dass solche Treffen für einsame Senioren regelmäßig stattfinden.

Mittagstisch in Oberhaid gegen die Einsamkeit

Der Klassenraum der alten Schule in Oberhaid steht um 12 Uhr normalerweise leer - doch an diesem Mittwoch im November ist er proppenvoll. 40 Seniorinnen und Senioren, die meisten von ihnen weit über 80, sitzen an langen Tischen. Die Stimmung ist gelöst, überall wird geplaudert. Der Mittwoch ist ein besonderer Tag in der oberfränkischen Gemeinde. Denn an diesem Tag laden Hilmar Wedler und seine ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer zum Mittagstisch. Für viele der Gäste ist dieser Termin das Highlight der Woche.

Seniorenarbeit finanziert sich durch Stiftung

Die Tische sind liebevoll gedeckt und dekoriert. Alles soll passen, wenn die Seniorinnen und Senioren zum Essen kommen. Dass sie sich willkommen fühlen, ist Hilmar Wedler und seinem Team wichtig. Der 57-Jährige ist seit 13 Jahren fest bei der Maria-Betz-Stiftung angestellt. Ohne die Namensgeberin gäbe es keinen Mittagstisch in Oberhaid. Maria Betz war eine wohlhabende, kinderlose Landwirtin. Ihr Vermögen, so verfügte sie, solle nach ihrem Tod den Alten in der Heimatgemeinde zugutekommen. Mittlerweile findet die ganze Woche über ein abwechslungsreiches Programm statt: vom Spielenachmittag über den Mittagstisch bis zum gemeinsamen Thermenbesuch.

Auch die Ehrenamtlichen sind Senioren

Mit den Jahren hat sich ein zuverlässiger Helferkreis um den Seniorenkümmerer gebildet. Die meisten der rund 80 Aktiven sind bereits selbst im Ruhestand, aber topfit. Sie engagieren sich beim Aufbau, in der Küche, übernehmen Fahrdienste und Einkäufe. Robert Stark kurvt heute mit dem Bürgerbus durch den Ort, um Gäste für den Mittagstisch einzusammeln. Die Ehefrau ist noch berufstätig, der Rentner möchte seine freie Zeit daheim sinnvoll nutzen.

"Eigentlich wollte ich nur mal vorbeikommen und mir das Mittagessen anschauen, was da gemacht wird. Aber der Hilmar hat gesagt, eigentlich bin ich dafür viel zu jung, um da mitzuessen. Ich soll mal lieber was machen. Seitdem fahre ich die Senioren, meist in Staffelbach." Robert Stark

Seniorentreffen in Oberhaid: Ein Menü für sechs Euro

Sechs Euro kostet das Essen mit Suppe, Hauptgang und Salat – wenn die Rente nicht einmal dafür reicht, springt die Stiftung ein. Niemand, der dabei sein möchte, soll ausgeschlossen werden. Hilmar Wedler organisiert alles: Er koordiniert die Helferinnen und Helfer, plant Veranstaltungen, erledigt die anfallende Büroarbeit. Der Oberfranke hat gut zu tun. 30 Stunden ist der Seniorenkümmerer pro Woche offiziell im Einsatz, finanziert durch die Stiftung und einen Zuschuss der Gemeinde. Braucht ihn jemand im Ort außerhalb der Geschäftszeiten, eilt er selbst zu Hilfe oder vermittelt seine Ehrenamtlichen.

Oft erkundigen sich andere Ortschaften, warum es hier so gut funktioniert, erzählt Hilmar Wedler stolz. Der Seniorenkümmerer weiß, dass sie das alles nur im Team schaffen können.

"Wenn ein jeder was dazu tun würde und umsichtig wäre in der Nachbarschaft, dann gäbe es vielleicht nicht so viele Menschen in Heimen oder Hilfsbedürftige oder Einsame." Hilmar Wedler

Jeder hat im hohen Alter sein Päckchen zu tragen. Ob Krankheit, Kummer oder Einsamkeit – beim Mittagstisch sollen sie alle ihre Sorgen kurz vergessen können. Das Zusammensein tut ihnen gut. Nach dem Essen bringen die Fahrerinnen und Fahrer ihre Gäste wieder heim – mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.

Studie zur Einsamkeit: Millionen Datensätze analysiert

Welche Auswirkungen unterschiedliche Arten von sozialer Interaktion auf das Sterberisiko haben und was ein gutes soziales Netz möglicherweise auch auffangen könnte, das war bisher weniger gut erforscht. Hamish Foster, Mediziner und Studienleiter an der Universität in Glasgow, hat mit seinem Team eine knappe halbe Million Datensätze aus Großbritannien analysiert, Befragungen durchgeführt und Sterberegister eingesehen.

Untersucht wurde unter anderem, ob ein Mensch wenigstens eine Vertrauensperson in seinem Leben hat, ob er an regelmäßigen Gruppenaktivitäten teilnimmt und wie oft er Besuch bekommt.

Ein Besuch pro Monat verringert das Sterberisiko deutlich

Über zwölf Jahre nach den Befragungen zeigen jetzt die Ergebnisse: Jeder einzelne Faktor hat Auswirkungen auf das Sterberisiko, wenn auch in unterschiedlich großem Maße: Beispielsweise gab es mit 39 Prozent ein besonders stark erhöhtes Sterberisiko bei Personen, die angegeben hatten, nie Besuch zu bekommen. Umgekehrt zeigten sich aber auch schützende Faktoren: Bereits ein Besuch pro Monat von Freunden oder Familie verringerte das Sterberisiko statistisch signifikant.

Laut Hamish Foster könnten die Ergebnisse dazu beitragen, rechtzeitig Menschen zu identifizieren, die aufgrund von sozialer Isolation besondere Unterstützung brauchen.

Im Audio: Fehlender Kontakt erhöht das Sterberisiko um knapp 40 Prozent

Ein Mann sitzt einsam auf einer Parkbank.
Bildrechte: BR/Julia Müller
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Fehlender Kontakt zu Familie, Freunden und Bekannten erhöht das Sterberisiko um knapp 40 Prozent.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!