Blick über die Berge des Tiroler Sellraintales im Frühjahr 2024
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Die Täler grün, die Gipfel tief verschneit: April-Verhältnisse im Tiroler Sellraintal

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Nach Lawinenabgängen: Was das Frühjahr am Berg so heikel macht

Mehrere Menschen sind diese Woche durch Nass- oder Gleitschneelawinen ums Leben gekommen. Die Gefahr durch Lawinen ist nicht untypisch für diese Jahreszeit. Während im Tal Schnee kein Thema mehr ist, herrscht in den Hochlagen noch Winter.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Vier Tote in zwei Tagen: Bei einem Lawinenabgang in der Nähe der Martin-Busch-Hütte in den Ötztaler Alpen sind am Donnerstag drei Niederländer aus einer 17-köpfigen Skitourengruppe ums Leben gekommen. Am Dienstagnachmittag war am Bärenkopf im Karwendelgebirge ein 19-jähriger Wanderer aus dem Landkreis Eichstätt von einer Lawine mitgerissen und tödlich verletzt worden. Auslöser für die Lawinen war jeweils die Frühjahrssituation im Gebirge.

Jetzt im Frühjahr, wenn im Tal alles grünt und blüht, herrscht in den Hochlagen der Berge noch immer Winter. Aktuell wird dieser Kontrast besonders deutlich: Warme Temperaturen während der Wintermonate sorgten für schneearme Verhältnisse in tieferen Lagen, schon seit Anfang März ist es in den Alpentälern weitgehend aper, also schneefrei. In den Hochlagen dagegen, wo das Tauwetter seltener ankam, liegt teilweise überdurchschnittlich viel Schnee.

Schwerer Schnee drängt als Gleit- oder Nassschneelawinen ins Tal

Die Grundlage bildeten die ergiebigen Schneefälle von Anfang Dezember. Es folgten einige niederschlagsreiche Wetterlagen, die zwar im Tal als Regen fielen, in höheren Lagen jedoch viel Neuschnee brachten. Jetzt im Frühjahr nähern sich die Schneehöhen oberhalb von 2.000 Metern ihrem Höchststand. Am Nebelhorn und an der Zugspitze liegen im April und im Mai im Schnitt drei beziehungsweise vier Meter. Schnee, der in diesen Tagen, wenn es wie rund um Ostern fast dreißig Grad warm ist, immer nasser und schwerer wird.

Übertragen auf das Hochgebirge im Alpenraum sind das Millionen Tonnen Schnee, die – durch die Kraft der Sonne durchfeuchtet – mit ihrem Gewicht Richtung Tal drängen. Mal bewegen sich die Massen nur wenige Zentimeter, mal rutschen sie als zerstörerische Gleit- oder Nassschneelawine ab – je nach Untergrund, Temperatur, Hangneigung und Exposition zur Sonne.

Frühjahr im Gebirge: Schneedecke weicht während des Tages auf

Es ist das, was man im Allgemeinen die Frühjahrssituation im Gebirge nennt: Während kalter, klarer Nächte kühlt die Luft ab. Minustemperaturen lassen die Schneedecke gefrieren, an der Oberfläche bildet sich ein Harschdeckel, der für Aufstiege ideal ist und weitgehend lawinensichere Verhältnisse bietet. Im Tagesverlauf weicht die Schneedecke jedoch auf und verliert an Festigkeit. Die Lawinengefahr steigt binnen Stunden. Deshalb gilt als eiserne Regel, dass man lange Touren im Frühjahr am besten vor Sonnenaufgang beginnen und spätestens mittags beenden sollte. Nicht umsonst gibt es auf hochalpinen Hütten das Frühstück manchmal um drei oder vier Uhr morgens.

Wetterwechsel machen Situation tückisch

Die Unfallanalyse des Tiroler Lawinenwarndienstes zum Unfall in den Ötztaler Alpen am Donnerstag steht noch aus, am Telefon deutet Patrick Nairz jedoch bereits eine Erklärung an. Seiner Meinung nach haben die schnellen Temperaturwechsel der letzten Zeit die Schneedecke instabil gemacht. Der Abgang fand am späten Vormittag statt, zuvor hatte es nach einigen warmen Tagen noch einmal viel Neuschnee gegeben. Die häufigen Wetterwechsel würden die Situation in diesem Frühjahr besonders tückisch machen.

Der Unfall am Bärenkopf vom Dienstag ereignete sich in den Nachmittagsstunden durch eine klassische Gleitschneelawine. Solche Lawinen lösen sich von selbst, gleiten auf dem Untergrund ab und sind häufig durch Gleitschneerisse in der Schneeoberfläche erkennbar. Bereiche unterhalb sollte man meiden oder zügig passieren.

Beim Wandern unterhalb von 1.500 Metern bleiben

Lawinen-Wissen ist eine komplexe Angelegenheit, die viel Erfahrung erfordert. Franziska Ehrnsperger vom Lawinenwarndienst Bayern kennt sich damit aus. Sie empfiehlt allen, die gerne sicher wandern wollen, derzeit am besten unterhalb von 1.500 Metern Höhe zu bleiben. Und wenn man doch in den Schnee kommt, dann hilft es, darauf zu achten, wie tief die Füße in die Schneedecke einsinken. Wenn das zunimmt, steigt auch die Gefahr von Nassschneelawinen. Allerdings können auch oberhalb von schneefreien Wanderwegen Lawinen abgehen. Und gerade Nass- und Gleitschneelawinen haben wegen ihres Gewichts größere Auslaufbereiche.

Wer jahreszeitlich passende Empfehlungen für Tourenmöglichkeiten sucht, findet gute Tipps im wöchentlichen Bergbericht des Deutschen Alpenvereins. Dort werden die aktuellen Verhältnisse im Gebirge kompakt zusammengefasst und mit konkreten Vorschlägen versehen. Wer selbst plant, kann bei der Recherche im Netz auch immer einen Blick auf die Webcams in der Zielregion werfen. Dort sieht man mit ein bisschen Übung gut, wo noch Schnee liegt.

Zum Audio: Lawinenopfer: FCN trauert um 19-jährigen Mitarbeiter

Collage Foto Jonas T. und Rettungstrupp nach dem Lawinenunglück bei der Arbeit
Bildrechte: BR / 1. FC Nürnberg / Alpinpolizei
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Der 1. FC Nürnberg trauert um einen 19-jährigen Mitarbeiter, der bei einem Lawinenunglück in Tirol sein Leben verlor.

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