Kindergrundsicherung: Welche Leistungen gibt es bereits?
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Kindergrundsicherung: Welche Leistungen gibt es bereits?

Weniger Geld als geplant soll es für die Kindergrundsicherung geben. Aber was bekommen Familien jetzt schon? Laut Studien, nehmen Familien ihre Ansprüche bisher oft nicht wahr. Beispiel Kinderzuschlag: Nur 35 Prozent der Berechtigten beantragen ihn.

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Rund 150 einzelne familienpolitische Leistungen gibt es derzeit in Deutschland nach Auskunft des Bundesfamilienministeriums – vom Elterngeld bis zur beitragsfreien Mitversicherung von Familienmitgliedern in der Krankenkasse. Familien werden also durchaus umfangreich gefördert, aber die Förderungslandschaft ist unübersichtlich. Für viele zu unübersichtlich. Zuständig sind unterschiedliche Behörden auf kommunaler sowie auf Landes- und Bundesebene. Eine aktuelle Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) kommt zum Ergebnis, dass ein bis zwei Drittel der Haushalte, die zum Bezug von Grundsicherungsleistungen berechtigt sind, diese nicht beantragen.

Kinderzuschlag: Kaum bekannt und viel zu kompliziert

Zum Kinderzuschlag nannte die Bundesregierung auf Anfrage der Partei Die Linke kürzlich Zahlen. Der Kinderzuschlag ist eine Zusatzleistung für Eltern, die wenig verdienen: Diese familienpolitische Leistung erreicht nur rund ein Drittel der Anspruchsberechtigten – rund 800.000 Kinder (Stand Dezember 2022). Eine geringe Zahl im Vergleich zur Gesamtzahl armer Kinder in Deutschland. Diese liegt bei rund vier Millionen.

Der Verband Alleinerziehender Mütter und Väter bestätigt: Vielen Betroffenen sei die Antragstellung für den Kinderzuschlag zu kompliziert. Gewährt werde er immer nur für ein halbes Jahr und die Beantragung sei "in etwa so komplex wie eine Einkommensteuererklärung". Und das für oft geringe Geldbeträge. Die Leistung sei zudem zu wenig bekannt. Damit Alleinerziehende ihre Ansprüche überhaupt geltend machen können, hat der Verband eine Broschüre über die möglichen Leistungen aufgelegt.

Kindergrundsicherung: Eine Zuständigkeit für viele Leistungen

Eine weitere Hürde sei der Behördendschungel, bemängelt Carolin Hufnagl vom Jobcenter München. "Die geplante Kindergrundsicherung muss künftig so einfach wie möglich zu beantragen sein, damit die Menschen die Leistungen auch abrufen", fordert sie. Sollte die Kindergrundsicherung wie geplant in Kraft treten, würden auch die Verfahren einfacher werden. Zusammengelegt werden sollen künftig Leistungen, die bisher an unterschiedlichen Stellen beantragt werden müssen: Kindergeld, Kinderzuschlag, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, Kinderfreibeträge und Unterhaltsvorschuss. Bislang sind dafür Institutionen auf kommunaler oder Bundesebene zuständig. Auf welcher Ebene die künftige Kindergrundsicherung angesiedelt sein soll, ist noch nicht entschieden.

Was sind die wichtigsten familienpolitischen Maßnahmen?

Kindergeld: Davon profitieren alle

Das Kindergeld steht – unabhängig vom Einkommen der Eltern – jedem Kind in Deutschland zu, maximal bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Es sind 250 Euro pro Kind: eine Bundesleistung, die über die Familienkassen zu beantragen ist. Mit insgesamt 47,9 Milliarden Euro ist dies die wichtigste finanzielle familienpolitische Förderung des Staates.

Kinderzuschlag: Nur für einkommensschwache Eltern

Familien mit geringem Einkommen können zusätzlich durch einen sogenannten Kinderzuschlag unterstützt werden. Er beträgt maximal 250 Euro pro Kind und hängt vom jeweiligen Einkommen und Vermögen der Eltern ab. Die Höhe des Kinderzuschlags prüfen die Familienkassen auf der Basis der Einkommensbescheide.

Bayerisches Familiengeld: Weiß-blaues Extra für alle

Kinder in Bayern erhalten zusätzlich zum Kindergeld und ohne Extra-Antrag (die Beantragung des Kindergelds genügt) ein sogenanntes "bayerisches Familiengeld". Der Freistaat zahlt für ein- und zweijährige Kinder einen Zusatzbetrag in Höhe von 250 Euro im Monat, beziehungsweise 300 Euro Familiengeld ab dem dritten Kind. Ausgezahlt wird es über das Zentrum Bayern Familie und Soziales.

Bayerisches Krippengeld und Kindergartenzuschuss

Ab dem zweiten Lebensjahr erhalten Kinder in Bayern das bayerische Krippengeld, beantragt wird es ebenfalls über das Zentrum Bayern Familie und Soziales.

Einen Kindergartenzuschuss von monatlich 100 Euro gibt es in Bayern für die gesamte Kindergartenzeit. Die Leistung geht nicht direkt aufs Konto der Eltern, sondern an die Träger der Kitas und muss nicht extra beantragt werden.

Elterngeld: Noch profitieren fast alle Familien davon

Hier hat Bundesfamilienministerin gerade die Senkung der Einkommensgrenzen für anspruchsberechtigte Eltern angekündigt. Die Grenze von 300.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen soll auf 150.000 Euro reduziert werden. Bislang gilt: Der Staat zahlt das Elterngeld für maximal 14 Monate (immer dann, wenn auch der andere Elternteil, meist der Vater, mindestens zwei Monate beantragt). Berufstätige Eltern können das halbierte "Elterngeld Plus" in Anspruch nehmen – gezahlt wird dann bis zu 28 Monate lang.

Knapp 1,4 Millionen Frauen und 482.000 Männer haben 2022 Elterngeld erhalten – die Väter bleiben mit durchschnittlich 3,6 Monaten wesentlich kürzer zu Hause als die Frauen. Das liegt auch daran, dass Väter häufig das Haupteinkommen der Familie erwirtschaften. Das Elterngeld beträgt zwischen 300 und maximal 1.800 Euro im Monat und orientiert sich am Einkommen des betreuenden Elternteils vor der Geburt. Das Elterngeld ist eine Bundesleistung, die in Bayern beantragt wird über das Zentrum Bayern Familie und Soziales. In anderen Bundesländern ist dies auch digital über ein Online-Portal möglich.

Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder: Einzelantrag für jeden Euro

Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket steht bedürftigen Kindern zu, die sich das Mittagessen in der Schule, die Kosten für die Klassenfahrt oder die Gebühren für den Sportverein nicht leisten können. Auch dies eine Leistung mit bürokratischen Hürden, denn die einzelnen Leistungen müssen bei den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern der Jobcenter beantragt und von diesen genehmigt werden. Betroffene Eltern empfinden das häufig als kompliziert und auch als stigmatisierend.

Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket werden ebenfalls nur teilweise von Anspruchsberechtigten abgerufen – in München fließen Gelder aus dem Teilhabepaket an immerhin mehr als 50 Prozent der berechtigten Kinder.

Unterhaltsvorschuss: Wird mit Kindergeld verrechnet

Der Unterhaltsvorschuss fließt an einen alleinerziehenden Elternteil - meist die Mutter - wenn der andere Elternteil keinen regelmäßigen Unterhalt für das gemeinsame Kind leistet. Zuständig dafür sind die Jugendämter der Kommunen. Die Höhe des Unterhaltsvorschusses hängt vom Alter der Kinder ab: Kinder bis fünf Jahre bekommen monatlich 187 Euro, bis elf Jahre monatlich 252 Euro und bis 17 Jahre monatlich 338 Euro. Eigentlich wäre der vom Staat bezahlte Unterhaltsvorschuss sogar noch höher – er soll sich am Existenzminimum der Kinder orientieren. Aber der Betrag des Kindergelds wird mit dem Unterhaltsvorschuss verrechnet. Was bei vielen Alleinerziehenden für Ärger und Unverständnis sorgt.

Fazit: Viel Geld für Familien, aber keine gemeinsame Zielrichtung

Expertinnen und Experten bestätigen, dass Familien in Deutschland finanziell umfangreich gefördert werden. Kritisiert wird aber häufig, dass nach dem Gießkannenprinzip ohne einheitliche Zielrichtung vergeben werden. Zudem sei der Dschungel der familienpolitischen Leistungen über die Jahre zu unübersichtlich und zu komplex geworden. Deshalb stellen viele Anspruchsberechtigte erst gar keinen Antrag, obwohl sie das Geld dringend bräuchten.

Seit Jahren wird gefordert, Zuständigkeiten zusammenzulegen, damit die Familien nicht an der Bürokratie scheitern. Die geplante Kindergrundsicherung geht in diese Richtung. Zum Nulltarif wird sie allerdings nicht zu haben sein – selbst wenn nur diejenigen Leistungen in Anspruch genommen werden, die bislang seltener abgerufen wurden.

Im Audio: Interview mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus

Bundesfamilienministerin Lisa Paus
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Bundesfamilienministerin Lisa Paus

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