Verschiedene Lebensmittel liegen in einem Supermarkt in einem Einkaufswagen.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe

Entgegen der Erwartungen vieler Experten ist die Inflation in Deutschland nicht gesunken. Anders im Euroraum insgesamt und vor allem in Spanien.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Inflation: Sinkt im Euroraum - steigt in Deutschland

Anders als in Deutschland ist die Inflation in den meisten Euroländern seit Monaten deutlich zurückgegangen. Gegenläufig war der Trend zuletzt in Deutschland, wo es von Mai auf Juni im Jahresvergleich von 6,1 auf 6,4 Prozent nach oben ging.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Experten führen die Abweichungen in Deutschland auf zwei Sonderfaktoren zurück. Zum einen führte die Bundesregierung wie in anderen Euroländern (etwa Spanien und Frankreich) auch in Deutschland Tankrabatte ein, mit denen die Preise an den Zapfsäulen sich einmalig stark verbilligten. Dann wurde zum Sommer 2022 auch noch das 9-Euro-Ticket eingeführt, mit dem die Fahrpreise im Bahnverkehr zeitweise deutlich nachgaben. Zumindest bei den Tankrabatten dürfte sich dieser statistische Basiseffekt sich aber in Grenzen halten, weil die Kraftstoffe inzwischen auch ohne Rabatte billiger sind als im Vorjahr. Die Bahn hat inzwischen ein 49-Euro-Ticket im Angebot, das allerdings an die extreme Vergünstigung des 9-Euro-Tickets bei weitem nicht herankommt.

Hohe Kernrate bleibt Hauptproblem

So scheint auf den ersten Blick das Schlimmste bei der Inflation überstanden. Doch das stimmt nur bedingt. Richtig stark gefallen sind eigentlich nur die Energiepreise wie für Gas, Mineralölprodukte und Stromimporte. Ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel gerechnet bewegt sich die sogenannte Kerninflation nach wie vor immer weiter nach oben. Dazu die Fondsgesellschaft DWS:

"Das Problem sind die Dienstleistungen, die oft arbeitsintensiv sind und daher von den Lohnsteigerungen und der Knappheit am Arbeitsmarkt unmittelbar betroffen sind. Dieser Effekt dürfte sich in der aktuellen Tourismussaison mit Preissteigerungen bemerkbar machen. Daher dürfte die Kernrate unserer Meinung nach in den kommenden Monaten weiter deutlich über der 5-Prozent-Marke verharren und die EZB zu weiteren Zinsanhebungen zwingen" Ulrike Kastens, DWS

Kastens weist darauf hin, dass die Reisebranche (Flüge und Unterkunft) in diesem Jahr zum Teil Rekordpreise aufgerufen hat, so dass der Sommer insgesamt für die Verbraucher kaum günstiger werden dürfte.

Die nächste Zinserhöhung hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde für die Sitzung des Zentralbankrats Ende Juli schon fest eingeplant.

Bei den Lebensmitteln spüren viele die Inflation am stärksten

Erneut sind es die Nahrungsmittel, die einen Rückgang der Inflation in Deutschland verhindern und als Preistreiber ganz vorne liegen. So verteuerten sich die Kosten für Lebensmittel in Bayern innerhalb eines Jahres um 12,8 Prozent (bundesweit sogar plus 13,7 Prozent). Die Energiepreise gaben dagegen auch im Freistaat zuletzt deutlich nach wie bei Kraftstoffen oder beim Heizöl. Auch bei Strom und Gas können Verbraucher durch einen Wechsel des Anbieters inzwischen kräftig sparen. So lagen die Energiepreise im Jahresvergleich bundesweit im Juni nur noch um 3,0 Prozent über denen von 2022, was ein Rückgang gegenüber den Vormonaten ist.

Kerninflation zeigt mit 5,8 Prozent deutlich nach oben

Seit Februar hatte sich die Inflation drei Monate lang in Folge in Deutschland auf hohem Niveau immer weiter abgeschwächt. Doch nun gab es eine Gegenbewegung, mit der so niemand gerechnet hatte. Die ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamts zeigen einen Anstieg um 0,3 Prozent im direkten Monatsvergleich von Mai auf Juni bei allen Verbraucherpreisen.

Auch die sogenannte Kerninflation zog weiter an, und zwar um 0,4 Prozent im Monatsvergleich (von 5,4 Prozent im Mai auf 5,8 Prozent im Juni). Das heißt, dass sich die übrigen Verbraucherpreise etwa für Dienstleistungen immer stärker verteuern. Beispiel dafür sind etwa Handwerker und Bauleistungen oder die Kosten für KFZ-Reparaturen, die in der Regel deutlich über den Lebenshaltungskosten liegen.

Spanien und Frankreich: Staat hat Inflation erfolgreich eingedämmt

Ganz anders sieht die Situation in Spanien aus, wo die Regierung einen Teil der Mehrwertsteuer zum Beispiel auf einige Nahrungsmittel gestrichen hat. Dort rutschte die Inflation von ihrem bisherigen Höchststand bei 10,8 Prozent im Juli 2022 auf 1,9 Prozent im Juni 2023 (nach 3,2 Prozent im Mai und 4,1 Prozent im Juni). Das sind Zahlen, von denen deutsche Verbraucher nur träumen können. Die Regierung in Madrid führt das auch auf ihre entschlossenen Maßnahmen zur Preissenkung bei einigen wichtigen Waren zurück.

Auch in Frankreich ist die Inflation bei weitem nicht so hoch wie in Deutschland. Zunächst war das auf die gedeckelten Energiepreise für Gas und Strom zurückzuführen, die in Paris auf viele Monate hinaus stark begrenzt wurden. Tanken kostet allerdings inzwischen dort mehr als in Deutschland. Darüber hinaus arbeitet die französische Regierung mit Preisobergrenzen für bestimmte Nahrungsmittel und verpflichtet Supermärkte dazu, möglichst wenig Lebensmittel wegzuwerfen.

Bundeskanzler Scholz schließt weitere Preismaßnahmen aus

Anders verhält es sich mit der Preispolitik der deutschen Bundesregierung, die sich im Wesentlichen auf die Energiepreisbremsen für Strom und Gas konzentriert. In der ARD-Sendung Maischberger lehnte Bundeskanzler Olaf Scholz Forderungen nach einer Senkung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel wie in Spanien und andere Preisgrenzen wie in Frankreich ab. Scholz verwies auf die hohen Ausgaben des Bundes zur Sicherung der Energieversorgung, etwa den Bau von LNG-Terminals und das Befüllen der leeren Erdgasspeicher zum letzten Winter.

Bei der Mehrwertsteuer glaubt man bei der Bundesregierung, dass der Lebensmittel-Einzelhandel eine Senkung nur für Preisaufschläge ausnutzen würde und die Steuersenkung damit verpuffen könnte.

Es bleibt die Frage, warum die Inflation ausgerechnet bei uns im größten EU- und Euroland wesentlich höher ist als in vergleichbaren Staaten.

Im Audio: Inflation gefallen? Oder doch nicht? Warum?

ARCHIV - 30.06.2020, Bayern, Neubiberg: Verschiedene Lebensmittel liegen in einem Supermarkt in einem Einkaufswagen. (zu dpa «Inflation in Bayern steigt wieder leicht») Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Lebensmittel-Einzelhandel

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!