Christian Lindner, Bundesfinanzminister (FDP)
Bildrechte: pa/dpa

Christian Lindner (FDP) wartet auf den Beginn der Kabinettssitzung, in der der Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 beschlossen werden soll.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Sparhaushalt 2024: Wo wird gekürzt, wo gibt's mehr?

Lange hat die Ampel um den Etat für 2024 gerungen, nicht alle Konflikte wurden beigelegt. Der am Mittwoch beschlossene Haushaltsentwurf sieht harte Einsparungen vor, um die Schuldenbremse einzuhalten. Wofür ist bald mehr, wofür weniger Geld da?

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will endgültig einen Schlussstrich ziehen unter die Jahre der wegen der Corona-Pandemie und der Energiepreise krisenbedingten Ausnahmen. 445,7 Milliarden Euro sieht der Haushaltsentwurf für 2024 vor. Das sind 30 Milliarden weniger als im laufenden Etat. Die Neuverschuldung soll 'nur' noch bei 16,6 Milliarden Euro liegen. So kann Lindner die Schuldenbremse im zweiten Jahr in Folge einhalten.

Die Verhandlungen, die dem am Mittwoch vom Kabinett beschlossenen Etatentwurf vorangingen, waren lang, hart und erbittert. Sieger gab es keine, auch wenn drei Ressorts im kommenden Jahr insgesamt mehr Geld bekommen sollen - die von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FPD). Alle anderen Ministerinnen und Minister gehen laut Entwurf leer aus oder müssen im kommenden Jahr mit zum Teil deutlich weniger wirtschaften. Endgültig beschlossen wird der Haushalt erst im Winter.

Prioritäten: Sicherheit, Industrie, Gerechtigkeit

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) benannte nach dem Kabinettsbeschluss die Prioritäten bei der Etatplanung. "Zuallererst geht es um die Sicherheit unseres Landes." Hintergrund ist der Ukraine-Krieg. Zweite Priorität sei, dafür zu sorgen, dass Deutschland "ein modernes Industrieland" bleibe. Dritter Schwerpunkt sei, "dass wir für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sorgen". Es gehe darum, "dass wir alles Notwendige tun, dass alle zurechtkommen können".

Wichtig zu wissen: Noch handelt es sich um einen Haushaltsentwurf. Veränderungen sind möglich. Erst am 1. Dezember entscheidet der Bundestag über den gesamten Bundeshaushalt. Bis es soweit ist, werden erfahrungsgemäß noch zahlreiche Änderungen an dem aktuellen Entwurf vorgenommen. Auch werden noch verschiedene Faktoren wie die Steuerschätzung und die erwartete Wirtschaftsentwicklung in die Berechnungen einfließen.

Grafik: Wer bekommt 2024 wie viel, wer muss gegenüber 2023 einsparen?

Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Der Bundeshaushalt 2024

Mehr als ein Drittel für Arbeit und Soziales

Das mit Abstand meiste Geld soll laut dem Entwurf wie jedes Jahr das Arbeits- und Sozialministerium bekommen. Mit knapp 172 Milliarden Euro kann Hubertus Heil (SPD) für 2024 rechnen, nach gut 166 Milliarden in diesem Jahr. Das ist mehr als ein Drittel des gesamten Haushalts.

Allein für die Rentenversicherung werden dem Entwurf zufolge 127 Milliarden Euro bereitgestellt, nach 121 Milliarden in diesem Jahr - der Bund zahlt Zuschüsse an die Rentenkasse, die allerdings reduziert werden sollen, und übernimmt auch Beiträge für die Zeit der Kindererziehung. Für das Bürgergeld sind im Sozialhaushalt für das nächste Jahr 24,3 Milliarden Euro vorgesehen, nach 23,8 Milliarden in diesem Jahr.

Kein echtes Plus für Verteidigung

Der größte Gewinner des Etat-Karussells ist Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Er kann sich über ein Plus von 1,7 Milliarden Euro freuen. Mit 51,8 Milliarden Euro kann er 2024 voraussichtlich über den zweitgrößten Haushalt bestimmen. Ein echter Zuwachs ist es allerdings nicht, denn der Betrag deckt ziemlich genau nur den Bedarf ab, der wegen Tarifsteigerungen nötig wird.

Umso mehr muss das Versprechen einer voll ausgestatteten und einsatzbereiten Bundeswehr nun aus dem 100-Milliarden-Topf Sondervermögen finanziert werden, das für die großen Rüstungsprojekte wie den Tarnkappenjet F-35, mehr moderne Schützenpanzer oder auch sichere Kommunikationswege verplant ist, aber nicht den laufenden Unterhalt deckt. Im kommenden Jahr sollen 19,2 Milliarden Euro aus diesem Topf investiert werden. Erstmals will die Regierung damit auch das Ziel der Nato - zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung - erfüllen.

Mehr, aber zu wenig Geld für Verkehr

Statt geforderter Investitionen in Höhe von 45 Milliarden Euro gibt es für die bundeseigene Deutsche Bahn nur bis zu 34 Milliarden Euro bis 2027. Die Bundesregierung will allerdings prüfen, ob und inwieweit der Klima- und Transformationsfonds (KTF) - ein Sondertopf neben dem Haushalt - einen Beitrag in Höhe von 15 Milliarden Euro in den kommenden zwei Jahren zur Deckung des Investitionsbedarfs leisten kann.

Für die Bundesfernstraßen, also Autobahnen und Bundesstraßen, sind rund 12,8 Milliarden Euro vorgesehen, etwas mehr als in diesem Jahr. Davon sollen rund 11,5 Milliarden in Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb der Bundesfernstraßen gehen. Rund 263 Millionen Euro will der Bund für die Förderung des Rad- und Fußverkehrs ausgeben - rund 150 Millionen Euro weniger als 2023. Gekürzt werden soll etwa beim Bau von Radschnellwegen.

Womöglich größter Verlierer: Gesundheitsetat

Mit minus 33,7 Prozent gegenüber 2023 wird der Gesundheitsetat am stärksten beschnitten. 2024 hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) laut Entwurf nur noch 16,2 Milliarden zur Verfügung, wenn der Haushaltsentwurf so beschlossen wird. Erreicht werden soll das vor allem durch diese Maßnahmen: Wegfall des Bundeszuschusses zur Pflegeversicherung in Höhe von 1 Milliarde Euro, sowie das Einfrieren des Zuschusses zur gesetzlichen Krankenversicherung, der allerdings mit 14,5 Milliarden Euro bereits denn größten Teil des Gesamtetats verschlingt. Sonderzuschüsse zu den gesetzlichen Krankenkassen soll es nicht mehr geben.

Lauterbach machte am Mittwoch umgehend klar, dass es trotzdem keine Leistungskürzungen bei der Pflege geben wird. Das soll möglich sein durch eine gerade erst in Kraft getretene Reform, die jährlich 6,6 Milliarden Euro mehr für die Pflege mobilisieren soll - und zwar durch höhere Beiträge, die seit 1. Juli fällig sind. Lauterbach hat zudem bereits angekündigt, kein Geld mehr in den sogenannten "Pflegevorsorgefond" einzuzahlen, sollte er weniger Haushaltsmittel bekommen. Der Fonds wurde vor rund fünf Jahren eingerichtet, um in der Pflege Generationengerechtigkeit zwischen den Babyboomern und den nachfolgenden Generationen herzustellen. Zehn Milliarden Euro sind bereits drin – und eigentlich sollte regelmäßig weiter Geld fließen.

Keine Leistungskürzungen trotz Einsparungen beim BAföG

Auch der Etat von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) schrumpft. 21,5 Milliarden Euro hat sie im laufenden Haushaltsjahr 2023 zur Verfügung, 20,3 Milliarden sollen es im nächsten ein. Das sind 5,4 Prozent weniger.

Nur mehr 1,37 Milliarden Euro - das entspricht einem Minus von 440 Millionen Euro gegenüber 2023 - stehen in Form von BAföG für Studierende zur Verfügung. Auch beim Schüler-BAföG werden rund 220 Millionen Euro gestrichen. Leistungskürzungen soll es laut einem Ministeriumssprecher trotzdem nicht geben. Aber auch keine Anpassungen an die Inflation und die explodierenden Mieten.

Neu sind 500 Millionen Euro für ein neues bildungspolitisches Vorhaben, das sogenannte Startchancen-Programm, eine Förderspritze für rund 4.000 Schulen bundesweit mit "einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler".

Kein Elterngeld für gut verdienende Paare

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) muss laut Entwurf ebenfalls sparen. 218 Millionen bekommt sie weniger. Dafür will Paus vor allem am Elterngeld drehen. Das sollen künftig nur noch Paare bekommen, deren jährlich zu versteuerndes Einkommen zusammen bei maximal 150.000 Euro liegt. Bisher lag die Grenze bei 300.000 Euro. Paus kann dadurch 290 Millionen Euro einsparen. Sie rechnet damit, dass rund 60.000 Familien von der Kürzung betroffen sein werden. Andere, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft, rechnen vor, dass es bis zu 435.000 sein könnten.

Mehrausgaben werden dafür beim Kinderzuschlag eingeplant, den Familien mit geringen Einkommen erhalten. Hier steigen die Kosten von 1,9 Milliarden auf voraussichtlich 2,2 Milliarden Euro im nächsten Jahr.

Umstritten sind noch die Ausgaben für die Kindergrundsicherung, die 2025 kommen soll und verschiedene Familienleistungen zusammenfasst. Anspruchsberechtigte Familien sollen besser erreicht und armutsgefährdete Kinder und Jugendliche besser unterstützt werden. Rund zwei Milliarden Euro sieht Christian Lindner aktuell dafür vor. Ob das ausreicht, ist allerdings fraglich.

Sondervermögen für Wirtschaft und Klima

Der Etat von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fällt laut Entwurf mit rund 11 Milliarden Euro im Vergleich zu 2023 zwar um 3,5 Millionen niedriger aus, trotzdem kommt es für ihn nicht so schlimm wie befürchtet. Das liegt zum einen an rund 500 Millionen Euro, die Habeck mehr bekommt als erwartet, und zum anderen am sogenannten Klima- und Transformationsfonds KTF, einem Sondervermögen, das sich aus Rücklagen sowie Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel finanziert.

Aus dem KTF sollen weitere dringend benötigte Gelder zur Wirtschaftsförderung und zum Umweltschutz fließen, wie Subventionen zur Ansiedlung von Chipinvestitionen, Gelder zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sowie die staatliche Förderung beim Heizungstausch. Hier werde der Wirtschaftsplan für 2024 aber noch finalisiert.

Mit Material von dpa, epd und AFP.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!