Ein junger Mensch sitzt niedergeschlagen auf einem Stuhl.
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Psychisch krank in der Arbeit: Das sind die Ursachen

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Psychisch krank in der Arbeit: Zahlen, Ursachen und Hilfen

Immer mehr Menschen in Bayern fallen in der Arbeit wegen psychischer Erkrankungen aus. Die häufigste Diagnose: Depressionen. Risikofaktoren sind viele Job- und Wohnortwechsel, Teilzeit und befristete Anstellungen. Was präventiv getan werden kann.

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Von den 7,8 Millionen Beschäftigten im Freistaat ist jede dritte Erwerbsperson von einer psychischen Diagnose betroffen – also etwa 2,6 Millionen Menschen. Bei sechs Prozent von ihnen führt so eine psychische Erkrankung dann auch zur Arbeitsunfähigkeit. 470.000 Menschen sind somit mindestens einmal im Jahr deswegen krankgeschrieben. Und das überdurchschnittlich lang: durchschnittlich sechs Wochen. Das hat eine gerade vorgelegte Auswertung der Krankenkasse Barmer Bayern für den Gesundheitsreport 2023 ergeben.

"Wir beobachten diese Entwicklung mit großer Sorge", sagt Alfred Kindshofer, Landesgeschäftsführer der Barmer in Bayern. "Auch wegen der langen Ausfallzeiten, die andere Mitarbeiter abfedern müssen." Er spricht von einer riesigen Herausforderung für die Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels. Wichtig seien daher Prävention und Risikoanalyse.

  • Fehltage wegen psychischer Krankheiten in Bayern auf Höchststand

Frauen leiden häufiger an psychischen Erkrankungen

Je länger Menschen an einem Wohnort bleiben und je langfristiger sie ihrem Arbeitsplatz treu bleiben, desto geringer ist das Risiko, psychisch zu erkranken. Positiv wirken sich auch eine Festanstellung und Vollzeitarbeit aus, während Zeitarbeit und Teilzeit im Vergleich dazu öfter negativere Folgen haben.

Auch Geschlecht, Alter, Bildung und Beruf spielen eine Rolle. Frauen sind häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als Männer. 39 Prozent der weiblichen Beschäftigten in Bayern erhielten eine psychische Diagnose, bei den männlichen Beschäftigten sind es 28 Prozent. Im Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit zu. Am meisten betroffen sind wiederum Frauen. In der Altersgruppe zwischen 60 und 64 Jahren ist fast jede zweite Beschäftigte psychisch erkrankt.

Aber auch bei jüngeren Menschen nehmen die Probleme zu. Rund 27 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 15 und 29 Jahren sind von einer psychischen Diagnose betroffen. Auch hier werden aber natürlich nicht alle gleich krankgeschrieben. Auffällig ist jedoch, dass diese Altersgruppe öfter als andere wegen psychischer Leiden im Krankenhaus behandelt werden müssen. Jungen Menschen scheinen die Krisen der vergangenen Jahre, sei es Corona oder kriegerische Konflikte, besonders zuzusetzen.

Pflegeberufe besonders häufig psychisch belastet

Vor allem Beschäftigte in medizinischen und sozialen Berufen wie Kranken- oder Altenpfleger haben deutlich mehr Fehltage. Auch Mitarbeiter in Callcentern laufen stärker Gefahr, seelisch zu leiden. Schaut man sich die Schulabschlüsse an, zeigt sich, dass Menschen mit Mittlerer Reife am stärksten betroffen sind von psychischen Erkrankungen. Wer Abitur hat, ist seltener arbeitsunfähig.

Insgesamt kann der Gesundheitsreport jedoch nur Risiken benennen und die Daten von 530.000 Versicherten in Bayern anonym und sicher auswerten, aber nicht die Ursachen benennen. Dabei zeigt sich, dass Bayern bei der Häufigkeit psychischer Diagnosen noch unter dem Bundesdurchschnitt liegt.

Gesundheitsmanagement in Unternehmen immer wichtiger

Es gilt Warnsignale frühzeitig zu erkennen und Risiken zu minimieren. Die Barmer und andere Kassen bieten Unternehmen beispielsweise beim Gesundheitsmanagement eine Zusammenarbeit an. Viele Firmen zögern allerdings noch. Doch es gibt auch positive Beispiele, die das Thema enttabuisieren wollen.

Die Schaeffler AG etwa macht ihren 83.000 Mitarbeitenden weltweit immer mehr Angebote für die mentale Gesundheit. Infoveranstaltungen, Sozialberatung oder eine spezielle App im Intranet sollen beim Autozulieferer aufklären. "Wir sind auf einem guten Weg der Entstigmatisierung", sagt Anja Buschner, Leiterin Gesundheitsmanagement bei Schaeffler. Man sehe zwar, dass die Zahlen im Bereich der psychischen Ausfallzeiten nach oben gingen. "Was aber gleichsam eine erfreuliche Entwicklung ist, weil Diagnosen werden gestellt, erkannt und Mitarbeitenden kann schnell geholfen werden."

Aufgrund des Wandels vom Verbrennungs- zum E-Motor steht das börsennotierte Familienunternehmen unter Druck. Beide Märkte müssen bedient werden. Will die Firma überleben, muss sie innovativ sein. Die Arbeitsverdichtung nimmt zu. "Natürlich sind wir nicht soweit, dass jeder über eine psychische Erkrankung so frei redet wie über Grippe oder Kreuzschmerzen. Aber die Mitarbeitenden haben erkannt, dass hinter Tinnitus oder Magenschmerzen auch noch etwas anderes stecken kann", sagt Anja Buschner.

Stil von Führungskräfte wirkt sich auf Mitarbeiter aus

Die Schlüsselrolle spielen die Führungskräfte. Sie werden eigens geschult, um rechtzeitig psychische Probleme zu erkennen und mit den Mitarbeitern darüber zu sprechen. Ihr Stil wirkt sich maßgeblich auf das Wohlbefinden der Belegschaft aus, so die Barmer-Gesundheitsexperten.

Auch die digitale Arbeitswelt steht im Fokus. Während man früher zu einem Meeting noch laufen musste und sich wenigstens etwas bewegen konnte, drückt man heute nur auf das Knöpfchen und schon startet die nächste Sitzung. Auch hier gilt es bewusst, Pausen zu setzen und die Arbeitszeiten neu zu justieren.

Mentale Gesundheitsvorsorge bereits bei Azubis

Prävention geht bereits bei den über 300 Auszubildenden am Schaeffler-Standort in Herzogenaurach los. Zumindest einmal die Woche wird in der Arbeitszeit ein Fitnessprogramm angeboten, der Bodymaßindex gemessen und in Gesprächen Bewusstsein für mentale Gesundheitsvorsorge wie Atem- oder Konzentrationsübungen geschaffen.

Angstgefühle oder Depressionen können das Leben der Mitarbeitenden beruflich und privat aus dem Lot bringen. Umso wichtiger, dass sich immer mehr Unternehmen um die Gesundheit der Beschäftigten kümmern.

Wo können sich Betroffene oder Angehörige Hilfe holen?

Hilfe bei psychischen Erkrankungen gibt es unter anderem beim Hausarzt, in Beratungsstellen vor Ort, in den Ambulanzen der psychiatrischen Kliniken oder auch unter folgenden Adressen:

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