Das Stammwerk des Wärmepumpenherstellers "ait" in Kasendorf im Landkreis Kulmbach aus der Luft.
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Der Wärmepumpenhersteller "ait" kauft das Gelände des Möbelproduzenten Maja in Kasendorf.

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Wärmepumpen statt Möbel: Auf dem Weg zum "Heat Pump Valley"

Des einen Freud', des anderen Leid: Eine Branche, die das Selbstverständnis der Menschen in der Region jahrzehntelang geprägt hat, sagt leise tschüss. Eine andere hingegen blüht auf wie nie zuvor. Kasendorf wird zum Sinnbild für den Wandel.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Strukturwandel in Kasendorf im Landkreis Kulmbach: Ein Pionier unter den Wärmepumpenproduzenten surft nach 25 Jahren mehr denn je auf der Welle des Erfolgs. Ein anderer, einst ebenso Pionier auf seinem Gebiet, gibt nach 60 Jahren den Kampf gegen gleich mehrere Krisen auf.

Der Wärmepumpenhersteller "ait", bekannt für die Marken Alpha Innotec, Novelan und KKT chillers, kauft das Gelände des Möbelproduzenten Maja und will damit seine Produktion verdoppeln. In Anlehnung an das kalifornische Hightech-Mekka Silicon Valley spricht "ait" bereits von Kasendorf als dem neuen "Heat Pump Valley". Künftig sollen dort bis zu 300.000 Wärmepumpen jährlich hergestellt werden. Bislang sind es 150.000. Die Nachfrage sei riesig, heißt es aus dem Unternehmen. Vor allem Luft-Wasser- und Sole-Wasser-Wärmepumpen sollen auf dem neuen Gelände künftig gefertigt werden sowie Großgeräte.

In Kasendorf wurden jährlich 280.000 Möbel gefertigt

Ähnlich groß ist die Zahl der Möbel, die dafür künftig nicht mehr in Kasendorf produziert werden. Rund 280.000 Kommoden, Schränke und anderes Mobiliar hat Maja-Möbel bislang jedes Jahr in unmittelbarer Nachbarschaft des Wärmepumpenherstellers hergestellt. Ende Oktober geht das Gelände nun an "ait" über.

Maja ist einer der Möbelproduzenten, die Mitnahmemöbel in großen Stückzahlen für deutsche und europäische Großkunden herstellen. Was in Kasendorf auf die Laster geladen wurde, ging zu einem großen Teil an Branchenriesen wie XXXLutz, Höffner und Segmüller. Doch die Lage auf dem Möbelmarkt gilt als angespannt. Vorbei ist der Run auf die Produkte, mit denen sich etliche Menschen während der Corona-Pandemie das Zuhause einrichten und das Homeoffice verschönern wollten.

Dazu haben hohe Energiepreise und Inflation die Kauflust der Menschen spürbar gesenkt, heißt es aus dem Unternehmen. Der Nachfragerückgang sei abrupt gekommen und habe die gesamte Möbelbranche hart getroffen, so ein Sprecher von Maja-Möbel. Die Produktion in Kasendorf sei daher nicht mehr kostendeckend zu führen.

Erst wenige Stunden vor Bekanntwerden der Schließungspläne in Kasendorf hatte auch der Polstermöbelhersteller Willi Schillig angekündigt, sein Werk in Frohnlach im Landkreis Coburg zu schließen. Bereits im Mai dieses Jahres hatte das Unternehmen Insolvenz angemeldet. Das Unternehmen existiert seit 1949.

Möbel-Pionier seit der Erfindung des Farbfernsehens

Die Anfänge von Maja gehen bis in die 60er-Jahre zurück. 1964, damals noch als kleine Firma mit Sitz in Melkendorf bei Kulmbach, profitierte Maja maßgeblich von der Einführung des Farbfernsehens in Deutschland. Firmengründer Manfred Jarosch, aus dessen Anfangsbuchstaben sich der Unternehmensname zusammensetzt, reagierte darauf mit kleinen Fernsehtischen zu erschwinglichen Preisen, wie es aus dem Unternehmen heißt. Etwa zehn Jahre später wurde der Grundstein für das Werk im benachbarten Kasendorf gelegt.

Nun werden dort 200 Mitarbeiter ihren Job verlieren, möglichst viele davon will der Wärmepumpenhersteller übernehmen, der sich das Gelände gesichert hat. Das mag auf den ersten Blick komisch klingen, aber Bürokaufleute, Logistiker und Lagerarbeiter würden nach einem kurzen Umbau der Produktionshallen von Möbel- auf Wärmepumpenfertigung dringend gesucht, heißt es. Auch Techniker würden gebraucht. Um sie zu Spezialisten für die Wärmewende zu machen, habe "ait" auf seinem Gelände eigens ein Schulungszentrum errichtet.

Großkunde Ikea zieht sich zurück

Ende des Jahres soll dann auch der zweite, noch größere Standort von Maja-Möbel schließen – der im sächsischen Wittichenau. Dort handel es sich um eine Produktionsfläche von 85.000 Quadratmetern. Betroffen sind rund 450 Mitarbeiter. Zusätzlich zu der allgemein nachlassenden Nachfrage nach Möbeln, heißt es dort, habe ein langjähriger Großkunde dem Unternehmen den Rücken gekehrt.

Für diesen Großkunden, den schwedischen Möbel-Konzern Ikea, haben die Maja-Werke in Wittichenau 30 Jahre lang ausschließlich produziert. Zuletzt hatte Ikea seine Bestellungen drastisch gedrosselt, nun will der Branchengigant lieber ganz im Ausland einkaufen. Aus der Industriegewerkschaft (IG) Metall heißt es dazu, man habe immer wieder davor gewarnt, auf einen einzigen Kunden zu setzen. Eine solche Abhängigkeit sei schließlich hochriskant.

Alpha Innotec: Von Anfang an auf Wärmepumpen gesetzt

Der Wärmepumpenhersteller "ait" hingegen könne sich vor Aufträgen kaum retten, so ein Sprecher. Das Kasendorfer Unternehmen gehört zur schwedischen Nibe-Gruppe, einem der größten Hersteller von Wärmepumpen in ganz Europa. Anders als viele andere Produzenten habe das Unternehmen seit 1998 und somit von Anfang an auf Wärmepumpen gesetzt. Das zahle sich jetzt aus, wo man sich einen Namen als Pionier auf dem Gebiet gemacht habe.

Bereits 2022 haben die deutschen Wärmepumpenhersteller ihre Produktion verdoppelt. Wegen der großen Nachfrage gab der Bundesverband Wärmepumpe die Wartezeiten für eine Wärmepumpe zuletzt mit bis zu 18 Monaten an. Ziel von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist es, die heimische Produktion auf bis zu 500.000 Pumpen im Jahr hochzufahren.

Platz für Wärmepumpen in Kasendorf mehr als verdoppelt

Das bereits 45.000 Quadratmeter große Stammwerk in Kasendorf wird nun um das 50.000 Quadratmeter große Gebiet des Möblers erweitert. Bereits Anfang nächsten Jahres soll das Möbelwerk so umgebaut sein, dass dort Wärmepumpen hergestellt werden können. 850 der insgesamt 1.400 Beschäftigten bei "ait" arbeiten schon heute in Kasendorf – Tendenz steigend. Auch eine Wiese in der Nachbarschaft mit rund 30.000 Quadratmetern Fläche habe man sich schon gesichert – in der Vermutung, dass die Nachfrage weiter steigt.

Das Maja Möbelwerk, aufgenommen am 20.04.2016 in Wittichenau (Sachsen).
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Das Maja Möbelwerk in Wittichenau schließt zum Jahresende.

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