Frustrierter Mann vor Computer
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Was Apps und Chatbots bei Depressionen leisten können (Symbolbild)

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Depressionen, Angststörungen – Was Apps und Chatbots leisten

Viele Menschen leiden unter psychischen Erkrankungen und sind dringend auf Unterstützung angewiesen. Problem: lange Wartelisten, etwa bei Psychotherapeuten. Inzwischen gibt es aber viele Programme, die Hilfe bieten – wobei nicht alle gut sind.

Über dieses Thema berichtet: Das Gesundheitsmagazin am .

Psychologische Erkrankungen schleichen sich manchmal eher unauffällig ein. Bei Nicole Lindner, Sozialpädagogin und Autorin, ging es vor gut zehn Jahren mit Migräne-Attacken los. Bei einem Arztbesuch kam dann die Diagnose: Depressionen. Eine solche klare Einordnung ist der erste Schritt, um die Krankheit angehen zu können.

Lindner hatte Schlafprobleme, kam morgens nicht aus dem Bett und fühlte sich wie mit einem Bleimantel auf die Matratze gedrückt, wie sie erzählt. Dazu kamen Gedankenspiralen mit Selbstzweifeln und völliger Antriebslosigkeit. Der Arzt schlug ihr vor, das Online-Programm Deprexis auszuprobieren, um aus solchen Situationen besser herauszukommen. Die Software wurde von Lindners Krankenkasse für gut befunden und sie bekam gegen ihr Rezept einen Freischaltcode zugeschickt.

Sinnvoll ist, wenn Software auf Psychotherapie basiert

Deprexis ist nur eine Software von vielen, die alle versprechen, bei Depressionen und Angststörungen zu helfen. Andere heißen zum Beispiel Get.On oder Moodgym. Alle drei wurden von der Stiftung Warentest 2019 als empfehlenswert eingestuft. Manche Angebote gibt es als Programm für den PC, andere laufen als App, damit man auch unterwegs Unterstützung bekommt. Gunnar Schwan, Psychologe und Experte bei der Stiftung Warentest, hat den Markt untersucht. Um ein wenig Struktur in das breit gefächerte Angebot zu bringen, unterscheidet er nach den Therapieschulen, die hinter Apps oder Programmen stehen.

Methoden aus der Psychotherapie, wie die kognitive Verhaltenstherapie, eigenen sich seiner Ansicht nach oft am besten für Programme. Dagegen ist Schwan eher skeptisch gegenüber Software, die freiere, psychoanalytische Verfahren anwendet, wo es viel um das persönliche Gespräch geht. Hier gibt es einige Angebote auf Basis von Chatbots.

Wie läuft eine digitale Therapie ab?

Das Programm von Nicole Lindner zählt zur ersten Gruppe, bedient sich also einer klar strukturierten Methode. Dabei lernt man erst einmal seine Krankheit zu verstehen. Man erfährt etwas über Grundbedürfnisse und inwieweit die momentan vielleicht nicht erfüllt sind. Das Programm bietet dann eine Liste mit Maßnahmen, um einen Mangel bei den Bedürfnissen wieder zu kompensieren.

Bei ihr sei das immer ein gutes Buch lesen, Freunde treffen oder in der Natur sein, hat Lindner für sich herausgefunden. Außerdem bietet das Programm konkrete Übungen. Zum Beispiel kann man einen "Grübeltermin" festlegen, an dem man einmal am Tag genau eine halbe Stunde lang seine Probleme wälzt und danach sofort wieder damit aufhört. Die Software schickt einem auf Wunsch auch einmal am Tag eine SMS oder E-Mail, um an die wichtigen Schritte zu erinnern.

Software als Unterstützung für echte Therapeuten

Laut dem Experten Gunnar Schwan macht ein Programm im besten Fall etwas Ähnliches wie ein Therapeut oder eine Therapeutin, nämlich zuerst Informationen liefern, um die Ursache für die Depression oder die Angststörung zu begreifen. Danach werden Übungen gemacht.

Manchmal eigenen sich solche Programme dabei als Ergänzung zu einer echten Therapie, etwa wenn es um die "Hausaufgaben" geht. Hierbei kann einen der PC oder das Handy gut begleiten. "Also man ist zu 80 oder 90 Prozent alleine mit der Software unterwegs. Und dann schaltet sich ab und zu ein echter Mensch ein, der Therapeut und gibt Feedback auf das, was er in der Software nachlesen konnte", erklärt Schwan. Denn ohnehin gelte: Psychotherapie sei harte Arbeit an sich selbst, keine Pille die man nimmt und dann ist's gut.

Wie findet man gute Programme?

Eine bedingte Empfehlung spricht Gunnar Schwan für Programme aus, die im BfArm-Verzeichnis (Bundesamt für Arzneimittelsicherheit und Medizinprodukte) stehen. Dort gibt es eine DiGA-Liste, in der man auch Software zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen finden kann. Apps und Programme, die auf dieser Liste stünden, seien allerdings relativ hochpreisig, weil die Anbieter das Geld von den Krankenkassen bekämen und es sich deshalb nicht um Marktpreise handele, so Gunnar Schwan. Die Preise bewegen sich dabei meist zwischen 200 und 400 Euro.

Ob man sich eine Software über die Krankenkasse finanzieren lässt, sollte man trotzdem gut überlegen. Schwan sagt: "Da wäre ich sehr vorsichtig. Die Krankenkasse weiß dann natürlich, dass ich vermutlich diese Erkrankung habe. Im Zweifel muss man da entscheiden, ist mir das Geld lieber oder die Privatsphäre." Auch wenn die Kassen die Daten untereinander nicht austauschen oder etwa zur Tarifkalkulation bei privaten Zusatzversicherungen verwenden dürfen, mit endgültiger Sicherheit weiß man nie, wo die Daten am Ende landen.

Was bringen Chatbots?

Seit ChatGPT traut man künstlicher Intelligenz zu, so ziemlich jedes Problem lösen zu können. Das Sprachprogramm scheint sich mit seinen schlau klingenden Dialogantworten auf den ersten Blick auch zur Behandlungen psychischer Störungen anzubieten. Das große Problem bei einer solchen generativen KI ist allerdings, dass sie manchmal phantasiert, also Dinge einfach erfindet, wenn sie gerade nichts Passendes in ihrem Sprach-Repertoire hat. Für eine Behandlung oder auch nur eine Begleitung von Betroffenen, die unter Angststörungen oder Depressionen leiden, kommen generative SprachKIs deshalb, bislang zumindest, nicht in Frage.

Ein hölzern klingender Sprachroboter

Arne Grävemeyer, Redakteur bei der Computerzeitschrift "c't" hat sich zwei Chatbots angesehen, die nicht auf ChatGPT oder einem ähnlichen Programm basieren. Woebot ist ein Bot, der nur Antworten abgibt, die von einem internen Autorenteam so verfasst worden sind. Man wollte unbedingt verhindern, dass etwas aus dem Ruder läuft. Das heißt allerdings auch, das Sprachrepertoire ist sehr begrenzt und dementsprechend hölzern verläuft die Konversation mit diesem Programm, wie Grävemeyer erzählt. "Oft klickt man sich nach einer kurzen Beschreibung seines Befindens nur noch durch vorgefertigte Dialoge mit wenigen Auswahlmöglichkeiten für Antworten." Größter Nutzen sei, dass Woebot ständig mit "seinen" Patientinnen und Patienten in Kontakt bleibe und sie durch den Alltag begleite.

Eine KI, die den Gemütszustand erahnen will

An der Universität Augsburg versucht man über die rein textgestützte Kommunikation hinauszugehen. Emma ist ein Chatbot, der weniger auf die Antworten des Gesprächsteilnehmers achtet, als vielmehr auf seinen Gesichtsausdruck, auf die Sprache, die Stimmlage und die Gestik. Daraus wird versucht, den Gemütszustand von Patienten zu bewerten. Ist der schlecht, dann bekommt man den Hinweis, dass man sich in einer Krise befindet und jetzt am besten die Arbeit niederlegen sollte. Das Programm Emma ist dabei nicht als ausgereiftes Therapie-Angebot zu sehen. Laut Arne Grävemeyer ist es mehr ein Versuch, was eine digitale Therapie in Zukunft auch können sollte.

Chatbots sind Datenschleudern

Generell haben künstliche Begleiter eine Schwachstelle: den Datenschutz. Eine reibungslose und echt wirkende Kommunikation ist auf viele Daten auch der Zielperson angewiesen. "Dieser Ansatz ich bin freundlich und vielleicht sogar jung und attraktiv und ich versuche deine Freundschaft zu gewinnen, als Chatbot und ich frag dich deshalb aus und alles was du verrätst, wird gespeichert - diesen Mechanismus hat man bei vielen Chatbots." Was mit diesen Daten aus Gesprächen passiert, ist schwer nachvollziehbar. Im medizinischen Bereich sind persönliche Daten allerdings besonders schützenswert. c't-Redakteur Grävmeyer glaubt deshalb, solche Chat-Bots müssten unbedingt zertifiziert werden, bevor sie auf Patientinnen und Patienten losgelassen werden.

Im Video: Was ist eine Depression?

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