Eine Mutter hält ihr Kind an der Hand
Bildrechte: Fernando Gutierrez-Juarez

Beim Elterngeld könnte es zu Einschränkungen kommen.

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Elterngeld: Welche Kürzung geplant ist und wen es betrifft

Kein Elterngeld mehr für Paare mit hohem Einkommen: Das plant die Ampel-Koalition mit dem Haushalt für 2024. Die wichtigsten Informationen zur vorgesehenen Änderung, zu Einkommensgrenzen und betroffenem Personenkreis.

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Das Finanzministerium verlangt von allen Ressorts, dass gespart wird. Auch beim Elterngeld soll gekürzt werden. Bislang handelt es sich um Pläne. Das Bundeskabinett hat den Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 zwar beschlossen. Aber, ob es tatsächlich so kommt, dass Haushalte künftig ab 150.000 Euro Jahreseinkommen keinen Anspruch mehr auf Elterngeld haben, ist noch strittig. Über den gesamten Bundeshaushalt entscheidet der Bundestag erst am 1. Dezember. Das ist beim Elterngeld bislang vorgesehen.

Geplant: Einkommensgrenze beim Elterngeld auf 150.000 senken

Im Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2024 ist vorgesehen, dass Paare ab 150.000 Euro zu versteuerndem Einkommen kein Elterngeld mehr erhalten. Derzeit können Paare mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen bis 300.000 Euro die Leistung in Anspruch nehmen.

Was ist zu versteuerndes Einkommen?

Das zu versteuernde Einkommen wird vom Finanzamt ermittelt und ist auf dem Steuerbescheid zu finden. Grob gesagt, handelt es sich um die Summe der Einkünfte minus steuerliche Freibeträge, Sonderausgaben und anderen Faktoren wie zum Beispiel Aufwendungen für die Altersvorsorge. Ein Paar mit 150.000 Euro zu versteuerndem Einkommen kommt nach Einschätzung in Kreisen des Bundesfamilienministeriums auf ein Jahresbrutto von etwa 180.000 Euro.

Mit dem Elterngeldrechner des Bundesfamilienministeriums kann man sich unverbindlich ausrechnen, wie viel Elterngeld man bekommen würde.

Wie viele wären von der Kürzung beim Elterngeld betroffen?

Dazu, wie viele von der niedrigeren Einkommengrenze betroffen wären, gehen die Schätzungen weit auseinander. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte nach RTL/ntv-Angaben in einem Interview, dass vermutlich rund 60.000 Familien künftig keinen Anspruch mehr auf die staatliche Lohnersatzleistung während der Elternzeit hätten. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) kommt in eigenen Berechnungen zu einer weit höheren Zahl. Demnach lebten 2020 in Deutschland 435.000 Paare, die potenziell Kinder bekommen könnten und wegen ihres hohes Einkommens künftig aus dem Elterngeld herausfallen könnten. Die Berliner Wirtschaftsprofessorin Katharina Wrohlich wiederum schätzt, dass die Senkung der Einkommens-Obergrenze maximal vier bis fünf Prozent aller Paare mit neugeborenem Kind betrifft.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bezogen im vergangenen Jahr gut 1,8 Millionen Personen Elterngeld, die meisten davon Frauen (knapp 1,4 Millionen).

Wie viele in Bayern beziehen Elterngeld?

Bezogen auf Kinder, die 2020 geboren wurden, waren es in Bayern 185.276 Elterngeldbezieher, wie das bayerische Familienministerium auf BR24-Anfrage mitteilt. Dazu, wie viele bei der geplanten Absenkung der Einkommensgrenze auf 150.000 kein Elterngeld mehr bekommen würden, lägen "keine einschlägigen Daten vor". Denn in der Elterngeldstatistik des Statistischen Bundesamtes, auf die dich das bayerische Ministerium stützt, würden Erwerbseinkommen von 2.770 Euro und mehr erfasst. Daraus ließen sich keine weitergehenden Einkommensschichtungen ermitteln.

Fünf Prozent der Steuerpflichtigen liegen über 150.000-Euro-Grenze

Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik des bayerischen Landesamts für Statistik ergab aber, dass in Bayern 2019 133.209 Steuerpflichtige über der Einkommensgrenze von 150.000 Euro lagen – also etwa fünf Prozent aller Steuerpflichtigen. Zusammen veranlagte Ehepaare oder eingetragene Lebenspartnerschaften werden dabei als ein Steuerpflichtiger gezählt. Wie viele dieser Steuerpflichtigen allerdings Kinder haben, wird nicht aufgeschlüsselt. Da nicht alle Personen oder Ehepaare einen Anspruch auf Elterngeld haben, sind von der Neuregelung der Einkommensgrenze für das Elterngeld demnach weniger als fünf Prozent der Steuerpflichtigen in Bayern betroffen.

Die meisten davon leben vermutlich in München, denn dort ist der Anteil an Menschen, die 2022 den Elterngeldhöchstsatz von 1.800 Euro pro Monat bekamen, am höchsten. 9.455 Personen - jeder vierte Elterngeldempfänger - fiel in München in diese Kategorie. In der Stadt Hof waren es beispielsweise nur 47 von 925 Empfängerinnen und Empfänger – rund fünf Prozent.

Den Anteil an Elterngeldempfängerinnen und -empfängern je Landkreis, die 2022 einen Anspruch auf den Elterngeldhöchstsatz von 1.800 Euro monatlich hatten, können Sie der Karte entnehmen:

"Fast alle Mütter, die berechtigt waren, Elterngeld zu beantragen, taten dies auch", heißt es im Sozialbericht der bayerischen Regierung für den Geburtsjahrgang 2018. So hätten 99 Prozent der Mütter – etwa 122.000 Frauen – Elterngeld bezogen. Bei den Vätern waren es für dieses Geburtsjahr bayerweit etwa 60.000, was im Ländervergleich nach Sachsen den zweithöchsten Wert darstellte. Mütter und Väter können sich die Monate, für die es Elterngeld gibt, untereinander aufteilen.

Trifft eine Elterngeld-Kürzung nur "Reiche"?

Der Familien-Experte des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Wido Geis-Thöne, hält die Idee, die Grenze für das Elterngeld zu reduzieren, zwar grundsätzlich nicht für verkehrt. "Allerdings ist sie mit 150.000 Euro eher niedrig – das erreichen zwei Akademiker in Vollzeit auch ohne Spitzenpositionen. Hier sollte die Regierung sich fragen, ob sie nicht über ihr Ziel hinausschießt." Nach Ansicht von CDU-Chef Friedrich Merz würden damit die Möglichkeiten für viele Familien vor allem in großen Städten mit hohen Lebenshaltungskosten spürbar eingeschränkt.

Die Unternehmerin und Autorin Verena Pausder argumentiert in ihrem Gastbeitrag beim "Stern" ähnlich: "150.000 Euro Einkommen sind viel Geld – aber insbesondere in der Lebensrealität vieler Paare in Großstädten mit hohen Mieten, fehlenden Kinderbetreuungsplätzen und keinem Vermögen, bedeuten diese Pläne starke Einschnitte." Pausder hat die Online-Petition "Nein zur Elterngeld-Streichung!" gestartet, die bereits über 350.000 Unterschriften (Stand: 5.7.23, 13.15 Uhr) gesammelt hat. "Das Elterngeld ist ein wichtiger Baustein für Paare, um das erste Jahr nach der Geburt eines Kindes, bis es in die Kita kommt, zu überbrücken", schreibt Pausder. "Dieser Baustein bricht nun für viele Paare ersatzlos weg."

Die Präsidentin den Sozialverbands VdK, Verena Bentele, hält die niedrigere Einkommensgrenze für sinnvoll, wie sie der Zeitung "Welt" sagte. Sie kritisierte aber, dass das so frei werdende Geld eingespart und nicht umgeschichtet werden soll auf andere Familienleistungen. Der Deutsche Kinderschutzbund hat gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorgeschlagen, das freiwerdende Geld für die Finanzierung der Kindergrundsicherung zu nutzen.

"Für die Gleichstellung kein Glanzstück"

Bundesfamilienministerin Paus argumentierte, sie habe den Auftrag vom Bundesfinanzminister gehabt, beim Elterngeld zu reduzieren. In dieser Situation habe sie sich dafür entschieden, nicht die Leistung zu kürzen, sondern zu schauen, wie das sozialpolitisch ausgewogen gehe. Aber Paus gestand zu: "Für die Gleichstellung, in der Tat, ist das kein Glanzstück", sagte Paus.

Auch die DGB-Vorsitzende Elke Hannack hatte bereits vor einer Streichung des Elterngeldes für Gutverdiener gewarnt. "Jetzt das Elterngeld zusammenzustreichen, ist nichts anderes als gleichstellungspolitischer Irrsinn", sagte Hannack. Gut ausgebildete junge Frauen würden sich nun gegen ein Kind und für den Beruf entscheiden. Junge Väter, die gerade ihre Karriere aufbauen, könnten nicht gänzlich auf ihr Einkommen verzichten und würden sich deshalb nicht um die kleinen Kinder kümmern.

Bereits im Vorfeld hatte sich wegen Einsparungen beim Elterngeld ein Streit zwischen der Grünen Familienministerin und der FDP entsponnen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagt, sein Haus habe zwar "dringend angeregt", die Ausgabendynamik beim Elterngeld zu stoppen. Ministerien seien aber autonom und könnten eigene Vorschläge für Einsparungen machen. Paus hat am Donnerstag nochmal bekräftigt, bei der geplanten Streichung des Elterngelds für hohe Einkommen zu bleiben, weil es unter all den schlechten Varianten die aus ihrer Sicht am wenigsten schlechte ist.

Ab wann soll die Änderung beim Elterngeld gelten?

Zur Debatte steht die Finanzplanung des Bundes für 2024. Noch ist nicht sicher, ob die Absenkung der Einkommensgrenze beim Elterngeld so kommt und ab wann genau sie gelten würde. Nach dem Kabinettsentscheid über den Haushaltsentwurf am Mittwoch geht dieser nun zur Beratung in den Bundestag. Dort gibt es in der Regel noch teils wesentliche Änderungen. Mit Blick auf die große öffentliche Kritik beim Thema Elterngeld ist möglicherweise das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Bundestag soll den Haushalt dann Anfang Dezember beschließen.

Trotz der Einsparung sind im Etat der Familienministerin für 2024 knapp acht Milliarden Euro für das Elterngeld vorgesehen, also 290 Millionen Euro weniger als 2023.

Was ist das Elterngeld?

Mit Elterngeld unterstützt der Staat Eltern, die nach der Geburt des Kindes nicht oder vorerst nur wenig arbeiten und damit kaum oder kein Geld verdienen. Es muss beantragt werden. Eltern mit höheren Einkommen erhalten 65, Eltern mit niedrigeren Einkommen bis zu 100 Prozent des Netto-Verdienstes, den sie vor der Geburt hatten.

Es gibt mindestens 300 Euro pro Monat. Nach oben ist das Elterngeld bei 1.800 Euro gedeckelt. Ab etwa 2.700 Euro netto Monatsverdienst steigt es also nicht weiter an. Das Elterngeld wird höchstens 14 Monate lang gezahlt, wenn sich beide Elternteile an der Betreuung beteiligen. Die Zahlungsdauer kann auch weiter gestreckt werden (ElterngeldPlus). Dafür sind die monatlichen Zahlungen dann kleiner.

Eingeführt wurde das Elterngeld 2007 und löste das vorherige Erziehungsgeld ab, das bei maximal 450 Euro lag. Die neue Leistung sollte mehr Paare zum Nachwuchs ermutigen, auch wegen der niedrigen Geburtenzahlen in Deutschland. Außerdem sollte sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, da Elterngeld auch ergänzend bezogen werden kann, wenn Mütter oder Väter nach der Geburt in Teilzeit arbeiten. Ziel war es außerdem, mehr Väter zu ermuntern, für das Kind eine berufliche Auszeit zu nehmen.

Mit Informationen von AFP, dpa, Reuters, epd

Dieser Artikel ist erstmals am 5. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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