Feuerwehrauto in Nürnberg.
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Nürnberg: Bewusst gegen "Cell Broadcast"-Warnung entschieden

Das "Cell Broadcast"-System soll Bürger im Katastrophenfall auf dem Smartphone warnen. Beim Unwetter in Franken blieb das jedoch aus. Einen "Fehler" nennt das ein Wetterexperte – "nicht notwendig", sagt dagegen die Stadt Nürnberg. Die Hintergründe.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Heftige Regenfälle und Gewitter haben am Donnerstagabend im Stadtgebiet Nürnberg für Chaos gesorgt. Die Stadt war von schweren Überflutungen betroffen, es kam zu hunderten Feuerwehreinsätzen, mehrere Menschen wurden verletzt.

Was ist Cell Broadcast?

Trotz des historischen Unwetters wurde jedoch keine allgemeine Warnung an die Bevölkerung per Cell Broadcast herausgegeben. Cell Broadcast ist ein Warnsystem, das Warnmeldungen direkt auf Smartphones senden kann – begleitet von einem lauten Warnton.

Der Vorteil von Cell Broadcast: Es muss dafür keine eigene App installiert werden – jedes Mobiltelefon mit einer gültigen Nummer kann die Warnungen empfangen. Das System wurde als Folge der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 eingeführt und zuletzt im März bayernweit getestet.

Keine Cell Broadcast-Warnung in Franken

Am Donnerstag blieb diese Warnung allerdings aus. Auch im Stadtgebiet Nürnberg, welches von dem Unwetter am stärksten betroffen war, wurden keine Cell Broadcast-Warnungen an die Bevölkerung gesendet.

BR-Wetterexperte Michael Sachweh hält das für einen Fehler: "Es hätte per Cell Broadcast gewarnt werden müssen", sagte er im Interview bei BR24live. "Bei dieser explosiven Luftmasse war es klar, dass es ordentlich krachen wird und, dass es früher oder später zu unwetterartigen Gewittern kommt."

Cell Broadcast wird regional veranlasst

Cell Broadcast ist Teil des "Modularen Warnsystems", welches vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe entwickelt und verwaltet wird. Technisch – so bestätigt das Bundesamt – habe das System am Donnerstag einwandfrei funktioniert.

Allerdings ist die Entscheidung, ob es tatsächlich genutzt wird, den Behörden vor Ort überlassen – in diesem Fall der Einsatzleitung der Berufsfeuerwehr. Sebastian Kahl, Sprecher der Nürnberger Feuerwehr, sagte im BR-Interview, das Cell Broadcast-System werde in Bayern wahlweise vom Innenministerium oder der Feuerwehr in Regensburg bedient: "In dem Fall gestern wurde Cell Broadcast überregional von niemandem aktiviert und wir haben es, nachdem Push-Mitteilungen über Katwarn und NINA gekommen waren, nicht noch zusätzlich veranlasst", so Kahl.

Stadt Nürnberg: Cell Broadcast war nicht notwendig

Auf Anfrage von BR24 bestätigte Andreas Franke, Pressesprecher der Stadt Nürnberg, man habe sich gegen eine Warnung per Cell Broadcast entschieden. In der Frankenschau aktuell im BR Fernsehen ergänzte Franke, dass lange Zeit offen gewesen sei "wo und wie Nürnberg betroffen ist". Sehr kurzfristig sei die Nachricht gekommen, dass sich Nürnberg in einer Superzelle befände. Nach den Warnungen über die Warn-Apps "Katwarn" und "Nina", sowie den Deutschen Wetterdienst sei eine zusätzliche Warnung per Cell Broadcast nicht notwendig gewesen.

Franke: Cell Broadcast hätte "Flut von Notrufen ausgelöst"

"Das hätte zur Folge gehabt, dass wir in ganz Nürnberg hätten auslösen müssen und es wären sehr viele Bereiche nicht betroffen gewesen", meint Franke. Das wiederum hätte eine "zusätzliche Flut von Notrufen ausgelöst", während das Netz ohnehin schon "sehr stark belastet" gewesen sei. Die Entscheidung, Cell Broadcast nicht auszulösen sei eine "Abwägungsentscheidung eines sehr erfahrenen Einsatzleiters" gewesen, sagt Franke.

"Das Management der Krise ist sehr gut gelaufen", bilanzierte Franke und lobte die Einsatzkräfte. Dennoch werde im Nachgang einer solchen außergewöhnlichen Lage sicher das Thema Cell Broadcast noch einmal zur Sprache kommen. Dann könnte sich auch klären, ob eine Cell Broadcast-Meldung möglicherweise doch die bessere Wahl gewesen wäre. Der Pressesprecher der Stadt Nürnberg würde sich aber wünschen, dass Warnungen via Cell Broadcast auch von den Behörden vor Ort ausgelöst werden könne. "Dann kann man schneller reagieren", so Franke.

Dieser Artikel wurde am 19.08.23 um 09.10 Uhr um die Stellungnahme von Andreas Franke in der Frankenschau aktuell ergänzt.

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