Eine Mitarbeiterin sucht rezeptpflichtige Medikamente aus einem Apothekenschrank (Symbolbild).
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Eine Mitarbeiterin sucht rezeptpflichtige Medikamente aus einem Apothekenschrank (Symbolbild).

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Wieder Medikamentenmangel? Ärzte warnen vor Engpässen im Herbst

Aktuell ist die Lage gut, doch im Herbst könnte sich die Arzneimittelknappheit des vergangenen Winters wiederholen. Kinderärzte warnen, dass vor allem Fiebersäfte wieder rar werden könnten. Gesundheitsminister Holetschek spricht von einem "Weckruf".

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Eltern, die auf der Jagd nach passender Medizin für ihre Kinder zahllose Apotheken absuchen und am Ende doch nicht fündig werden - dieses Bild aus dem vergangenen Winter könnte sich in wenigen Wochen möglicherweise schon wiederholen. Davor warnen Kinderärzte in Deutschland. Trotz eines neuen Gesetzes könnte die Versorgungssicherheit mit wichtigen Arzneien erneut gefährdet sein. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ist ebenfalls alarmiert und fordert den Bund zu raschem Handeln auf.

Engpässe wie im vergangenen Jahr erwartet

Die Sorge, dass die kalte Jahreszeit wieder mit Lieferengpässen bei Medikamenten einhergeht, hat derzeit der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). "Es ist zu befürchten, dass bei hohen Infektionswellen wie im vergangenen Jahr Eltern wieder durch die halbe Stadt laufen müssen, um Fiebersäfte oder Antibiotika zu bekommen", sagte Verbandspräsident Thomas Fischbach der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Das Gesetz gegen diese Engpässe gehe zwar in die richtige Richtung, "wird uns aber definitiv nicht durch diesen Winter helfen und springt womöglich auch auf Dauer zu kurz", sagte er.

Grippewelle in Australien als Warnung

Eine heftige Grippewelle in Australien deute darauf hin, dass sich auch in Europa in den Wintermonaten wieder sehr viele Menschen mit dem Virus anstecken könnten. Arzneimittel-Engpässe legten dann auch wieder die Praxen teilweise lahm, weil Mitarbeitende am Telefon etliche Apotheken abklappern müssten, um die benötigten Medikamente noch irgendwo aufzutreiben, sagte Fischbach: "Wir blicken daher mit Sorge auf Herbst und Winter."

Gesetz gegen Medikamentenmangel nur langfristige Lösung

Nach einer Infektionswelle im vergangenen Herbst waren Engpässe bei Kindermedikamenten wie Fieber- und Hustensäften eskaliert. Probleme hatte es auch bei Krebsmitteln und Antibiotika gegeben. Die Bundesregierung reagierte mit neuen Regelungen. Ein im Juni verabschiedetes Gesetz gegen Medikamentenmangel von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) macht Vorräte von mehreren Monatsmengen für viel genutzte Arzneimittel zur Pflicht. Zudem sollen Preisvorschriften gelockert werden, damit sich Lieferungen nach Deutschland für Hersteller mehr lohnen.

Aber auch wenn das neue Gesetz die Krankenkassen zur Erstattung höherer Preise für Arzneimittel zwingt, sei es mit der Reform noch "nicht attraktiv genug für die Pharmafirmen, Medikamente in Deutschland zu produzieren und zu verkaufen, etwa wegen der vorgeschriebenen Festbeträge", so der Kinder- und Jugendärztepräsident. "Das sind Wirtschaftsunternehmen, die im Ausland mehr verdienen."

Apothekerverbände teilen Sorge vor Lieferproblemen

Auch die Verbände der Apotheker und des Pharmagroßhandels halten weitere Engpässe für möglich. Nach Angaben des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels sind bei den geplanten Medikamentenvorräten keine schnellen Erfolge zu verzeichnen. "Die zum Teil seit vielen Monaten andauernden und weiterhin bestehenden Lieferengpässe bei Kinderarzneimitteln erschweren die gesetzlich vorgeschriebene Bevorratung durch den pharmazeutischen Großhandel erheblich", sagte ein Verbandssprecher der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Nach Einschätzung der Apotheken ist es derzeit noch schwer, Voraussagen zur Versorgungslage im Herbst und Winter zu treffen. "Wir bezweifeln aber, dass das Lieferengpass-Gesetz zu systematischen und spürbaren Verbesserungen führen wird", erklärte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Gabriele Regina Overwiening.

Overwiening lobte etwa, dass mit dem Gesetz die Apotheken beim Austausch von nicht verfügbaren Arzneimitteln mehr Flexibilität bekämen. "Diese Maßnahmen helfen, die negativen Auswirkungen des Mangels abzumildern, beseitigen den Mangel aber nicht." Angesichts der sinkenden Zahl von Apotheken forderte sie die Politik auf, in die Apotheken zu investieren.

Holetschek kritisiert Bund: Lauterbach muss alle an einen Tisch holen

Holetschek bezeichnete Warnungen der Ärzteschaft als "Weckruf". Im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk sagte der Minister: "Ich befürchte, dass wir in diesem Winter wieder vor großen Herausforderungen stehen."

Kritik äußerte der CSU-Politiker dabei auch an seinem Amtskollegen im Bundesgesundheitsministerium in Berlin: "Der Bundesminister hätte mal alle zusammenholen können. Wir haben in Bayern alle zusammengeholt - Pharmaindustrie, Großhandel, Apothekervertreter, Kinder- und Jugendärzte -, einfach um zu schauen, was können wir kurzfristig, mittelfristig und langfristig tun, und das müsste der Bund jetzt auch machen", so Holetschek.

"Wir haben es letzten Winter geschafft, Bürokratie zurückzudrängen, wir haben den Apothekerinnen und Apothekern mehr Chancen gegeben, selber auch Rezepturen zu machen, wir haben auch die Importe erleichtert." Auf die Frage, ob besorgte Eltern sich jetzt einen Medikamentenvorrat anlegen sollten, sagte er: "Ich würde jetzt nicht zu Hamsterkäufen raten."

Mit Informationen von dpa und KNA

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