Archivbild: Der Fahrer eines Bradley Fighting Vehicle (BFV) gestikuliert in der Frontstadt Orichiw. Aus ihrem amerikanischen Schützenpanzer berichtet die Besatzung von schweren Gefechten. In der einst fast 14 000 Einwohner zählenden Stadt nur weniger Kilometer von der aktuellen Front wohnt heute fast niemand mehr, die meisten Häuser sind entweder komplett zerstört oder unbewohnbar. Seit Kriegsbeginn stand Orichiw unter ständigem Beschuss der russischen Armee, im Laufe der aktuellen Gegenoffensive konnten ukrainische Streitkräfte allerdings die Kontrolle über die Stadt zurückgewinnen. (zu dpa «Dorf im Granathagel - Ukrainische Offensive kommt nur langsam voran») Foto: Oliver Weiken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Ukraine-Krieg - Ukrainische Gegenoffensive im Süden des Landes

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"Rücken weiter vor": Kiew durchbricht russische Linien im Süden

Die Gegenoffensive der Ukraine geht langsamer voran, als sich Kiew das erhofft hatte. Doch die Erfolgsmeldungen häufen sich zunehmend. Nun wurde im Kampf gegen den russischen Aggressor und Besatzer ein Durchbruch gemeldet.

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Bei ihrer Gegenoffensive hat die ukrainische Armee nach Angaben ihres verantwortlichen Generals die russischen Verteidigungslinien im Süden des Landes durchbrochen. In der Nähe des Dorfes Werbowe in der Region Saporischschja "haben wir einen Durchbruch und wir rücken weiter vor", sagte Oleksandr Tarnawskiji. Zugleich erklärte die ukrainische Armee am Samstag, dass beim Angriff auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim am Vortag auch hochrangige russische Marineoffiziere getötet worden seien.

Neben der Erfolgsmeldung vom Süden der Front gestand General Tarnawskiji im US-Fernsehsender CNN zugleich ein, dass der Fortschritt der Gegenoffensive sich langsamer einstelle als erhofft. "Nicht so schnell wie erwartet, nicht wie in den Filmen über den Zweiten Weltkrieg", sagte Tarnawskiji. Es sei aber wichtig, "diese Initiative nicht zu verlieren".

Die Ukraine hatte ihre Gegenoffensive zur Rückeroberung von Gebieten unter russischer Kontrolle im Juni begonnen. Nur langsam kamen erste Erfolgsmeldungen, doch in jüngster Zeit vermeldete Kiew strategische Fortschritte vor allem in der Region Saporischschja.

Russland greift weiter mit iranischen "Schahed"-Drohnen an

Ein wichtiger Durchbruch wäre die Rückeroberung der Stadt Tokmak etwa 20 Kilometer von der Frontlinie entfernt, gab Tarnawskiji an. Tokmak gelangte zu Beginn des russischen Einmarschs unter Moskaus Kontrolle. Die Einnahme der Stadt würde es der ukrainischen Armee erlauben, weiter Richtung der annektierten Krim zu drängen.

Aber Russland wehrt sich. Am Samstag hieß es nach ukrainischen Angaben, dass der Aggressor in der Region Saporischschja sowie in der weiter nördlich gelegenen Region Dnipropetrowsk Angriffe mit sogenannten "Schahed"-Drohnen iranischer Bauart verübt habe. 14 von 15 seien jedoch abgeschossen worden.

Davon unabhängig berichtete der Gouverneur von Saporischschja, Juri Malaschko, Russland habe am Freitag 86 Angriffe auf 27 Siedlungen in der Region verübt. Viele der angegriffenen Orte lägen nur einige Kilometer von den Kämpfen entfernt. Ein 82-jähriger Zivilist sei durch Artilleriebeschuss zu Tode gekommen.

In der benachbarten Region Cherson berichtete Gouverneur Olexander Prokudin von mindestens einer toten Person und drei Verletzten durch russischen Beschuss am Freitag. Ins Visier genommen habe Moskau etwa die Regionalhauptstadt Cherson, sagte Prokudin. Getroffen worden seien Wohnviertel sowie medizinische- und Bildungseinrichtungen, außerdem von der Regierung eingerichtete Verteilstellen für Nahrungsmittel und Getränke, Einrichtungen der kritischen Infrastruktur und ein Gefängnis.

Russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol stationiert

Den herannahenden Winter sieht der ukrainische General Tarnawskiji nicht als zusätzlichen Faktor, der die Ukraine bei ihrer Gegenoffensive verlangsamen könnte: "Das Wetter kann ein ernsthaftes Hindernis während des Vormarsches sein, aber angesichts der Art und Weise, wie wir uns vorwärtsbewegen, meist ohne Fahrzeuge, glaube ich nicht, dass es die Gegenoffensive stark beeinflussen wird."

Das CNN-Interview wurde einen Tag nach dem ukrainischen Angriff auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte auf der annektierten Krim-Halbinsel ausgestrahlt. Der Erfolg der Gegenoffensive hänge nicht nur an den Geschehnissen an der Front, sondern auch daran, "Kommandozentralen zu zerstören", was für "Durcheinander auf dem Schlachtfeld" sorge, sagte Tarnawskiji. Angriffe auf die Krim würden auch die Moral der ukrainischen Soldaten heben: "Es hilft uns, aber es gibt uns auch Hoffnung für die Zukunft."

Die russische Schwarzmeerflotte ist im Hafen von Sewastopol stationiert. Dort befindet sich eines der russischen Kommandozentren für Moskaus Krieg gegen die Ukraine. Von dort werden die russischen Besatzungstruppen im Süden der Ukraine versorgt und Raketenangriffe ausgeführt.

Kiew attackiert Ziele auf der Krim

Die Ukraine hatte das Hauptquartier in Sewastopol am Freitag angegriffen. Laut den Behörden der seit 2014 von Russland annektierten Halbinsel brach durch den Raketenangriff ein Feuer aus. Russischen Angaben zufolge galt ein Soldat als vermisst.

Das Militär in Kiew erklärte am Samstag, dass der ukrainische Raketenbeschuss das Hauptquartier während eines Treffens der russischen Marineführung getroffen habe. Dutzende "Besatzer" seien getötet und verletzt worden. Der Fährverkehr in dem Gebiet wurde vorübergehend eingestellt und später wieder aufgenommen. Laute Detonationen waren auch in der Nähe von Wilne auf der nördlichen Krim zu hören, gefolgt von dichten Rauchschwaden, wie auf einem pro-ukrainischen Nachrichtenkanal bei Telegram berichtet wurde.

Der ukrainische Geheimdienstchef Kyrylo Budanow sprach gegenüber dem US-Auslandssender Voice of America von mindestens neun Toten. Die Angaben waren nicht unabhängig zu überprüfen. Budanow weigerte sich zu sagen, ob bei dem Angriff Raketen aus westlicher Produktion verwendet worden waren.

Unterdessen warnte der von Moskau eingesetzte Gouverneur von Sewastopol am Samstag vor einem möglichen erneuten Raketenbeschuss. Michail Raswoschajew wies die Bevölkerung im Onlinedienst Telegram an, die Fenster zu schließen und sich nicht in Fensternähe aufzuhalten, Autos und öffentliche Verkehrsmittel zu verlassen und an einen sicheren Ort zu gehen. "Die Gefahr ist vorbei", erklärte er wenig später. Es seien Raketenteile außerhalb der Stadt niedergegangen.

Mit Informationen von AFP und AP

Audio: Russen "beschämt" - Hauptquartier der Schwarzmeerflotte zerstört

Eingestürztes Dach im Hauptgebäude
Bildrechte: Sergej Malkawko/Picture Alliance
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Zerstörtes Hauptquartier der Schwarzmeerflotte

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