23.09.2023, Bayern, Nürnberg: Arif Tasdelen (3.v.l, SPD) spricht zu Olaf Scholz (M, SPD), Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, während das Publikum nach seiner Rede applaudiert. Um ihn herum stehen Mitglieder und Mitgliederinnen der Nürnberg SPD, darunter Ronja Endres (2.v.l, SPD), Vorsitzende der Bayern SPD. Foto: Daniel Vogl/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Daniel Vogl

SPD Wahlkampfkundgebung in Nürnberg

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Billiges Bauen: Scholz sieht Länder in Mitverantwortung

Hohe Zinsen und stark gestiegene Kosten haben den Bau-Motor abgewürgt. Die Bundesregierung sucht nach Lösungen. Wie das aussehen kann, machte Kanzler Olaf Scholz zwei Wochen vor der Landtagswahl bei einem Besuch in Nürnberg deutlich.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Vor einem Treffen mit der Baubranche für bezahlbares Bauen hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Bundesländer in Mithaftung genommen. Es sei gut, dass die Bundesländer auf die Vorschläge des Bundes für Planungsbeschleunigung auch im Baubereich positiv reagiert hätten, sagte Scholz auf einer SPD-Wahlveranstaltung in Nürnberg am Samstag. Bei den Bauvorschriften sträubten sie sich aber noch immer, bundeseinheitlichen Standards zuzustimmen, die serielles und damit billigeres Bauen leichter machten. Es brauche überall eine Beschleunigung.

Mit Hinweis auf das Treffen im Kanzleramt am Montag fügte Scholz hinzu, dass die Zinsen eigentlich das Bauen nicht bremsen dürften. Früher seien bei höheren Zinsen mehr Wohnungen gebaut worden.

Baubranche und Verbände fordern "Wohnungsbau-Wumms"

Die Zahlen gehen momentan wegen hoher Zinsen und Baukosten zurück. Verbände der Baubranche verlangen ein Hilfspaket mit Steuererleichterungen, weniger Regeln und mehr Förderung. Sie forderten am Wochenende einen "Wohnungsbau-Wumms".

Scholz sagte in Nürnberg, bei dem Treffen am Montag sollten "ganz konkrete Dinge" besprochen werden, wie mehr Wohnungen gebaut werden können. Gebraucht werde unter anderem mehr Bauland, das in den Kommunen ausgewiesen werden müsse.

Bauministerin Klara Geywitz (SPD) forderte in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur eine Abkehr von geplanten Energiesparvorschriften für neue Wohnhäuser und für unsanierte ältere Gebäude.

An der Veranstaltung am Nürnberger Jakobsplatz vor der Landtagswahl am 08. Oktober nahmen laut Polizei Mittelfranken 200 geladene Gäste sowie rund 500 Menschen in den öffentlich zugänglichen Bereichen teil. Die Kundgebung wurde immer wieder von verbalen Unmutsbekundungen, Zwischenrufen und dem Gebrauch von Trillerpfeifen begleitet. Ansonsten verlief die Veranstaltung störungsfrei.

Einheitliche Grundkonstruktion von Häusern

Zum seriellen Bauen sagte Scholz, bei Autobauern werde auch nicht jedes Modell in jedem Landkreis einzeln zugelassen, sondern es gebe eine generelle Zulassung. "Warum soll uns das mit den Grundkonstruktionen von Häusern nicht auch deutschlandweit gelingen? Das würde erhebliche Kosten sparen." Die Wohnungen blieben weiter individuell, wie auch bei Autobestellungen.

Geywitz nahm Energiesparvorschriften in den Blick. "Ich bin dagegen, mit verpflichtenden Mindest-Effizienzstandards bei Gebäuden Eigentümern von unsanierten Häusern Angst zu machen, dass sie Zehntausende von Euro investieren müssen", sagte Geywitz auch mit Blick auf EU-Pläne.

In Brüssel wird eine Gebäudeeffizienzrichtlinie beraten, die vor allem für Häuser mit den schlechtesten Energiewerten Verbesserungen fordern würde. Dabei will auch das Bundeswirtschaftsministerium bestimmte Vorgaben verhindern. "Verpflichtende Sanierungen für einzelne Wohngebäude schließen wir aus", zitierte der "Spiegel" aus einer Stellungnahme.

Weniger strenge Energiesparstandards

"Wir sollten erstmal bei den öffentlichen Gebäuden mit gutem Beispiel vorangehen, bei den Schulen unserer Kinder, bei Sporthallen, bei den Rathäusern, den Feuerwachen und Pflegeeinrichtungen", sagte Geywitz. "Damit haben wir schon ziemlich viel CO₂ gespart. Und wenn wir später feststellen, dass es noch zu viele unsanierte Einfamilienhäuser gibt, haben wir dann sicherlich auch eine Antwort darauf."

Mit Blick auf Neubauten ging Geywitz klar auf Distanz zu dem Energiesparstandard EH40, den die Ampel im Koalitionsvertrag für 2025 vereinbart hat. "Die jetzigen Kategorien, der Effizienzstandard EH40 zum Beispiel, konzentrieren sich zu sehr auf die Dämmung und die benötigte Heizwärme", sagte Geywitz. "Wir sollten ein einfaches System entwickeln, das energieeffizientes Bauen, die Nutzung umweltgerechter und recycelter Baumaterialien und flächensparendes Bauen fördert. Das wäre eine Alternative zu EH40."

Die Festlegung im Koalitionsvertrag stamme aus einer Zeit mit niedrigeren Finanzierungs- und Baukosten, argumentierte Geywitz. "Wir müssen dringend die Baukosten senken. Der Baukostenunterschied zwischen dem jetzt gültigen Standard EH55 und EH40 kann mehrere Hundert Euro pro Quadratmeter betragen."

Mehr technische Flexibilität

Nötig sei ein flexibles System. "Das gilt für ältere Gebäude, aber auch für den Neubau", sagte Geywitz. "Holz und andere natürliche Baustoffe speichern Kohlendioxid für lange Zeit. Da brauchen wir die technische Freiheit zu sagen: Wenn du beim Bau des Hauses viel CO₂ speicherst oder sparst, indem du Recycling-Material verwendest, dann kannst du später in der Betriebsphase im Hinblick auf den Energieverbrauch flexibler sein."

Mit Blick auf die Finanzierungsbedingungen sagte Scholz: "Es sind nicht die Zinsen das Problem." Das aktuelle Niveau von etwa vier Prozent sei niedrig im Vergleich beispielsweise zum Anfang der siebziger Jahre mit 9,5 Prozent. Das Problem sei, dass zu viele Wohnungen zu Preisen gebaut worden seien, die sich viele nicht leisten können.

Mit Informationen von dpa und Reuters

Der BR24 Kandidaten-Check:

BR24 Kandidaten-Check: Wofür stehen die Direktkandidatinnen und -kandidaten der Landtagswahl in Bayern? Ihnen allen haben wir dieselben Fragen zu den relevantesten Themen des Wahlkampfs gestellt, mehr als 800 haben teilgenommen. Geben Sie im Tool Ihren Wohnort, Stimmkreis oder Ihre Postleitzahl ein und finden Sie heraus, wie die Bewerber geantwortet haben:

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!