Ein entwickeltes Glasdia zeigt den Schwabacher Fabrikanten Welter Tuchmann
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In der Ausstellung sind zahlreiche bislang unveröffentlichte Bilder und Dokumente zu sehen.

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Wie die Nazis einen angesehenen Fabrikanten ins Exil trieben

Einst war Walter Tuchmann ein achtbarer Fabrikant und großer Arbeitgeber. Am Ende starben er und seine Frau Elise verarmt in Mexiko. Eine Ausstellung in Schwabach zeigt, wie die Nationalsozialisten ihn zwangen, aus der Stadt zu "verschwinden".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Die erste Hälfte der Ausstellung im Jüdischen Museum Franken in Schwabach zeigt Walter Tuchmann als erfolgreichen Geschäftsmann. Er wird Inhaber der Drei-S-Werke in Schwabach. Er führt diese Fabrik mit großem Geschick, die Grammophonnadeln aus Schwabach werden zu einem weltweiten Verkaufsschlager. Walter Tuchmann ist wohlhabend, liebt schnelle Autos und seine Frau Elise. Das Drei-S-Werk ist eine moderne Fabrik, das wirtschaftswissenschaftliche Seminar ist jedes Jahr zu Gast, um einen Einblick in die moderne Produktionsstätte zu bekommen.

Nazis treiben Tuchmann in die Flucht

Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ändert sich das Leben des jüdischen Fabrikanten. Ihm bleibt nur die Flucht mit seiner Frau ins Prager Exil. In einer Propagandaveranstaltung der NSDAP wird "Der Fall Tuchmann" als "plötzliches Verschwinden" bezeichnet. Die regionale Zeitung feiert die Arisierung der Stadt.

Die Wahrheit ist: Walter Tuchmann muss sein Werk deutlich unter Preis verkaufen. Nach Abzug diverser Steuern bleibt dem Ehepaar nicht mehr viel. Als die Tuchmanns erneut fliehen müssen, landen sie völlig verarmt in Mexiko. Walter Tuchmann stirbt 1942 mit 51 Jahren, seine Ehefrau Elise nur ein Jahr später.

Unveröffentlichte Bilder

Die Ausstellung präsentiert einen Teil der Fotos, die im Laufe der Recherche erstmals von Glasdias entwickelt worden sind. Sie zeigen das private Leben der Tuchmanns vor der Machtergreifung. Firmendokumente der Drei-S-Werke machen deutlich, wie fortschrittlich die Fabrik war und welche Bedeutung Tuchmann als Arbeitgeber in Schwabach hatte, welches Ansehen er einst genoss. "In den 1920er-Jahren war er Arbeitgeber für 150 Beschäftigte, er war bekannt und angesehen in Schwabach", erklärt Kuratorin Marina Heller. "Heute kennen sie dort nur noch das 3-S-Werk, Walter Tuchmann kennt wohl kaum jemand mehr."

Grammophonnadeln aus Schwabach weltweit gefragt

Außerdem zeigt die Ausstellung, dass durch die Grammophonnadelherstellung Schwabach weltweit angesehen und anerkannt war. Walter Tuchmann entwickelte die Technologie weiter und erwarb mehrere Patente dazu. Die bunten Nadeldosen in den Vitrinen des Museums sollen deutlich machen, dass Grammophonnadeln sehr geschätzt wurden in der damaligen Zeit, obwohl sie nach einmaligem Gebrauch nicht mehr zu verwenden waren. Das Drei-S-Werk in Schwabach lieferte seine Produkte in die ganze Welt. Fotos zeigen die stolzen Lkw-Fahrer mit Kisten voller Nadeln für die USA.

Bildrechte: BR/Frank Strerath
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Ein Übertragungswagen des Bayerischen Rundfunks (Deutsche Stunde in Bayern) in den 1920-er Jahren zu Besuch im 3-S-Werk in Schwabach.

Flucht kein Neuanfang sondern Niedergang

Das Leben Walter Tuchmanns zeigt, dass eine Flucht tragisch enden kann. "Das ist exemplarisch für viele Schicksale jüdischer Familien", erklärt Museumsdirektorin Daniela F. Eisenstein. Durch die frühe Verfolgung von Juden durch die Nationalsozialisten in der Region sei Walter Tuchmann letztendlich ausgelöscht und vernichtet worden. "Nach der Machtergreifung 1933 gab es einen richtigen Wetteifer zwischen den Kommunen und Städten, wer als erstes judenfrei ist", so Eisenstein. Das wurde auch Walter Tuchmann zum Verhängnis.

Einst wohlhabende Menschen – am Ende ein Leben in Armut und Mangel

Kuratorin Marina Heller hat mehr als ein Jahr lang Archive und andere Quellen durchforstet, um das Leben des Fabrikanten nachzuzeichnen. Dabei stieß sie auf Fotos und Dokumente, die bisher nirgends zu sehen waren. Zudem zeichnet sie den Stammbaum der Familie nach, um aufzuzeigen, dass die Tuchmanns und deren Vorfahren angesehene Menschen der Gesellschaft waren. So waren sie etwa als Hopfenhändler tief in der Region verwurzelt.

Besonders die privaten Fotos, die bisher noch nie entwickelt und veröffentlich worden sind, zeigen die Tuchmanns vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten als wohlhabende und lebensfrohe Menschen. Einen Gegensatz dazu bilden persönliche Briefe an die Schwester Elise Tuchmanns, die zeigen, in welcher Armut und Verzweiflung sie letztendlich in Mexiko gelebt haben und gestorben sind.

"Tuchmann verschwindet – Schicksal und Leben eines Schwabacher Fabrikanten" ist im Jüdischen Museum Schwabach bis zum 7. Januar 2024 zu sehen.

Die neue Ausstellung im Jüdischen Museum Franken in Schwabach zeichnet das Leben und Schicksal des Fabrikanten Walter Tuchmann nach
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Die neue Ausstellung im Jüdischen Museum Franken in Schwabach zeichnet das Leben und Schicksal des Fabrikanten Walter Tuchmann nach

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