Eine vollbesetzte Kirche, vor dem Altar eine Leinwand. Darauf ist ein junger Mann zu sehen, der zur KI-Predigt die Lippen bewegt.
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Die KI trug die Predigt vor, unterstützt wurde sie von verschiedenen Avataren, die ihre Lippen bewegten - etwa dem jungen Mann der Leinwand.

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Nach Kirchentags-Predigt: Kann KI in Kirchen helfen?

Beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg wurde eine Predigt vorgetragen, die mit Künstlicher Intelligenz erstellt wurde. Doch kann KI in Kirchen mehr als sein als Experiment oder PR-Gag? Experten glauben ja – und nennen einige Beispiele.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Überzeugt hat sie beileibe nicht alle, doch immerhin hat sie für ein volles Haus gesorgt: die Predigt, die eine Künstliche Intelligenz (KI) jüngst beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg hielt. Ein wenig unpersönlich, zu schnell und zu phrasenhaltig, aber auch interessant, urteilten die Besucher.

Für die Predigt hatte der Theologe und Forscher Jonas Simmerlein ein KI-Programm mit den Stichworten Kirchentag, Nürnberg und dem Motto "Jetzt ist die Zeit" gefüttert und die Rede, die die KI daraus schrieb, sprachlich etwas geglättet. Vorgetragen wurde sie von einer Computerstimme, auf einer Leinwand waren als Prediger-Ersatz die Avatare junger Menschen zu sehen, die ihre Münder bewegten.

Pfarrer der christlichen Kirchen in Deutschland werden angesichts dieser ersten Erfahrungen wohl kaum um ihre Jobs auf der Kanzel oder am Ambo fürchten müssen. Dennoch stellt sich die Frage, ob und wie Künstliche Intelligenz, die unser Leben künftig wohl stetig stärker durchdringen wird, in den Kirchen künftig zum Einsatz kommt.

  • Zum Artikel: Der globale Wettlauf um die künstliche Intelligenz

Forscherin: KI kein Ersatz für Zwischenmenschliches

Die katholische Theologin Anna Puzio forscht an der Universität Twente unter anderem zu religiösen Robotern, hat das Buch "Alexa, wie hast du's mit der Religion? Theologische Zugänge zu Technik und Künstlicher Intelligenz" mitherausgegeben und auch auf dem Kirchentag über die KI-Predigt diskutiert. Die Wissenschaftlerin sieht zahlreiche Anwendungsfelder für Künstliche Intelligenz in den Kirchen.

"KI wird immer persönlicher werden, noch emotionaler, lebendiger und 'echter' wirken. So wie wir heute ChatGPT zur Textproduktion nutzen, werden auch mit KI mehr Gottesdienste gestaltet werden", sagt Puzio gegenüber BR24. Darüber hinaus könne man die Technologien für Bildproduktionen, Virtual und Augmented Reality, Licht, Interaktion und Kommunikation im Gottesdienst nutzen, führt sie weiter aus. Über den Gottesdienst hinaus sei denkbar, dass intelligente Roboter mit Gläubigen religiöse Gespräche führen, Gebete begleiten, durch Zeremonien führen. Wichtig ist Forscherin Puzio dabei jedoch zu betonen, dass die KI nicht das Zwischenmenschliche ersetzen soll.

Wissenschaftler: KI-Seelsorge hat auch Vorteile

Das sagt auch Christoph Lütge, der an der TU München das Institut für Ethik in der Künstlichen Intelligenz leitet: "Bei der Seelsorge sollte grundsätzlich eine Wahlmöglichkeit zwischen Mensch und KI bestehen bleiben", erklärt er auf BR-Anfrage. Er betont jedoch zugleich, dass Künstliche Intelligenz auch in der religiösen Seelsorge durchaus hilfreich sein könne. Allein schon, weil diese Form der Seelsorge im Zweifel immer verfügbar sei, nie die Geduld verliere und unendlich viel Zeit habe.

Und es gebe sogar schon vergleichbare Projekte. In Pakistan beantwortet der Chatbot Raaji bereits seit Jahren Frauen erfolgreich Fragen, die vor Ort als "heikel" gelten oder deren Thematiken gesellschaftlich tabuisiert sind. Warum sollte nicht auch eine Künstliche Intelligenz in Deutschland Glaubensfragen beantworten, die der oder die Gläubige sich sonst nicht zu stellen traut? Auch dass eine entsprechend trainierte KI schon in Kürze so gut wie fehlerfreie Predigten schreiben können wird, ist für Wissenschaftler Lütge relativ klar.

Bistum: KI ist höchstens Unterstützung

Doch was sagen die Kirchen dazu? Das katholische Bistum Würzburg erteilt KI in der Kirche auf BR-Anfrage keine komplette Absage. Domkapitular Albin Krämer stellt jedoch auch klar: "Seelsorge ist immer persönliche Begegnung. Sie lebt von dem, was aus dem Herzen des Menschen kommt, nicht von dem, was die Algorithmen einer Maschine zusammenstellen. Von daher können Chat GPT und ähnliche Systeme die Seelsorge, die Menschen leisten, nicht ersetzen, sondern höchstens unterstützen."

Es muss also wohl so schnell kein Gläubiger fürchten, dass demnächst ein Roboter ihm beim Sonntagsgottesdienst die Hand zu Friedensgruß reicht oder eine KI ihr die Beichte abnimmt. Dass der menschliche Pfarrer sich beim Verfassen seiner Predigt allerdings ein wenig von einem KI-Programm wie Chat GPT inspirieren lässt, lässt sich aber wohl nicht ausschließen.

Auch Prälat Bernhard Priendl hat im Regensburger Dom bereits im Mai mit Hilfe von KI gepredigt - und kann sich durchaus vorstellen, sie auch in Zukunft zur Hilfe zu nehmen. Eine ganze Predigt davon schreiben lassen will er sich aber nicht.

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