Dirk Wiese (r), stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, Katrin Göring-Eckardt (M), Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, und Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion
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Dirk Wiese (r), stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, Katrin Göring-Eckardt (Grüne, M), und Marco Buschmann (FDP)

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SPD, Grüne und FDP wollen Corona-Sonderlage beenden

Die Ampel-Parteien wollen die epidemische Lage von nationaler Tragweite am 25. November auslaufen lassen. Danach ist SPD, Grünen und FDP zufolge aber eine Übergangsregelung bis 20. März 2022 geplant, in der weiter Corona-Auflagen möglich sein sollen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Die gesetzliche Sonderlage wegen der Corona-Pandemie soll nach Plänen der möglichen künftigen Regierungspartner SPD, Grüne und FDP zum 25. November enden. Für eine Übergangszeit bis zum 20. März 2022 soll stattdessen aber eine neue rechtliche Basis für Corona-Vorgaben geschaffen werden, wie die drei Fraktionen mitteilten.

Damit sollen die Länder weiterhin "weniger eingriffsintensive" Maßnahmen anordnen können - unter anderem zu Masken oder Zugangsregeln nur für Geimpfte, Genesene und Getestete. "Wir legen den Ländern einen Instrumentenkasten auf den Tisch, damit sie je nach Infektionslage handeln können", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

"Kein Freedom Day"

Bisher knüpfen Corona-Vorgaben laut Infektionsschutzgesetz daran an, dass der Bundestag eine "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" sieht. Das Parlament hatte dies erstmals im März 2020 festgestellt und mehrfach bestätigt - zuletzt Ende August. Die Sonderlage läuft ohne neuen Verlängerungsbeschluss automatisch nach drei Monaten aus.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte, trotz derzeit wieder steigender Infektionszahlen stelle sich die Situation nun anders dar als im August. Angesichts von immer mehr vollständig Geimpften bestehe eine ernste Gefahr für die Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik nicht fort. Er betonte zugleich, der 25. November werde "kein Freedom Day". Damit wird das Ende aller Corona-Maßnahmen umschrieben.

Spahn bietet Unterstützung an

Die drei Ampel-Parteien zeigten sich zufrieden damit, dass die Einigung noch vor Bildung der gemeinsamen Regierung zustande gekommen ist. Die epidemische Lage sei eines der kontroversesten Themen in der Pandemie gewesen, sagte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann.

Nach den Planungen von SPD, Grünen und FDP soll der Bundestag das neue Gesetz möglicherweise am 11. November beraten, danach könnte der Bundesrat auf einer Sondersitzung abschließend darüber entscheiden. Die Ampel-Parteien wollen auch andere Bundestagsparteien sowie die amtierende Bundesregierung in die Beratungen einbeziehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bot seinerseits Unterstützung an.

Ehrgeiziger Zeitplan: Scholz-Wahl Anfang Dezember?

Rund einen Monat nach der Bundestagswahl sind SPD, Grüne und FDP in die Detailverhandlungen über die Bildung einer gemeinsamen Regierung eingestiegen. Dazu kommen ab heute rund 300 Fachpolitikerinnen und -politiker in 22 Arbeitsgruppen zusammen. Sie sollen Pläne aufstellen etwa für einen "digitalen Aufbruch", für Klimaschutz und soziale Sicherheit, lebenslange Bildung, für die Migrations-, die Sicherheits- und die Außenpolitik. Ein Blick auf zentrale Punkte zeigt allerdings, dass die Verhandlungspartner teils noch weit auseinander liegen.

Klar ist derweil der Zeitplan: Die Arbeitsgruppen sollen bis zum 10. November ihre Positionen erarbeiten. Diese sollen dann zu den Hauptverhandlern rund um die Parteispitzen gehen, die gegebenenfalls offene Konflikte auflösen sollen. Bis Ende November soll ein Koalitionsvertrag vorgelegt werden. In der Woche ab dem 6. Dezember soll dann im Bundestag der neue Bundeskanzler gewählt und die neue Regierung gebildet werden.

Nachfolger von Angela Merkel (CDU) soll SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz werden, bisher Vizekanzler und Finanzminister. Merkel und die Regierungsmitglieder haben von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag ihre Entlassungsurkunden aushändigt bekommen, führen die Regierungsgeschäfte aber weiter, bis ein neuer Kanzler gewählt wird. Die SPD war bei der Bundestagswahl Ende September stärkste Kraft geworden - sie landete mit 25,7 Prozent der Zweitstimmen vor der Union mit 24,1 Prozent.

Sondierungspapier: Erneuerbare Energien, Wahlalter & Co

Wohin die politische Reise in Deutschland gehen soll, haben die möglichen Koalitionspartner Mitte Oktober in einem Sondierungspapier dargelegt. Geplant ist demnach ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien. "Idealerweise" soll bis zum Jahr 2030 aus der Kohleverstromung ausgestiegen werden - und nicht wie bisher geplant bis 2038. Der gesetzliche Mindestlohn soll im ersten Jahr der neuen Bundesregierung auf zwölf Euro pro Stunde erhöht, das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt werden.

  • Zum Artikel "Mindestlohn und Minijobs: Darüber verhandeln SPD, FDP und Grüne "

Asylverfahren, Verfahren zur Familienzusammenführung und Rückführungen sollen beschleunigt werden. Steuern wie die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer sollen nicht erhöht werden. Konkreter wollen SPD, Grüne und FDP nun in den Arbeitsgruppen werden. Zwischenstände der Verhandlungen sollen zunächst nicht nach außen dringen.

Klima: Mehr Wind und Solar - ohne viele Vorgaben?

In der Klima- und Energiepolitik wollen die Verhandler den Rahmen für einen deutlichen Ausbau von Wind- und Solarenergie setzen. Allzu viele staatliche Vorgaben will die FDP aber verhindern. Gerade wenn der Kohleausstieg bis 2030 klappen soll, schiebt sich die soziale Frage nach vorn - nicht nur mit Blick auf wegfallende Arbeitsplätze in Kohleregionen. Es geht auch um einen wirksamen Ausgleich für steigende Energie- und Spritpreise. Die Abschaffung der EEG-Umlage dürfte alleine nicht reichen, um explodierende Kosten für Verbraucher zu verhindern.

Mobilität: Aus für Verbrenner, kein Tempolimit

Einen Knackpunkt haben SPD, Grüne und FDP schon abgeräumt: Ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen wird es nicht geben. Hier setzte sich die FDP durch. Und noch eine wegweisende Entscheidung deutet sich an: das Aus für den Verbrennungsmotor aus fossilen Antrieben. Im Sondierungspapier wird auf EU-Pläne verwiesen, dass alle Neuwagen ab 2035 emissionsfrei sein sollen. In Deutschland könnte das Aus für den fossilen Verbrenner sogar früher kommen. Ansonsten aber muss sich die Arbeitsgruppe Mobilität noch mit wichtigen Fragen wie dem Schienenausbau befassen.

Finanzen: Noch viel Klärungsbedarf

Wie groß die Sprünge werden, die die Ampelpartner in Sachen Zukunftsinvestitionen machen können, hängt vor allem von den Finanzen ab. Kredite will man keine aufnehmen, wichtige Steuern sollen nicht erhöht werden. Im Gespräch ist zum Beispiel, dass man 2022 unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie noch einmal kräftig Schulden machen - und dieses Geld für Investitionen zur Seite legen könnte.

Außerdem könnten Investitionen in öffentliche Unternehmen ausgelagert werden, die außerhalb des Haushalts laufen und trotz Schuldenbremse Kredite aufnehmen dürfen. Klar ist aber: In der Finanzpolitik liegen die politischen Ideale der drei Ampel-Parteien weit auseinander. Umstritten ist, ob die bisherigen Vereinbarungen nicht doch Schlupflöcher lassen, zum Beispiel für die von SPD und Grünen angestrebte Entlastung von Geringverdienern.

Außen- und Sicherheitspolitik: Was ist mit Nord Stream 2?

Bei der Außen- und Sicherheitspolitik haben SPD, Grüne und FDP im Sondierungspapier wenig Konkretes geliefert. Die dafür eingesetzte Arbeitsgruppe muss sich nun vor allem entscheiden, ob ein härterer Kurs gegenüber China und Russland eingeschlagen werden soll, um Menschenrechtsverletzungen entgegenzuwirken.

Umstritten ist vor allem der Umgang mit der Gas-Pipeline Nord Stream 2 zwischen Deutschland und Russland. Die Grünen sind gegen das Projekt, die FDP ist zumindest skeptisch und die SPD will sich da raushalten. Geklärt werden muss auch der Umgang mit dem Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Auch die weitere Beteiligung an der nuklearen Abschreckung des Bündnisses steht auf dem Prüfstand. Und nicht zuletzt muss die Koalition entscheiden, wie Deutschland es künftig mit der Anschaffung bewaffneter Drohnen hält.

Exzellenz-Strategie: Grüne und FDP widersprechen sich

Unterschiedliche Meinungen gibt es in der Hochschulpolitik bei der Zukunft der sogenannten Exzellenzstrategie. Im "Thema des Tages" (BR24) haben drei hochschulpolitische Vertreter von SPD, FDP und Grünen hier Differenzen erkennen lassen. Die Liberalen wollen weniger Elite-Hochschulen fördern. SPD und Grüne wollen die Zahl der geförderten Hochschulen dagegen ausweiten.

FDP-Verhandler Thomas Sattelberger sagte: "Exzellenz sollten wir als Thema der Spitze erhalten, und es nicht versuchen zu egalisieren." SPD-Hochschulexperte Oliver Kaczmarek erklärte, die Exzellenzinitiative haben Dynamik ins System gebrachte. Es brauche aber Neujustierungen und eine "höhere Zahl der Projektcluster". Grünen-Verhandlerin Verena Osgyan sagte: Die Mittel müssten "mehr als bisher auch den Studierenden zu Gute kommen". Es gehe nicht nur um Spitzenforschung, sondern auch darum, "Hochschulentwicklung in der Breite zu fördern". In Bayern stünden die einzigen Elite-Unis beide in München, da gebe es Nachholbedarf.

Die drei Politiker – Sattelberger, Osgyan und Kaczmarek – sind sich aber darin einig, dass die Grundausstattung der Hochschulen verbessert werden muss. Die ist allerdings in weiten Teilen Sache der Bundesländer.

  • Zum Artikel "Kapitalgedeckte Rente: Das planen SPD, Grüne und FDP"

(mit Informationen von dpa)

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