Die Autorin, lockiges rotes Haar, ganz in schwarz gekleidet, schaut nach oben
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Bekenntnis der Autorin: Ich selbst war ein Pick-me-Girl!

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Was Sophie Passmann zum "Pick-me-Girl" machte

"Pick-me-Girl": Das Label ist keine Auszeichnung. Es diffamiert Frauen, die Männern unbedingt gefallen wollen. Dieser Abwertung tritt Star-Autorin Sophie Passmann nun literarisch entgegen: Mit dem Geständnis, sie sei selbst ein solches Girl gewesen.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Mit Sicherheit habe ich in meiner Jugend ganz viele Hobbies gehabt, die ich nur hatte, weil ich dachte, Jungs finden das cool", bekennt Sophie Passmann.

Die bekannte Autorin ("Alte weiße Männer") und Schauspielerin fuhr früher Skateboard, weil sie dachte, Jungs finden das "mega". Sie war Fan von Bands, mit denen sie eigentlich nichts anfangen konnte. "Aber ich hab unterschwellig gemerkt, ich möchte gerne Jungs zeigen, dass ich diese Bands cool finde."

Jede Frau, schreibt Passmann, ist ab und an ein Pick-me-Girl. Dem kommt man kaum aus, weil Mädchen immer noch vorgemacht bekommen, dass es unheimlich wichtig ist, Jungs und Männern zu gefallen. Der internalisierte männliche Blick.

Notlösung: die Kumpel-Nische

Wenn die männliche Zuwendung nicht übers Aussehen zu bekommen ist, weil das Teenager-Mädchen oder die junge Frau nicht nah genug dran ist am rehäugigen, glatthäutigen, schlanken, langbeinigen Schönheitsideal, dann gibt‘s da eben noch die Möglichkeit, sich als gute Kumpelin anzudienen.

Die lacht dann im Zweifelsfall selbst am lautesten über frauenabwertende Witze und passt sich Verhaltensweisen an, die männlich konnotiert sind. Letztlich schlummere unter jedem Pick-me-Verhalten weibliche Selbstablehnung und sogar Selbsthass, schreibt Sophie Passmann.

"Es geht um Kontaktschuld mit allem, was weiblich ist", sagt die Autorin, "denn wer sich für Weibliches interessiert, scheint das ja zu tun, weil es für mehr nicht reicht."

Vom Persönlichen zum Politischen

Man könnte dieses Buch als Memoir bezeichnen, als autobiografische Coming-of-Age-Geschichte. Denn über weite Teile geht es um Passmanns eigene Erfahrungen als junge Frau. Unter anderem schreibt sie über ein früh antrainiertes, verzerrtes Köperbild und ihren Weg in eine Essstörung.

Dazu kommen Passagen mit Gesellschaftsanalysen und kluge Gedanken zu Mann-Frau-Beziehungen in einer immer noch männlich dominierten Welt. Auch Kulturkritik fließt mit ein, wenn es um die Frage geht, welche schädlichen Role Models Mädchen und Frauen in Filmen vorgesetzt bekommen.

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Anerzogene Selbstablehnung? Damit seid ihr nicht allein, ruft Passmann ihren Leserinnen zu

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Kaum neue Erkenntnisse

Einige Gedanken im Buch sind nicht ganz neu. Das kann man kritisch anmerken. Und auch, dass der rote Faden oft nicht leicht zu finden ist. Man fragt sich beim Lesen bisweilen: "Hat sie mir das nicht schon vor 100 Seiten mit anderen Worten erzählt?" Oder: "Was genau will sie mir gerade sagen?" Da hätte es ein stärkeres Lektorat gebraucht.

Der Verlag bewirbt "Pick me Girls" als Passmanns persönlichstes Buch. Sie selbst sagt, sie wolle damit anderen Mädchen und Frauen zeigen, dass sie nicht allein sind mit ihrer anerzogenen Selbstablehnung.

Es geht um die immer noch in vielen Frauen tief sitzende Beschämung. Um das Gefühl, in einem unvollkommenen weiblichen Körper eine Zumutung zu sein für die Welt: "Ich glaube der Zauber an Scham als Gefühl ist, dass es sich auflösen kann, wenn man anfängt, darüber zu sprechen." Sobald man seine Scham teile, erklärt Passmann weiter, merke man, dass Leute gar nicht so schlimm reagierten, wie man befürchtet hatte.

Scham und Macht

Man merke, dass Scham ein relativ überflüssiges Gefühl sei. "Und ich glaube, Scham ist der Ursprung von ganz viel Traurigkeit und ganz viel Fehlverhalten zwischen Menschen. Und deswegen ist es die beste Lösung, über Scham sprechen."

Auch im Buch thematisiert Passmann die politische Komponente von weiblicher Körperscham, nämlich den direkten Zusammenhang zwischen Scham und Macht: "Man kommt nicht auf die Idee, sich zu ermächtigen, wenn man sich schämt. Und wer sich schämt, glaubt nicht, dass ihm oder ihr Unrecht geschieht. Man hält es halt aus und denkt: Naja, zu Recht."

Ist es ein Gewinn, dieses Buch zu lesen? Sagen wir so: Es stecken viele kluge Gedanken darin und vor allem die persönlichen Passagen sind sehr berührend. Deshalb wünscht man allein schon den Einleitungen – Sophie Passmann hat zwei geschrieben, eine für Frauen, eine für Männer – viele Leserinnen und Leser. Ob es für die Botschaft selbst mehr als 200 Seiten gebraucht hätte, darüber kann man sich streiten.

"Pick me Girls" ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und kostet 22 Euro.

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