Plakate für Gemeinnützigkeit und gegen Profit
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Gemeinwohl statt Gewinn: Soziale Firmen sollen gefördert werden

Für viele Unternehmen steht der Gewinn im Fokus. Einige Firmen aber haben das Gemeinwohl im Blick – und solche will die Bundesregierung stärker fördern. Was hinter der Strategie steckt und wieso diese auch einer Allgäuer Firma zugutekommen könnte.

Bau-Unternehmerin Christine Machacek aus dem Allgäu hat einen Wunsch. Er lautet: "Dass bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nicht nur der Preis als Bewertungskriterium dargestellt wird, sondern dass Nachhaltigkeitskriterien mit in die Vergabeentscheidung einfließen."

Oft erhält bekanntlich der günstigste Anbieter den Zuschlag für Bauprojekte. Oft gehe es Firmen auch ausschließlich um die Gewinnmaximierung, kritisiert die Allgäuer Unternehmerin Machacek. Sie will zwar ebenfalls profitabel wirtschaften – und tut das mit ihrem Unternehmen SÄBU auch –, aber zum "Wohl aller", wie sie sagt. Der Fokus ihres Bauunternehmens für Modulgebäude aus Holz oder Stahl liege auf dem Gemeinwohl. Also auf dem Wohl von Mensch und Umwelt.

Das Motto: Respektieren, Recyceln, Reinvestieren

Machacek zählt auf, worauf sie im Unternehmen achten: Hier werde Wert auf ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe gelegt. Wenn Gewinne erwirtschaftet werden, würden sie im Unternehmen bleiben. Alle Mitarbeiter bekämen eine Prämie ausbezahlt, denn "die haben zum Erfolg beigetragen".

Auch wird auf die Solidarität mit Mitunternehmen wie Lieferanten geachtet. Bei den Materialen für die Modulgebäude geht die Firma nach eigenen Angaben sparsam mit den Ressourcen um, sodass wenig Materialverschnitt entsteht. Außerdem werde beispielsweise Stahl verwendet, der recycelt werden kann.

Bei den Bauprojekten ist dem Unternehmen die gesellschaftliche Wirkung wichtig: So werden Kindergärten, Schulen oder Hörsäle gebaut – kurz, Bildungseinrichtungen für viele Menschen. Gerade arbeitet das Unternehmen an einem Gebäude für Wohnungslose in München. Aufträge für die Rüstungsindustrie oder für Versuchslabore wären für Machacek "ethisch und moralisch nicht vertretbar".

Damit entspricht die Firma ziemlich gut der Definition von gemeinwohlorientierten Unternehmen. Laut EU-Kommission müssen diese Gewinne größtenteils reinvestieren, um das soziale Ziel zu erreichen; das gesellschaftliche Ziel solle Sinn und Zweck der Geschäftstätigkeit darstellen; auch die Organisationsstruktur und Eigentumsverhältnisse müssen das soziale Ziel widerspiegeln, "da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Beteiligung der Belegschaft basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind".

Nationale Strategie für gemeinwohlorientierte Unternehmen

Machaceks Wunsch, mehr Beachtung als gemeinwohlorientiertes Unternehmen zu erhalten und mehr Chancen bei öffentlichen Aufträgen jenseits der Preisfrage zu bekommen, kann sich bald erfüllen: Das Bundeskabinett hat nämlich unter Federführung des Bildungs- sowie des Wirtschaftsministeriums die "Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen" verabschiedet – und setzt so ein Vorhaben der Ampel im Koalitionsvertrag um. "Längst überfällig" sei die Strategie gewesen, sagt Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).

Zarah Bruhn, Beauftrage für soziale Innovationen im Ministerium, meint: Genau solche Unternehmen fänden Lösungen für die großen Herausforderungen der Gesellschaft, wie Integration oder Klimaschutz: "Ein Staat alleine kann das nicht lösen. Es geht darum, die Rahmenbedingungen zu setzen, um die Kreativität dieser Menschen, neue Ideen, die im großen Stil was verändern, zu unterstützen und wirklich anzuschieben." Und nach Ansicht von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben soziale Unternehmen das Potenzial, Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig sowie zukunftsfest zu machen.

Aus Habecks Ministerium heißt es, dass gemeinwohlorientierten Unternehmen bisher oft Steine in den Weg gelegt würden. Die Gemeinwohlorientierung konnte etwa ein Grund sein, um von wirtschaftlichen Förderprogrammen ausgeschlossen zu werden.

Das soll sich mit der Strategie jetzt ändern: Unter anderem sollen bürokratische Hürden abgebaut, der Zugang zu staatlichen Förderungen und Kreditprogrammen soll vereinfacht werden. Die Unternehmen oder Start-ups sollen bessere Möglichkeiten erhalten, sich untereinander zu vernetzen – hierfür wird ab Oktober eine bundesweite Plattform für soziale Innovationen an den Start gebracht.

Immer mehr Unternehmen wollen ökologischen Beitrag leisten

Tatsächlich wird der Ruf nach Nachhaltigkeit und ökologischen wie sozialen Innovationen immer lauter in der Gründungsszene. Im jüngsten Monitor des deutschen Start-up-Verbands ordnet sich mit 46 Prozent fast die Hälfte der Unternehmen der "Green Economy" zu und will in diesem Bereich einen Beitrag leisten.

So wie Bau-Unternehmerin Machacek aus dem Allgäu. Sie freut sich über die neue Strategie der Bundesregierung: "Ich habe das Gefühl, da kommt langsam was in Bewegung." Die Politik habe damit verstanden, dass gemeinwohlorientierte Unternehmen mehr Sichtbarkeit brauchen. Und dass es nicht nur um eine Profitmaximierung gehen dürfe, sondern um ein werteorientiertes Wirtschaften nach dem Motto: Gemeinnützigkeit statt Gewinn.

  • Zum Artikel: Wie kann klimagerechter Wohnungsbau gelingen?

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