Was sagen Befürworter und Gegner der Petition gegen die Elterngeld-Kürzung?
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Debatte um geplante Elterngeld-Kürzung

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Elterngeld-Debatte: "Idealerweise sollten wir gar nicht kürzen"

Die Ampel will das Elterngeld für Paare mit einem zu versteuernden Einkommen über 150.000 Euro streichen. Eine Petition versucht das zu verhindern. Eine Befürworterin und eine Gegnerin berichten, warum sie sich im Grunde eigentlich einig sind.

Über dieses Thema berichtet: Münchner Runde am .

Für Sandra Runge war der 3. Juli eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Die Anwältin ist eingeladen im Bundestag. Wegen eines Themas, für das sie monatelang gekämpft hat: Die Erhöhung des Elterngeld-Grundbetrags um 35 Prozent. Daneben fordert Runge eine Anpassung dieser staatlichen Hilfe an die Inflation, die das Elterngeld laut der Anwältin schrittweise entwerte.

Über 60.000 Stimmen hat sie gesammelt. Einen Tag später gibt Bundesfamilienministerin Lisa Paus jedoch Folgendes bekannt: Beim Elterngeld soll gespart werden, zur Finanzierung der Kindergrundsicherung. "Natürlich war das wie im falschen Film. Wir dachten: Das kann doch nicht wahr sein, das ist komplett das Konträre von dem, was wir erreichen wollten", sagt Runge. Die Kürzung führte zu einer neuen Petition, die seither kontrovers diskutiert wird: "Nein zur Elterngeldkürzung", gestartet von der Unternehmerin und Influencerin Verena Pausder.

Pro Petition: Nicht an familienpolitischen Leistungen sparen

Mehr als 500.000 Menschen haben auf change.org unterschrieben, Runge gehört dazu. "Ich bin gegen die Kürzung des Elterngelds und auch die Einkommensobergrenze", erklärt sie. Der Grund: An einer bewährten, familienpolitischen Leistung zu sparen, sei politisch nicht der richtige Weg. Denn es gehe nicht darum, dass man bei finanziellen Hilfen für Eltern an irgendwelchen Stellen spare, um dafür an anderen Stellen Budget zu schaffen. Die Elterngeldkürzung hatte Familienministerin Paus eingebracht. "Idealerweise sollten wir da gar nicht kürzen", sagt Runge. Es brauche einen viel höheren Haushalt für Familien, wo nirgendwo gekürzt, sondern überall erhöht werde.

Contra Petition: Obere fünf Prozent haben Elterngeld nicht nötig

Zustimmung in diesem Punkt bekommt Runge von der freien Autorin und Journalistin Celsy Dehnert. Sie hat die Petition von Verena Pausder allerdings nicht unterschrieben. Im Gegenteil: Dehnert kritisiert den Aufschrei der seitdem durch Politik und Medien hallt. Sie fände es grundsätzlich gut, wenn Eltern, die sich benachteiligt fühlen, sagten: "Wir engagieren uns, wir wehren uns, wir tun uns zusammen." Aber, so Dehnert weiter, "dass jetzt ausgerechnet die oberen fünf Prozent, also die mit dem höchsten Einkommen losgehen und sagen: 'Mit uns nicht', während wir seit Monaten diskutieren, dass die Kindergrundsicherung immer weiter zusammengekürzt wird, das fand ich ehrlicherweise ein bisschen absurd."

Kürzung pro oder contra Gleichberechtigung?

Dehnert hat selbst jahrelang mit zwei Kindern unterhalb der Armutsgrenze gelebt. Das durchschnittliche Einkommen eines Haushalts in Deutschland liege bei 50.000 Euro, nicht bei 150.000, betont sie. Außerdem stört Dehnert, "dass nun wieder nur über Probleme von Gutsituierten gesprochen wird".

Was dabei aber unter den Tisch falle sei, dass Menschen, die Bürgergeld bekommen überhaupt kein Elterngeld zusteht. Auch das Argument der Petition von Verena Pausder, dass die Kürzung des Elterngelds der Gleichstellung entgegenstehe, weil Frauen dann gezwungen seien, unbezahlt im Haushalt Care-Arbeit zu verrichten, lässt Dehnert nicht gelten.

Die Rollenbilder seien in diesen Haushalten noch immer so traditionell, dass das Elterngeld dort keine Auswirkungen auf die Gleichstellung habe, weil die Männer viel mehr verdienten als die Frauen und weniger Elternzeit nehmen würden. Runge sieht das anders. Sie erzählt: "Uns haben Eltern geschrieben, die sagen: 'Wenn das kommt ab Januar, dann kann mein Partner nicht mehr in Elternzeit gehen.'"

Pro und Contra ziehen eigentlich am selben Strang

Doch obwohl Runge und Dehnert unterschiedliche Positionen in Sachen "Pausder-Petition" haben, eint sie doch der Frust über die derzeitige Finanzpolitik. "Eigentlich ist es ein Unding, dass in Zeiten von Geburtenrückgang und Inflation der Bundesfinanzminister kommt und sagt, er will bei Familien sparen", sagt Dehnert.

Und auch Anwältin Runge bekräftigt: "Das ist ja das, was viele fordern. Das man auch noch mal woanders hinschaut." Laut Runge könnte man stattdessen klimaschädliche Subventionen abschaffen oder, wie von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gefordert, beim Ehegattensplitting ansetzen. Dann müsse man nirgendwo kürzen und könnte das Elterngeld für alle erhöhen. Und Dehnert schlägt vor: "Ich würde am Dienstwagenprivileg sparen wollen. Das sind 5,5 Milliarden Euro, die wir einsparen würden."

Für Sandra Runge ist in der Debatte um das Elterngeld am ärgerlichsten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in zwei Lager gespalten würden. Sie hofft auch weiterhin auf eine Erhöhung statt einer Kürzung, von der, wie sie sagt, alle profitieren würden.

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